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Treffen P. v. Hindenburg A. Hitler [1]:
ersprießliche Zusammenarbeit mit einer vom
Herrn Reichspräsidenten gebildeten neuen Regierung
erstens die möglichst rasche Auflösung des
Reichstags und die Neuwahl eines Reichstags, welcher der Volksstimmung
entspräche, und zweitens die alsbaldige Aufhebung der die NSDAP
diffamierenden Verordnungen, insbesondere das SA-Verbot.
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Tagebuch Joseph
Goebbels (Auszüge)[2]
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14. April 1932
[...] Nachmittags um 5 Uhr kommt das
SA‑Verbot. Es wird für das ganze Reich erlassen. Das ist Groeners
Geschoß. Vielleicht aber wird er darüber zu Fall gebracht. Uns wird
mitgeteilt, daß Schleicher seinen Kurs nicht billigt. [...]
28. April 1932
[...] Der Führer ist bei Schleicher
gewesen. Das Gespräch verlief gut. [...]
8. Mai 1932
[...] Der Führer hat eine entscheidende
Unterredung mit General Schleicher; einige Herren aus der nächsten Umgebung
des Reichspräsidenten sind dabei. Alles geht gut. Der Führer hat
überzeugend zu ihnen geredet. Brüning soll in den nächsten Tagen schon
fallen. Der Reichspräsident wird ihm sein Vertrauen entziehen. Der Plan
geht dahin, ein Präsidialkabinett zu installieren; der Reichstag wird
aufgelöst, alle Zwangsgesetze sollen fallen, wir bekommen
Agitationsfreiheit und liefern dann ein Meisterstück an Propaganda.
[...] Beglückend das Gefühl, daß noch kein
Mensch etwas ahnt, am wenigsten Brüning selbst. [...]
11. Mai 1932
Der Reichstag plätschert weiter. Groeners
Stellung ist erschüttert, die Armee will ihn nicht mehr. Selbst seine
eigene Umgebung drängt auf seinen Sturz. So muß es anfangen; wenn einer
erst fällt, dann kommt das ganze Kabinett und mit ihm das System ins
Purzeln. Brüning sucht zu retten, was zu retten ist. Er redet im Reichstag
und zieht sich klugerweise auf die Außenpolitik zurück. Dort wird er sehr
aggressiv. Er wähnt sich 100 Meter vor dem Ziel. Von Groener sagt er
kein Wort. Er gibt ihn also auf. [...]
12. Mai 1932
[...] Abends kommt die längst erwartete
Meldung: Groener ist als Wehrminister zurückgetreten. Das ist der erste
Erfolg. Er ist über die Schlinge gestolpert, die er sich selbst gelegt
hatte. Und dann haben wir sie zugezogen. Der Reichspräsident fährt nach
Neudeck ab. Die große Krise ist auf nächste Woche vertagt.
Eine Gnadenfrist für Brüning. Ob er sie
nützen wird? [...]
13. Mai 1932
Wir bekommen Nachricht von General
Schleicher: Die Krise geht programmgemäß weiter. [...]
18. Mai 1932
[...] Brüning wird von unserer Presse und
Propaganda auf das schärfste attackiert. Er muß fallen, koste es, was es
wolle. Die geheime Aktion gegen ihn geht unentwegt weiter. Er ist bereits
vollkommen isoliert. [...]
24. Mai 1932
[...] Am Sonnabend schon soll Brüning
auffliegen. Staatssekretär Meißner reist nach Neudeck. Nun wollen wir den
Daumen halten. Die Ministerliste steht im großen ganzen fest: v. Papen,
Reichskanzler, v. Neurath, Außenminister, dazu noch eine Reihe von
unbekannten Namen. Für uns ist die Hauptsache, daß der Reichstag aufgelöst
wird. Das weitere wird sich dann finden. [...]
30. Mai 1932
Die Bombe ist geplatzt. Brüning hat um
12 Uhr dem Reichspräsidenten die Gesamtdemission des Kabinetts
überreicht.
Das System befindet sich im Fall. [...]
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Friedrich
Stampfer, 1947 (Auszüge)[3]
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Die parlamentarischen Verhältnisse im Reich
blieben von den Septemberwahlen des Jahres 1930 bis zum Sturz Brünings
durch die Kamarilla am 30. Mai 1932, also einunddreiviertel Jahre
lang, stabil. Diese Stabilität, ein unschätzbares Aktivum in so stürmischer
Zeit, hätte vielleicht noch lange dauern können, wäre sie nicht durch ein
außerparlamentarisches Intrigenspiel zerstört worden. Es gab eine starke
parlamentsfeindliche Opposition, bestehend aus Nationalsozialisten,
Deutschnationalen und Kommunisten, und trotz alledem eine stärkere
Regierungsmehrheit, bestehend aus den übrigen Parteien. Es war ‑ sonderbar
genug ‑ eine klare parlamentarische Mehrheit für die Anwendung
des Artikels 48. Aber diese Mehrheit hat nicht in einem einzigen
wichtigen Fall versagt. Sie lehnte die Einberufung des Reichstags ab, wenn
eine Notverordnung erlassen war und die Regierung sich ihrer
parlamentarischen Behandlung widersetzte. Sie lehnte im Reichstag die
Aufhebung der Notverordnungen ab, und sie lehnte die Mißtrauensanträge ab,
die von der Opposition gestellt waren. Sie nahm das Osthilfegesetz an und
erteilte der Regierung die Ermächtigung, von sich aus die Zölle zu ändern,
d. h. zu erhöhen. Diese Mehrheit siegte am 6. Dezember 1930 mit
einem Plus von 38 Stimmen, am 12. Mai ‑ bei der
letzten Abstimmung vor Brünings Entlassung ‑ mit einem Plus von
30 Stimmen. Dazwischen lagen zahlreiche andere Abstimmungen ähnlicher
Art.
Brüning brauchte, um dieses System zu
erhalten, die Sozialdemokratie, der er manche Zugeständnisse im kleinen,
besonders auf sozialem Gebiet machen mußte. Die Sozialdemokratie aber
brauchte den Anschluß an die bürgerliche Mitte, wenn sie die Rechte von der
Macht fernhalten wollte. Es war von beiden Seiten keine Liebesehe, nur eine
Vernunftehe im strengsten Sinn des Wortes. Mit dem Herzen war Brüning viel
eher als bei den Sozialdemokraten bei den Deutschnationalen, wären sie nur
noch so gewesen wie 1925! Die Sozialdemokraten aber hätten hundertmal
lieber opponiert als toleriert, nur die Einsicht, daß sie durch ihre
Opposition die Entwicklung noch viel weiter nach rechts treiben würde,
zwang sie in die Gefolgschaft eines sehr weit rechts stehenden Kanzlers.
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Erklärung SPD-Fraktion,
1. Juni 1932[4]
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Der Sturz der Regierung Brüning, der
außerhalb des Parlaments durch unverantwortliche Ratgeber des
Reichspräsidenten herbeigeführt worden ist, eröffnet eine außerordentlich schwere
innen- und außenpolitische Krise.
Die Art der Bildung und Zusammensetzung der
Reichsregierung ist gegen das Volksinteresse und gibt keine Gewähr für die
Aufrechterhaltung der Sozialpolitik, insbesondere der Rechte der
Arbeitslosen. Zugleich ist die Führung einer Außenpolitik gefährdet, die zu
einer Wiederherstellung des Vertrauens und der notwendigen internationalen
Zusammenarbeit führt.
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion
ist entschlossen, gegen alle sozialreaktionären Anschläge, gegen alle
inflationistischen Experimente und gegen alle Angriffe auf die Verfassung
und die Demokratie den Kampf zu führen, steht der sich bildenden Regierung
mit schärfstem Mißtrauen gegenüber und wird daraus alle parlamentarischen
Konsequenzen ziehen.
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Aufruf Parteivorstand
SPD, 1. Juni 1932 (Auszüge)[5]
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Die Reaktion hat ihre Karten aufgedeckt!
Dies Kabinett der »nationalen Konzentration« ist die erste Reichsregierung
seit 1918, in der die organisierte Arbeitnehmerschaft, in der die
Gewerkschaften der Arbeiter, Angestellten, Beamten, ganz gleich welcher
Richtung, ohne jede Vertretung geblieben sind.
Mit dem Sturz der Regierung Brüning soll
die Bahn freigemacht werden:
für die Aufhebung des
Versicherungscharakters der Arbeitslosenversicherung, d. h. für die
Ersetzung der gesamten Arbeitslosenversicherung durch die Wohlfahrtspflege;
für die Beseitigung eines bindenden
Tarifvertragsrechts, d. h. für die Herabsetzung der Löhne im größten
Maßstab.
Zerschlagen werden soll durch den Sturz des
Kabinetts Brüning das Projekt der Arbeitsbeschaffung im Wege einer
aufzulegenden Prämienanleihe. Zerschlagen werden soll der Plan einer
großzügigen Besiedelung des bankrotten und nicht mehr sanierungsfähigen
ostelbischen Großgrundbesitzes.
Die durch die Krisenpanik und die
Kopflosigkeit eines Teils der Bevölkerung genährten reaktionären Hoffnungen
sollen erfüllt werden, indem das Steuer des Reichs nach rechts gedreht
wird.
Diesen Plan der Reaktion zu durchkreuzen
ist die Aufgabe der organisierten Arbeiterklasse, ist die Aufgabe der
Sozialdemokratie. Es besteht hierzu auch die volle Möglichkeit, wenn die
Arbeiterklasse das Spiel der Reaktion rücksichtslos entlarvt!
Die Sozialdemokratie tritt in die schärfste
Opposition in einem Augenblick, in dem die reaktionäre Demagogie gezwungen
ist, sich selber zu entlarven.
Es kommt darauf an, auch die von
Kommunisten und Nazis irregeführten Teile der Arbeiterschaft in die Front
der Sozialdemokratie gegen die Reaktion zurückzuführen. Das gilt namentlich
von jenen Verblendeten und Irregeführten, die sich jahrelang von den
Kommunisten einreden ließen, daß die Sozialdemokratie der "Hauptfeind"
sei!
Der alte Kampfgeist der Sozialdemokratie
lebt! Für uns gibt es keinen Kleinmut und keine Entmutigung!
Denn wir wissen: Die politische Krise
Deutschlands ist nur eine Auswirkung der Weltkrise des kapitalistischen
Systems.
Vergebens sucht die Kapitalistenklasse
Deutschlands beim Faschismus ihre Rettung. Alle Flickarbeit der
kapitalistischen Helfer wird vergeblich bleiben. Der Umbau der versagenden
Wirtschaftsordnung mit dem Ziel sozialistischer Gemeinwirtschaft ist zur
Gegenwartsaufgabe gereift.
Die Macht der Monopole muß gebrochen, der
Einfluß des Staates auf Warenerzeugung, Warenverteilung, Bank- und
Kreditwesen verstärkt werden. Besitz und Verfügungsgewalt der öffentlichen
Hand müssen erweitert werden, um die Grundlage für die Planmäßigkeit der
Gesamtwirtschaft zu schaffen.
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Erklärung
Regierung Franz von Papen, 4. Juni 1932[6]
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In einer der schwersten Stunden der
vaterländischen Geschichte übernimmt die neue Regierung ihr Amt.
Das deutsche Volk steht in einer seelischen
und materiellen Krise ohne Vorgang. Die Opfer, die von ihm verlangt werden,
wenn der dornige Weg zur inneren und äußeren Freiheit mit Aussicht auf
Erfolg gegangen werden soll, sind ungeheuer. Sie können nur ertragen
werden, wenn es gelingt, die seelischen Voraussetzungen durch eine
Zusammenfassung aller aufbauwilligen und staatserhaltenden, kurzum aller
nationalen Kräfte zu finden.
Reichskanzler Dr. Brüning hat als
erster den Mut gehabt, eine klare Bilanz der Lage zu fordern, in die uns in
erster Linie der Versailler Vertrag und die Auswirkungen der
Weltwirtschaftskrise wie auch die Mißwirtschaft der Parlamentsdemokratie
gebracht haben. Diese Bilanz, die die heutige Regierung vorfindet, soll das
deutsche Volk kennen: die finanziellen Grundlagen des Reiches, Preußens und
der Mehrzahl aller anderen Länder und Gemeinden sind erschüttert. Keine der
notwendigen grundlegenden Reformen, die Voraussetzung jeder Gesundung –
Verwaltungsreform, Finanzreform, Anpassung unseres staatlichen Lebens an
die Armut der Nation – ist über schwache Ansätze hinausgekommen. Die
Sozialversicherungen stehen vor dem Bankrott. Die ständig gewachsene
Arbeitslosigkeit zehrt trotz allen Arbeitswillens der besten Kräfte am
Marke des deutschen Volkes.
Die Nachkriegsregierungen haben geglaubt,
durch einen sich ständig steigernden Staatssozialismus die materiellen
Sorgen dem Arbeitnehmer wie dem Arbeitgeber in weitem Maße abnehmen zu
können. Sie haben den Staat zu einer Art Wohlfahrtsanstalt zu machen
versucht und damit die moralischen Kräfte der Nation geschwächt. Sie haben
ihm Aufgaben zuerteilt, die er seinem Wesen nach niemals erfüllen kann.
Gerade hierdurch ist die Arbeitslosigkeit noch gesteigert worden.
Der hieraus zwangsläufig folgenden
moralischen Zermürbung des deutschen Volkes, verschärft durch den unseligen
gemeinschaftsfeindlichen Klassenkampf und vergrößert durch den
Kulturbolschewismus, der wie ein fressendes Gift die besten sittlichen
Grundlagen der Nation zu vernichten droht, muß in letzter Stunde Einhalt
geboten werden. Zu tief ist schon in alle kulturellen Gebiete des
öffentlichen Lebens die Zersetzung atheistisch-marxistischen Denkens
eingedrungen, weil die christlichen Kräfte des Staates zu leicht zu
Kompromissen bereit waren. Die Reinheit des öffentlichen Lebens kann nicht
auf dem Wege der Kompromisse um der Parität willen bewahrt oder
wiederhergestellt werden. Es muß eine klare Entscheidung darüber fallen,
welche Kräfte gewillt sind, das neue Deutschland auf der Grundlage der
unveränderlichen Grundsätze der christlichen Weltanschauung aufbauen zu
helfen.
Die Regierung, die in dieser Stunde,
erfüllt von ihrer schweren Verantwortung vor Gott und der Nation, die
Leitung der Geschicke des Landes übernimmt, ist tief durchdrungen von dem
Bewußtsein der Pflichten, die auf ihr liegen. Sie wird nicht zögern, den
Kampf um die Erhaltung der Lebensgrundlagen des Volkes, insbesondere auch
der werktätigen Bevölkerung in Stadt und Land, unverzüglich aufzunehmen.
Damit die Zahlungen der nächsten Tage und
Wochen zur Aufrechterhaltung des staatlichen Apparates geleistet werden
können, ist die Regierung gezwungen, einen Teil der von der alten Regierung
geplanten Notmaßnahmen zu erlassen. Im übrigen macht die Regierung in
dieser Stunde keine Versprechungen. Sie wird handeln, und man soll sie nach
ihren Taten beurteilen.
Auf außenpolitischem Gebiete ergeben sich
die nächsten und wichtigsten Aufgaben der Reichsregierung aus den im Gange
befindlichen oder bevorstehenden internationalen Verhandlungen über die
großen Weltprobleme der Abrüstung, der Reparationen und der allgemeinen
Wirtschaftskrise. Bei allen diesen Problemen stehen höchste deutsche
Lebensinteressen auf dem Spiele. Unser Ziel ist, in friedlichem
Zusammenwirken mit den anderen Nationen unserem Vaterlande endlich volle
Gleichberechtigung, politische Freiheit und die Möglichkeit
wirtschaftlicher Gesundung zu verschaffen. Nur ein gleichberechtigtes,
freies und wirtschaftlich gesundes Deutschland kann zur Gesundung der Welt
beitragen.
Freilich können alle Bemühungen um die
Wohlfahrt der Völker sich nur dann auswirken, wenn es gelingt, gleichzeitig
die wirtschaftlichen Störungen auf dem Gebiete des Geld- und
Kapitalverkehrs und des Warenaustausches, die gegenwärtig die Welt in
Unruhe versetzen, zu beseitigen. Die Reichsregierung wird an allen
Bestrebungen mitzuwirken bereit sein, die diesem Ziele dienen.
Die Grundlage und Voraussetzung aber jeder
wirksamen außenpolitischen Vertretung unserer nationalen Interessen, über
die es Meinungsverschiedenheiten unter Deutschen nicht gibt, ist die
Herbeiführung der innenpolitischen Klarheit.
Aus allen diesen Gründen hat sich der Herr
Reichspräsident entschlossen, dem Antrage der Reichsregierung stattzugeben,
den Reichstag aufzulösen.
Die Nation wird vor die klare und
eindeutige Entscheidung gestellt, mit welchen Kräften sie den Weg der
Zukunft zu gehen gewillt ist. Die Regierung wird, unabhängig von Parteien,
den Kampf für die seelische und wirtschaftliche Gesundung der Nation, für
die Wiedergeburt des neuen Deutschlands führen.
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Kundgebung Bundesausschuß
ADGB, 14. Juni 1932[7]
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Der Bundesausschuß des Allgemeinen
Deutschen Gewerkschaftsbundes hat in seiner siebenten Tagung, die am
14. Juni in Berlin stattfand und über deren Verlauf wir an anderer
Stelle berichten, nach eingehenden Beratungen über die Lage nach dem
Kabinettswechsel und die Stellung der Arbeiterbewegung in den politischen
und sozialen Kämpfen der Gegenwart folgende Kundgebung zum Beschluß
erhoben:
Die programmatische Erklärung der neuen
Reichsregierung ist eine offene Kampfansage an die gesamte deutsche
Arbeiterschaft. Man muß weit zurückgehen in der Geschichte des letzten
halben Jahrhunderts, um auf Regierungsäußerungen zu stoßen, die einen
ähnlich reaktionären Geist verraten. Sie erinnert in ihrer Sprache und in
ihrer Tendenz an die Zeiten des Kulturkampfes und des Sozialistengesetzes.
Das neue Kabinett wird bezeichnet als eine Regierung der »nationalen
Konzentration«. Tatsächlich vertritt die neue Regierung die Gruppen des
Volkes, die bewußt gegen eine Konzentration »aller aufbauenden und
staatserhaltenden, kurzum aller nationalen Kräfte« in Deutschland gerichtet
sind. Der Schutz und die Fortentwicklung der Weimarer Verfassung, die das
Volk souverän erklärte, ist einer Regierung anvertraut, deren
Verfassungsminister sich offen zur Monarchie als der besten Staatsform
bekennt. Dieser Einstellung entspricht der Geist ihres Programms. Es ist
der Geist des bewußten Klassenkampfes von oben. Der angeblich »gemeinschaftsfeindliche«
Klassenkampf, der der deutschen Arbeiterbewegung zum Vorwurf gemacht wird,
ist nichts anderes als der gesellschaftliche Zustand während der Herrschaft
des kapitalistischen Systems, das die Nation in soziale Klassen spaltet.
Das Ziel der Arbeiterbewegung ist die Überwindung dieses Systems, die
Beseitigung der Klassenscheidung und der Klassenkämpfe. Die
Arbeiterbewegung war und ist eine der großen schöpferischen Energien der
modernen deutschen Geschichte. Ihr Ziel war und ist, die deutsche
Arbeiterschaft aus einer geknechteten Klasse zu einer »nationalen Klasse«
zu machen, zu einem gleichberechtigten Faktor im Leben der Nation. Ihr Ziel
ist eine soziale Lebensordnung unseres Volkes, in der die Verfassung der
Wirtschaft wie des Staates vom demokratischen Geist bestimmt und die Rechte
der Gesamtheit ebenso gewahrt sind wie die Rechte des einzelnen. Der Kampf
der Arbeiterbewegung ist kein Hemmnis, sondern die Voraussetzung für den
organischen Aufbau eines sozialen deutschen Volksstaates, eines neuen
Deutschland. Für dieses Deutschland hat die deutsche Arbeiterschaft im
Kriege ihr Leben eingesetzt. Sie hat die Männer gestellt, die nach dem
Zusammenbruch in vorderster Linie den Kampf um die Einheit unseres Staates
und die Freiheit unseres Volkes führten. Sie hat im Ruhrkampf fremder
Willkür Halt geboten. Sie war abseits aller nationalen Phrasen die stärkste
Stütze des deutschen Staates in allen Gefahren der Nachkriegszeit. Es gibt
keine nationale Konzentration ohne die deutsche Arbeiterschaft. Die jetzige
Regierung steht zu dem neuen Deutschland, zu dem Gedanken des sozialen
Volksstaates in schärfstem Gegensatz. Sie verneint seine Grundlagen, die in
der sozialen Gesetzgebung der Nachkriegszeit geschaffen worden sind. Jede
Ministerrede beweist von neuem, daß die Regierung entschlossen ist, das
deutsche Arbeits- und Sozialrecht zu beseitigen, das in der Weimarer
Verfassung begründet ist. Sie wird sich an die Buchstaben der Verfassung
halten, um ihren Geist desto gründlicher auszutreiben. Das ist der Sinn
ihres angekündigten Kampfes gegen den »Staatssozialismus«, gegen den Staat
als »Wohlfahrtsanstalt«. Indem sie diese Phrasen der
nationalsozialistischen und deutschnationalen Agitation übernimmt, macht
sich die Regierung zum Wortführer der erklärten Feinde der Verfassung.
Diesen arbeiterfeindlichen Parteien zuliebe, denen sie den Ehrennamen
»nationale Bewegung« gibt, hat sie den Reichstag aufgelöst. Sie »schützt«
die Verfassung, indem sie ihren Feinden Vorschub leistet. Angesichts der
ungeheuren Opfer, die die Arbeiterschaft in den letzten Jahren mit einer in
der ganzen Welt bewunderten Disziplin auf sich genommen hat, spricht die
Regierung von »moralischer Zermürbung des deutschen Volkes«. Sie will den
sogenannten »Staatssozialismus« und die sozialen Leistungen an die
Arbeitslosen, die Arbeitsinvaliden und Kranken für diese »Schwächung der
moralischen Kräfte der Nation« verantwortlich machen. Diese Sprache führt
eine Regierung, die sich auf die Kreise der Großindustriellen, der
Großagrarier und der pensionierten Offiziere und Generale stützt, von denen
die einen Milliarden an Subventionen geschluckt haben, während die Mehrzahl
der anderen im gesicherten Besitz ihrer Pensionen alle ihre Kräfte gegen
die Verwirklichung des Volksstaates einsetzten. Das zeigt, in welchem Sinne
diese Reichsregierung »den Kampf um die Erhaltung der Lebensgrundlagen der
werktätigen Bevölkerung« zu führen gedenkt. Weiterer Lohnabbau für die noch
in Arbeit Stehenden, weitere Kürzung der Renten für die Arbeitslosen und
die Sozialrentner, Vernichtung des kollektiven Arbeitsrechts, mit einem
Wort: soziale Entrechtung der Arbeiterschaft und rücksichtslose
Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen, gleichzeitig aber Schonung und
Schutz der Besitzenden, insbesondere der Großagrarier - das ist der Sinn
des neuen Kurses, der »grundsätzlich neuen Richtung der Staatsführung« !
Die Regierung beruft sich auf »die unveränderlichen Grundsätze der
christlichen Weltanschauung«, die sie zur Grundlage ihres neuen Deutschland
machen will. Die "christliche Weltanschauung" dieser Regierung
läßt sich auf die einfache Formel bringen: "Seid Untertan der
Obrigkeit, die Gewalt über euch hat". Die geistige Freiheit soll auf
allen kulturellen Gebieten des öffentlichen Lebens in Knechtseligkeit und
Muckertum erstickt werden. Die Anpassung des staatlichen Lebens an die
Armut der Nation soll durch die Anpassung des kulturellen Lebens an die
geistige Armut der Kreise, auf die die Regierung sich stützt, bekräftigt
und besiegelt werden.
Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands!
Gegen diesen Generalangriff der sozialen
und kulturellen Reaktion, gegen diese Regierung, die den Geist der
Vergangenheit zu neuem Leben erwecken will, gegen diese Fanatiker des
Rückschritts gilt es, alle Kräfte der Arbeiterschaft zu einmütigem Widerstand
zusammenzufassen. Der frevelhafte Versuch, das Rad der Geschichte um ein
halbes Jahrhundert zurückzudrehen, muß scheitern an der vereinten Kraft
eures unbesiegbaren Willens. Eure Losung muß sein: Durch Einigkeit und
Disziplin zur Freiheit!
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Erklärung
Gewerkschaften, 20. Juni 1932[8]
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Die unterzeichneten gewerkschaftlichen
Spitzenorganisationen stellen einmütig fest, daß die in der Notverordnung
enthaltenen Abbaumaßnahmen und Neubelastungen die schlimmsten
Befürchtungen, die die gesamte deutsche Arbeitnehmerschaft auf Grund der
programmatischen Erklärung der Reichsregierung hegen mußte, weit
übertreffen. Damit hat sie den Kampf aufgenommen gegen die sozialen
Einrichtungen des Staates, den sie als »soziale Wohlfahrtsanstalt«
bezeichnet hat. Dieser Angriff muß von den Gewerkschaften der Arbeiter,
Angestellten und Beamten als eine Herausforderung empfunden und mit
Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Die unter größten Opfern von den
Arbeitnehmern aufgebauten sozialen Versicherungseinrichtungen sind in ihren
Grundlagen bedroht. Die Arbeitslosenversicherung ist praktisch beseitigt.
Die Arbeitslosen werden rücksichtslos der »Armenpflege« überlassen. Die
steuerlichen Neubelastungen sind vornehmlich den leistungsschwachen
Schichten auferlegt. Kein Arbeitsbeschaffungsplan, auch sonst kein aufbauender,
in die Zukunft weisender Gedanke, der eine Besserung der furchtbaren
Wirtschaftslage und ein Ende der immer fortschreitenden Verelendung des
Volkes erhoffen läßt, ist zu erkennen. Die Gewerkschaften wissen, daß die
Not der Zeit Opfer fordert. Aber sie verlangen im Geist wahrer
Volksgemeinschaft eine sozial gerechte Verteilung unvermeidbarer Lasten.
Ein Staat, der sich in erster Linie zum Schutz des Besitzes bereitfindet,
verkennt seine vornehmste nationale Aufgabe. Die Gewerkschaften appellieren
an alle Kräfte in Staat und Volk, denen die Einheit des Volkes und das Wohl
der Gesamtheit am Herzen liegt, sich mit ihnen in der Bekämpfung dieses
sozialen Unrechts zu vereinen. Sie sind entschlossen, ihre ganze Kraft
einzusetzen, um den breiten Massen des Volkes wieder den Lebensraum zu
verschaffen, der die unerläßliche Voraussetzung für die Gesundung von
Wirtschaft und Staat ist.
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Gewerkschaftsring deutscher
Arbeiter- und Angestelltenverbände Allgemeiner freier Angestellten-Bund
Allgemeiner Deutscher Beamtenbund Gesamtverband deutscher Verkehrs- und
Staatsbediensteter
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Schilderung Carl
Severing Unterredung mit dem Innenminister, Ende Juni 1932 (Auszüge)[9]
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In einer Konferenz der Innenminister der
Länder, die der neue Reichsinnenminister Freiherr von Gayl einberufen hatte
[22 Juni], [...] Einige Tage später erschien Herr von Gayl bei mir
[...] Mich interessierte es deswegen sehr, die Absicht des Reichsinnenministeriums
zur Reichsreform zu erfahren. So kam ein Gespräch zustande, das sich auch
auf einige in den voraufgegangenen Tagen gemeldete Unruhen erstreckte,
insbesondere auf gewisse Vorgänge im Westen. Ich sprach dabei die
Überzeugung aus, daß es der Polizei gelingen werde, der Unruhen Herr zu
werden. Jedenfalls sei die Polizei trotz aller Zersetzungsversuche fest in
der Hand der Regierung. Auf meine Frage, ob die Reichsregierung tatsächlich
die Einsetzung eines Reichskommissars plane, antwortete der Reichsinnenminister
unbestimmt. Ich gewann jedoch den Eindruck, daß die Reichsregierung an die
Ausführung eines solchen Planes im Augenblick nicht dachte. In dieser
Auffassung habe ich den Minister bestärkt durch die wiederholten Hinweise
auf die Organisation und Pflichttreue der Polizei, die auch größeren
Ausschreitungen gewachsen sein würde. In aller Offenheit habe ich ihm
weiter meine Meinung über die politische Gesamtlage dargelegt. Der Reichstag
werde nach der Wahl des 31. Juli wahrscheinlich ebenso arbeitsunfähig
sein wie der Landtag. Wenn aus diesem Versagen größere Unruhen entständen,
könnte ich mir sehr wohl vorstellen, daß das Reich zu ihrer wirksamen
Abwehr die eigenen Machtmittel mit den Polizeikräften des größten
Gliedstaates, Preußen, zusammenfassen würde. Das würde zweckmäßig nicht
durch die Einsetzung eines besonderen Kommissars, sondern durch eine
Personalunion zwischen dem zuständigen Minister des Reiches und Preußen
herbeigeführt werden. Mir schwebte dabei der Gedanke vor, der im Frühherbst
1931 zwischen dem Reichskanzler Brünft1g, Otto Braun und Otto Wels erörtert
worden war und der in einem anderen Kapitel dieser Aufzeichnungen bereits
erwähnt worden ist.
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C. Severing [10]:
bei der Anmeldung von Versammlungen und
Aufzügen unter freiem Himmel scharf [...] prüfen [...], ob ausreichende
Polizeikräfte zum Schutz der Teilnehmer zur Verfügung stehen, im andern
Fall aber ein Verbot der Veranstaltung erlassen [...].
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Vorwärts, 17. Juli 1920 (Auszüge)[11]
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Wenn sich jemand in Deutschland einbilden
sollte, daß die Organisation der Eisernen Front eine Aufhebung der
republikanischen Verfassung des Deutschen Reiches dulden würden, dann
befände sich dieser Jemand in einem verhängnisvollen Irrtum. Es genügt vollkommen,
wenn wir in diesem Zusammenhang auf den Ausgang des Kapp-Putsches
hinweisen. Und damals gab es noch zwei sozialistische Parteien, die
einander heftig befehdeten, was wieder auf die Beziehungen zu den
Gewerkschaften ungünstig zurückwirkte. Ein Reichsbanner gab es damals
überhaupt noch nicht, und von einer Eisernen Front konnte erst recht keine
Rede sein. Damit jedermann weiß, woran er ist, möchten wir aber auch davor
warnen ‑ nicht die organisierten Arbeiter, die sind im Bilde ‑,
die Aufrufe der KPD zu Protest- und Gewaltstreiks von mehr oder weniger
kurzer Dauer aus irgendeinem Anlaß ernst zu nehmen. Wir lassen diese
letzte, entscheidende Waffe des Proletariats nicht durch Pfuscher
abstumpfen. Ob und wann sie einzusetzen ist, darüber entscheiden allein die
verantwortlichen Organisationen. Sie werden, wenn es um die Lebens- und
Grundrechte der Arbeiterklasse geht, ohne zu zaudern mit der vollen Wucht
der Organisationen zuschlagen.
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Zeitung 21. Juli[12]:
[...] denn er [Severing| wird schließlich
nicht ernsthaft die Rechtsgültigkeit einer Maßnahme des Reichspräsidenten
Ebert, seines eignen Parteigenossen, anzweifeln wollen.
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Aufruf
Parteivorstand SPD, an die Partei, 20. Juli 1932 (Auszüge)[13]
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An die Partei!
Sozialdemokratie im Kampf um Freiheit!
Der Kampf um die Wiederherstellung
geordneter Rechtszustände in der deutschen Republik ist zunächst mit aller
Kraft als Wahlkampf zu führen. Es liegt beim deutschen Volke, durch seinen
Machtspruch am 31. Juli dem gegenwärtigen Zustand ein Ende zu
bereiten, der durch das Zusammenwirken der Reichsregierung mit der
Nationalsozialistischen Partei entstanden ist. Die Organisationen sind in
höchste Kampfbereitschaft zu bringen. Strengste Disziplin ist mehr denn je
geboten. Wilden Parolen von unbefugter Seite ist Widerstand zu leisten!
Jetzt vor allem mit konzentrierter Kraft für den Sieg der Sozialdemokratie
am 31. Juli!
Berlin, 20. Juli 1932
Freiheit!
Parteivorstand
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Schilderung Albert
Grzesinski über den 20. Juli 1932 (Auszüge)[14]
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Aber was hätte das Ziel des Kampfes sein
sollen? Die preußische Staatsregierung war bereits seit dem Mai 1932 aus
eigener Entschließung und in Konsequenz des Ausgangs der Landtagswahlen
zurückgetreten. Was sollte in bezug auf sie gefordert werden, etwa ihre
Wiedereinsetzung? Wie sollte im Fall eines erfolgreichen Kampfes der
Republikaner dann regiert werden? Eine Mehrheit im Landtag war für die
Regierung Braun-Hirtsiefer oder eine andere demokratische Regierung doch
nicht mehr vorhanden, und an diesem Zustand hätte auch ein siegreicher
Ausgang des Kampfes nichts geändert. Ausgeschriebene Neuwahlen zum
preußischen Landtage hätten kein anderes Ergebnis gebracht, wie es nach den
Wahlen vom 24. April bereits vorlag. Es hätte also nur um Personen
gekämpft werden können. Das wäre noch weniger zu verantworten gewesen. Oder
man hätte um die Beseitigung des Parlaments überhaupt kämpfen müssen; das
wäre dann ein kommunistisch-bolschewistisches Ziel gewesen. Ganz abgesehen
davon, daß für ein solches Ziel die sozialdemokratische Arbeiterschaft und
die sozialdemokratische Partei überhaupt nicht in den Kampf hätte gehen
können, wollten sie nicht ihre siebzigjährige Tradition und ihr Programm
verleugnen, hätte eine solche Taktik auch bestimmt zur weiteren Schrumpfung
der Kampffront geführt. Wir also konnten am 20. Juli 1932 nicht mehr
kämpfen; es hätte nur noch ein Kampf sein können um ein bolschewistisches
Ziel oder um die "Futterkrippe".
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Erklärung Parteiausschuß
SPD, 21. Juli 1932 (Auszüge)[15]
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Der Parteiausschuß der SPD brandmarkt vor
dem ganzen deutschen Volke und der ganzen Welt das gewaltsame und
verfassungswidrige Vorgehen der Reichsregierung gegen die preußische
Staatsregierung. Er spricht den Genossen der preußischen Staatsregierung
und dem Berliner Polizeipräsidenten für ihr würdiges Verhalten am 20. Juli
Anerkennung und Dank aus.
Der gewaltsame Eingriff, der von den
Nationalsozialisten gefordert und von der Reichsregierung vollzogen wurde,
hat die verantwortungsfreudige Aufbauarbeit der Sozialdemokratischen Partei
am preußischen Freistaat vorläufig unterbrochen. Wie im Reiche ist jetzt
auch in Preußen die Alleinherrschaft einer dünnen Oberschicht aufgerichtet
und jeder Einfluß der breiten, werktätigen Massen völlig ausgeschaltet
worden.
Die kommunistischen Führer, die seit Jahren
Schulter an Schulter mit den Nationalsozialisten den Kampf gegen
O. Braun und C. Severing geführt, ihren Sturz, ihre Absetzung,
ihre Versetzung in den Anklagezustand gefordert haben, rufen jetzt wegen
der Absetzung von O. Braun und C. Severing zum Generalstreik auf.
Die deutsche Arbeiterklasse wird sich die Wahl ihrer Mittel und die Stunde
des Handelns nicht von den Bundesgenossen der Nationalsozialisten im Kampfe
gegen O. Braun und C. Severing vorschreiben lassen! Es gilt jetzt
in voller Aktivität, Disziplin und Einigkeit alle Kräfte für den Wahlkampf
und den Sieg der Sozialdemokratie zusammenzufassen. Für die weiter
bevorstehenden Kämpfe sind die Organisationen in den Zustand höchster
Bereitschaft zu setzen. Nieder mit dem Hakenkreuz und seinen Gönnern! Es
lebe die Sozialdemokratie! Freiheit!
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Aufruf
Gewerkschaften, 21. Juli 1932[16]
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Die neuesten politischen Vorgänge haben die
deutschen Arbeiter, Angestellten und Beamten in große Erregung versetzt.
Sie müssen trotzdem ihre Besonnenheit bewahren. Noch ist die Lage in
Preußen nicht endgültig entschieden. Der Staatsgerichtshof ist angerufen
worden. Die entscheidende Antwort wird das deutsche Volk insbesondere die
deutsche Arbeiterschaft am 31. Juli geben. Es ist die Pflicht aller
gewerkschaftlichen Organisationen und aller Volksschichten, die auf dem
Boden der Verfassung und des Rechts stehen, mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln dafür zu sorgen, daß diese Reichstagswahl stattfindet.
Weder der Terror der Straße noch irgendeine verfassungswidrige Diktatur
darf verhindern, daß am 31. Juli das Volk von diesem höchsten Recht
Gebrauch macht. Die vorbildliche Disziplin der deutschen Arbeiter,
Angestellten und Beamten ist auch in diesen schweren Tagen unter allen
Umständen aufrecht zu erhalten. Wir lassen uns die Stunde des Handelns von
Gegnern der Gewerkschaften nicht vorschreiben.
ADGB, Afa, Gesamtverband der Christlichen
Gewerkschaften Deutschlands, Gesamtverband Deutscher Verkehrs- und
Staatsbediensteter, Gewerkschaftsring Deutscher Arbeiter, Angestellten- und
Beamtenverbände, Allgemeiner Deutscher Beamtenbund, Deutscher Beamtenbund.
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Vorwärts, 21. Juli 1920 (Auszüge)[17]
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Jawohl, in Berlin ist alles ruhig
geblieben, aber sie mögen sich nicht täuschen: nur der Besonnenheit der
sozialdemokratischen Führung und ihrer Kaltblütigkeit, nur der
bewundernswürdigen Disziplin der Berliner Arbeiterschaft ist dies zu danken!
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Tagebuch Joseph
Goebbels (Aufruf)[18]:
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20. Juli 1932
Alles rollt programmäßig ab. Bracht wird
als Reichskommissar eingesetzt. Severing erklärt, nur der Gewalt weichen zu
wollen. Ein leiser Druck mit dem Handgelenk genügt. Ausnahmezustand über
Berlin-Brandenburg. Grzesinski, Weiß [Polizeivizepräsident von Berlin] und
Heimannsberg [Polizeikommandeur in Berlin] verhaftet. Sie danken feige ab
und werden dann wieder freigelassen. In der Reichshauptstadt bleibt alles
ruhig. Man muß den Roten nur die Zähne zeigen, dann kuschen sie. SPD und
Gewerkschaften rühren nicht einen Finger. Die Reichswehr steht bereit, aber
braucht nicht unmittelbar einzugreifen. Wir sitzen im kleinen Kreise
zusammen und stellen einen Wunschzettel auf, was Bracht nun alles tun muß.
[...]
Eben rückt die Reichswehr in die
Reichshauptstadt ein. Mit Panzerwagen und Maschinengewehren. Ein
wundervoller, beglückender Anblick. Die Lage ist gut. Ruhe und Ordnung
gesichert. Eine unmittelbare Gefahr besteht nicht mehr.
21. Juli 1932
Alles rollt wie am Schnürchen ab. Die Roten
sind beseitigt. Ihre Organisationen leisten keinen Widerstand. Das "8‑Uhr‑Abendblatt"
verboten. Einige Polizei- und Oberpräsidenten abgesetzt. Der Generalstreik
unterbunden. Es laufen zwar Gerüchte von einem bevorstehenden
Reichsbanneraufstand um, aber das ist ja alles Kinderei. Die Roten haben
ihre große Stunde verpaßt. Die kommt nie wieder.
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Vorwärts, 22. Juli 1920 (Auszüge)[19]
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Kein
kopfloser Streik!
An die Arbeiter, Angestellten und Beamten
Berlins!
Ungeheure berechtigte Empörung hat sich der
Zeitungen und der Mitgliedschaft aller freien Gewerkschaften bemächtigt,
als die verfassungsmäßige republikanische Preußenregierung von der
Papen-Regierung abgesetzt und hohe Funktionäre im Lande und im Berliner Polizeipräsidium
gewaltsam aus ihren Ämtern entfernt wurden. Die ständigen Hinweise der
Gewerkschaften, daß die Politik der letzten Woche auf Belagerungszustand,
Gesetzesverletzung und Versuche zur Wahlverhinderung hinsteuert, haben
gestern eine erschreckende Bestätigung gefunden. Die Situation ist gespannt
bis zum äußersten. Provokateure sind am Werk! Sie schwätzen von
Generalstreik und Aktionen, ohne die Massen hinter sich zu haben. Sie
wollen damit den schlimmsten Mächten der Reaktion Vorwand zum brutalen
Vorgehen gegen die Arbeiterbewegung geben und die Arbeiterschaft in ein
Blutbad hineintreiben. Die Reichstagswahlen am 31. Juli müssen unter
allen Umständen durchgeführt werden! Sie müssen die Niederlage der
Papen-Regierung und des Nationalsozialismus bringen. Deshalb folgt nicht
den Provokateuren, sondern folgt der Führung eurer Gewerkschaften. Die
alten gewerkschaftlichen Kampfmittel sind brauchbar im richtigen
Augenblick. Hört nur auf uns!
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund,
Ortsausschuß Berlin Allgemeiner freier Angestelltenbund, Ortskartell Berlin
Allgemeiner Deutscher Beamtenbund, Bezirksausschuß Berlin
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Fritz Geyer, Neue
Blätter für den Sozialismus, 31. Juli 1932 (Auszüge)[20]
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Es hilft nichts mehr, wenn man die NSDAP
nicht in der Opposition ersticken kann, muß man sie in der Regierung
zermürben. Diese Partei muß nach der Wahl an den Verhandlungstisch im Reich
wie in Preußen.
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