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Beschluß, Kongreß
der freien Gewerkschaften, 30. Juni bis 5. Juli 1919[1]
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Der 10. Kongreß der Gewerkschaften
Deutschlands erklärt, daß die Gewerkschaften die Arbeitnehmer unbeschadet
der politischen oder religiösen Überzeugung des einzelnen zu einheitlicher
und geschlossener Aktion zwecks Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen
Interessen vereinigen müssen. Das Mannheimer Abkommen mit der
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom Jahre 1906, das eine
Verständigung der beiden Zentralleitungen bei wichtigen, die
Gesamtinteressen der Arbeiterklasse betreffenden Fragen verlangt, hatte den
Zweck, diese Aktionskraft der Arbeiterschaft durch Vermeidung von
Differenzen zwischen gewerkschaftlicher und politischer Arbeiterbewegung zu
erhöhen. Die politische Neutralität der Gewerkschaften gegenüber ihren
Mitgliedern wurde davon nicht berührt. Aber dieses Abkommen hatte eine
einheitliche politische Interessenvertretung der deutschen Arbeiter zur
Voraussetzung. Diese Voraussetzung ist nicht mehr vorhanden. Die Spaltung
der Sozialdemokratischen Partei gefährdet auch die Einheit und
Geschlossenheit der deutschen Gewerkschaften. Der Gewerkschaftskongreß
sieht sich daher genötigt, die Neutralität der Gewerkschaften gegenüber den
politischen Parteien auszusprechen. Die politischen Meinungskämpfe der Arbeiter
dürfen die Stoßkraft ihrer wirtschaftlichen Interessenvertretung, der
Gewerkschaften, nicht schwächen. Die Gewerkschaften dürfen sich jedoch
nicht auf die enge, berufliche Interessenvertretung ihrer Mitglieder
beschränken, sie müssen vielmehr zum Brennpunkt der Klassenbestrebungen des
Proletariats werden, um den Kampf für den Sozialismus zum Siege führen zu
helfen.
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Beschluß, Kongreß
der freien Gewerkschaften, 30. Juni bis 5. Juli 1919[2]
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Richtlinien für die
künftige Wirksamkeit der Gewerkschaften
1. Die Gewerkschaften haben in der
Periode der privatkapitalistischen Warenproduktion die Arbeiter zum
Klassenkampf erzogen. Sie haben große Massen der Arbeiter in starken
Verbänden gegen die Unternehmer vereinigt, sie in Lohn- kämpfen geschult
und durch wirtschaftliche Bildung zur Erkenntnis ihrer Lage und zum
Verständnis der gesellschaftlichen Zusammenhänge gebracht. Die
Gewerkschaften haben in jahrzehntelangem, systematischem Kampf den
Unternehmern nicht nur Arbeitszeitverkürzungen und Lohnerhöhungen abgerungen,
sondern auch die Stellung der Arbeitnehmer in den von den Gewerkschaften
beeinflußten Betrieben der Arbeitgeberwillkür entzogen. Sie haben der
Arbeiterschaft die Anerkennung ihrer Organisation als gleichberechtigten
Vertragsteil erkämpft und in beträchtlichem Umfange die gewerkschaftlichen
Erfolge durch kollektive Arbeitsverträge sichergestellt. Sie haben ferner
die Umwandlung des Arbeitsrechts, vordem ein einseitiges Herrenrecht des
Unternehmers, zum paritätischen Recht angebahnt und gefördert sowie auf die
Sozialpolitik und die Gesetzgebung einen steigenden Einfluß ausgeübt.
2. Am Vorabend der politischen
Revolution hatten die Gewerkschaften die Unternehmer bereits zur Erfüllung
der wesentlichsten Arbeiterforderungen gezwungen und sie auf den Weg der
wirtschaftlichen Demokratie gedrängt durch Schaffung von
Arbeitsgemeinschaften, in denen alle Fragen des Wirtschaftslebens und der
Sozialpolitik in gleichberechtigter Vertretung von Unternehmern und
Arbeitern gelöst werden sollen. Alle diese Erfolge der Gewerkschaften sind
wertvolle Errungenschaften, haben aber die berechtigten Forderungen der
Arbeiterschaft und somit die Aufgaben der Gewerkschaften erst zum Teil
erfüllt. Der Kampf der Gewerkschaften muß deshalb fortgesetzt werden.
3. Die Revolution hat die politische
Macht der Arbeiterklasse gestärkt und damit zugleich ihren Einfluß auf die
Gestaltung der Volkswirtschaft vergrößert. Der Wiederaufbau des durch den
Krieg zerrütteten Wirtschaftslebens wird sich in der Richtung der
Gemeinwirtschaft, unter fortschreitendem Abbau der Privatwirtschaft
vollziehen. Die Umwandlung muß planmäßig betrieben werden und wird von den
Gewerkschaften gefördert.
4. Die Gewerkschaften erblicken im
Sozialismus gegenüber der kapitalistischen Wirtschaft die höhere Form der
volkswirtschaftlichen Organisation. Die von ihnen erstrebte
Betriebsdemokratie und Umwandlung der Einzelarbeitsverträge in Kollektivverträge
sind wichtige Vorarbeiten für die Sozialisierung. Die weitere Mitarbeit der
Gewerkschaften auf diesem Gebiet ist unentbehrlich.
5. Die Gewerkschaften haben auch in
der Gemeinwirtschaft und selbst in völlig sozialisierten Betrieben die
Interessen der Arbeitnehmer gegenüber Betriebsleitung, Gemeinde und Staat
zu vertreten. Sie sind deshalb auch im Zeitalter des Sozialismus notwendig.
Die soziale Fürsorge der Gesellschaft macht die gegenseitige Hilfe der
Arbeiter in ihren Organisationen nicht entbehrlich. Die Gewerkschaften
fordern von der Gesellschaft eine ausreichende Fürsorge für die
Bedürftigen, insbesondere für die Erwerbsunfähigen, Erwerbsbeschränkten und
ohne eigenes Verschulden Erwerbslosen. In dem Maße der Verwirklichung und
Sicherung dieser öffentlichen Fürsorge können die gewerkschaftlichen
Unterstützungseinrichtungen abgebaut werden.
6. Die Interessengegensätze zwischen
Betriebsleitungen und Arbeitnehmern werden auch in der Gemeinwirtschaft
nicht völlig beseitigt werden können. Selbst wenn Arbeitseinstellungen
infolge des sozialen Arbeitsrechts und demokratischer Mitverwaltung der
Arbeitnehmer eingeschränkt werden können und im Interesse der
sozialistischen Volkswirtschaft durch schiedsgerichtliches Verfahren nach
Möglichkeit verhütet werden müssen, können die Arbeitnehmer auf das
Streikrecht nicht verzichten.
7. Das Mitbestimmungsrecht der
Arbeiter muß bei der gesamten Produktion, vom Einzelbetrieb beginnend bis
in die höchsten Spitzen der zentralen Wirtschaftsorganisation, verwirklicht
werden. Innerhalb der Betriebe sind frei gewählte Arbeitervertretungen
(Betriebsräte) zu schaffen, die, im Einvernehmen mit den Gewerkschaften und
auf deren Macht gestützt, in Gemeinschaft mit der Betriebsleitung die
Betriebsdemokratie durchzuführen haben. Die Grundlage der
Betriebsdemokratie ist der kollektive Arbeitsvertrag mit gesetzlicher
Rechtsgültigkeit. Die Aufgaben der Betriebsräte im einzelnen, ihre
Pflichten und Rechte, sind in den Kollektivverträgen auf Grund gesetzlicher
Mindestbestimmungen festzulegen.
8. Die Durchführung der in diesen
Richtlinien aufgestellten Forderungen ist Aufgabe der gewerkschaftlichen
Zentralorganisationen in den einzelnen Industrie- und Berufszweigen, die
sich im Deutschen Gewerkschaftsbund zu einer Gesamtvertretung der Arbeit
vereinigt haben. Den zum Deutschen Gewerkschaftsbund gehörigen
Gewerkschaften kann jeder Arbeiter und jede Arbeiterin beitreten.
Politische oder religiöse Überzeugung ist in diesen Organisationen kein
Hinderungsgrund für den Beitritt.
9. In den Gemeindebezirken oder
größeren Wirtschaftsgebieten übernehmen die aus Urwahlen mit beruflicher
Gliederung hervorgehenden Arbeiterräte neben den innerhalb der allgemeinen
Wirtschaftsorganisation ihnen gesetzlich zugewiesenen Pflichten und Rechten
auch die sozialen und kommunalpolitischen Aufgaben der seitherigen
örtlichen Gewerkschaftskartelle. An Stelle der letzteren treten
Ortsausschüsse des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, die ihre
Tätigkeit auf die rein gewerkschaftlichen Aufgaben beschränken und daneben
die Verbindung der Gewerkschaften mit den Arbeiterräten herstellen.
10. Außer diesen örtlichen
Arbeiterräten sind Arbeitervertretungen für größere Bezirke und für das
Reich auf Grund von Urwahlen nach dem Verhältniswahlsystem zu berufen.
Dieselben können mit entsprechend zusammengesetzten Vertretungen der
Betriebsleiter gemeinsam sozialpolitische und wirtschaftspolitische Angelegenheiten
als Selbstverwaltungsorgane der Volkswirtschaft (Wirtschaftskammern)
behandeln, Gesetzentwürfe ausarbeiten und begutachten sowie Vorschriften
für die Organisation der Betriebe und Wirtschaftszweige zu deren
Sozialisierung ausarbeiten und auf ihre Durchführung hinwirken.
11. Die Gewerkschaften können nach
ihrem Charakter als Vertretung reiner Arbeiterinteressen nicht selber
Träger der Produktion sein, als welche die Wirtschaftskammern zu gelten
haben. Ihnen fällt aber die Führung einer zielbewußten Arbeiterpolitik
innerhalb der Wirtschaftskammern zu. Sie haben grundsätzliche und
praktische Richtlinien für die Arbeitervertreter aufzustellen und für
dauernde Verbindung dieser Vertreter untereinander und mit den
Gewerkschaften Sorge zu tragen. Sie müssen umfassende Maßnahmen treffen, um
die Erkenntnis aller volkswirtschaftlichen Fragen und
Produktionsbedingungen, der Technik und Betriebsverwaltung in der
Arbeiterschaft zu verbreiten und damit bei dieser die Kräfte auslösen, die
zur Durchführung der sozialistischen Wirtschaftsweise nötig sind.
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Frankfurt am Main, Erklärung der
Vertrauensleute des DEV auf der Vollversammlung der Streikenden [3]:
In Erwägung, daß der Zentralvorstand des
DEV die bindende Erklärung abgegeben hat, daß rasch eine Urabstimmung der
gesamten Mitgliedschaft herbeigeführt werden soll, zur Entscheidung über
die Einheitsaktion wegen Verwirklichung der bekannten Forderungen, gegebenenfalls
auch durch den Streik aller Staatsbahner, in weiterer Erwägung, daß die
Frankfurter Eisenbahner diese Entschließung des Zentralvorstandes als
Erfolg ihres Streiks buchen können, endlich in Erwägung, daß eine durch den
Teilstreik herbeigeführte Störung des Wirtschaftslebens nicht zu
rechtfertigen ist, wenn die Herbeiführung der Einheitsaktion nahe ist,
beschließen die Vertrauensleute: Der Mitgliederversammlung wird der Abbruch
des Streiks empfohlen; die Forderungen werden aufrechterhalten, besonders
das Verlangen nach dem Rätesystem als innere Betriebseinrichtung; und die
gesamte Kollegenschaft wird aufgefordert, für die Einheitsaktion sich
bereit zu halten.
Der Öffentlichkeit erklären die
Vertrauensleute, und die Mitgliederversammlung bekräftigt die Erklärung:
Dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten wurden am Donnerstag, dem
3. Juli, die Forderungen der Eisenbahner, die wirtschaftlicher, nicht
politischer Art sind, durch Vermittlung der Eisenbahndirektion von der
Streikleitung telegraphisch übermittelt Die Streikleitung erklärte
gleichzeitig ihre Bereitwilligkeit, in Unterhandlungen einzutreten. Bis
heute Sonntag, den 6. Juli, ist eine Antwort nicht erfolgt. Das
Schweigen des Ministers, das dem Verhalten der Unternehmerschaft alten
Schlages gleicht, kennzeichnen wir der Öffentlichkeit als volksschädlich.
Jene Zeitungen, die gegen die Streikenden unberechtigte Angriffe gerichtet
haben, die wir zurückweisen, darunter auch die Frankfurter »Volksstimme«,
machen wir auf diese Haltung des Ministers aufmerksam. Weiter erheben die
Streikenden schärfsten Einspruch gegen die Haltung einzelner Beamten, die
nicht nur der Bewegung sich entgegenstemmten, sondern durch bestimmte
Handlungen und Reden, besonders in der Versammlung vom 4. Juli, eine
bösartige Hetze betrieben haben. Im Hinblick darauf, daß der Beamtenbund
annähernd die gleichen Forderungen wie die Streikenden aufgestellt hat,
kennzeichnet sich die Haltung dieser Außenseiter als unehrlich. Feierlich
sprechen die Streikenden ihren Entschluß aus, daß der Streikabbruch nur ein
Waffenstillstand sein wird, falls das Ministerium nicht ehrlich zu einer
Verständigung die Hand bietet.
Ein neuer Streik wird den gesamten
Staatsbahnbetrieb erfassen.
Die Streikenden erklären zum Schluß: Jeden
Versuch und jede Maßnahme der Verwaltung, die am Streik beteiligten
Arbeiter, Hilfsbeamten und Beamten zu maßregeln, das heißt, von ihren
Dienststellen ohne ihre Einwilligung, oder ohne die Einwilligung der
Arbeiterausschüsse zu versetzen, sie zu entlassen oder sonst irgendwie zu
schädigen, werden wir mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln
zurückweisen. Wir warnen auch die öffentliche Gewalt, aus Anlaß von
Streikhandlungen irgendwelche Strafmaßnahmen einzuleiten. Wir fordern die
Kollegen auf, treu zur Organisation, nämlich zu dem jetzt mehr als 400 000
Mitglieder und darunter an 80 000 Beamten zählenden DEV zu halten, und
fernerhin für den Gedanken der Einheitsaktion mit allen Kräften zu wirken.
Nur die Einheitsorganisation ist imstande, unseren gerechten Forderungen
zum Siege zu verhelfen.
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Verfassung des
Deutschen Reichs, 11. August 1919 (Auszüge)[4]
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Artikel 48
(1) Wenn ein Land die ihm nach der
Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht
erfüllt, kann der Reichspräsident es dazu mit Hilfe der bewaffneten Macht
anhalten.
(2) Der Reichspräsident kann, wenn im
Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört
oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der
bewaffneten Macht einschreiten. Zu diesem Zwecke darf er vorübergehend die
in den Artikeln 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153
festgesetzten Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft setzen.
(3) Von allen gemäß Abs. 1 oder
Abs. 2 dieses Artikels getroffenen Maßnahmen hat der Reichspräsident
unverzüglich dem Reichstag Kenntnis zu geben. Die Maßnahmen sind auf
Verlangen des Reichstags außer Kraft zu setzen.
(4) Bei Gefahr im Verzuge kann die
Landesregierung für ihr Gebiet einstweilige Maßnahmen der in Abs. 2
bezeichneten Art treffen. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des
Reichspräsidenten oder des Reichstags außer Kraft zu setzen.
(5) Das Nähere bestimmt ein
Reichsgesetz.
[...]
Artikel 114
(1) Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die
öffentliche Gewalt ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.
(2) Personen, denen die Freiheit
entzogen wird, sind spätestens am darauffolgenden Tage in Kenntnis zu
setzen, von welcher Behörde und aus welchen Gründen die Entziehung der
Freiheit angeordnet worden ist; unverzüglich soll ihnen Gelegenheit gegeben
werden, Einwendungen gegen ihre Freiheitsentziehung vorzubringen.
Artikel 115
(1) Die Wohnung jedes Deutschen ist für
ihn eine Freistätte und unverletzlich. Ausnahmen sind nur auf Grund von
Gesetzen zulässig.
[...]
Artikel 117
(1) Das Briefgeheimnis sowie das
Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis sind unverletzlich. Ausnahmen
können nur durch Reichsgesetz zugelassen werden.
Artikel 118
(1) Jeder Deutsche hat das Recht,
innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch Wort,
Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern. An diesem
Rechte darf ihn kein Arbeits- oder Anstellungsverhältnis hindern, und
niemand darf ihn benachteiligen, wenn er von diesem Rechte Gebrauch macht.
(2) Eine Zensur findet nicht statt,
doch können für Lichtspiele durch Gesetz abweichende Bestimmungen getroffen
werden. Auch sind zur Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur sowie zum
Schutze der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen
gesetzliche Maßnahmen zulässig.
[...]
Artikel 123
(1) Alle Deutschen haben das Recht,
sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln.
(2) Versammlungen unter freiem Himmel
können durch Reichsgesetz anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer
Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten werden.
Artikel 124
(1) Alle Deutschen haben das Recht, zu
Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine oder
Gesellschaften zu bilden. Dies Recht kann nicht durch Vorbeugungsmaßregeln
beschränkt werden. Für religiöse Vereine und Gesellschaften gelten
dieselben Bestimmungen.
(2) Der Erwerb der Rechtsfähigkeit
steht jedem Verein gemäß den Vorschriften des bürgerlichen Rechts frei. Er
darf einem Vereine nicht aus dem Grunde versagt werden, daß er einen
politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt.
[...]
Artikel 153
(1) Das Eigentum wird von der
Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus
den Gesetzen.
(2) Eine Enteignung kann nur zum Wohle
der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie
erfolgt gegen angemessene Entschädigung, soweit nicht ein Reichsgesetz etwas
anderes bestimmt. Wegen der Höhe der Entschädigung ist im Streitfalle der
Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten offen zu halten, soweit
Reichsgesetze nichts anderes bestimmen. Enteignung durch das Reich
gegenüber Ländern, Gemeinden und gemeinnützigen Verbänden kann nur gegen
Entschädigung erfolgen.
(3) Eigentum verpflichtet. Sein
Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.
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Oskar Rusch [5]:
Wir könnten es aber im gegenwärtigen
Augenblick mit unserem Gewissen nicht vereinbaren, in Anbetracht des
zurzeit zerrütteten deutschen Wirtschaftslebens den Kampf aufzunehmen.
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Saarland, französische Militärverwaltung,
11. Oktober[6]:
Die entstandenen Unruhen haben die
Militärverwaltung veranlaßt, die strengsten Maßnahmen zu ergreifen:
1. Jede Person, die im Besitz geraubter Gegenstände ist, wird
verhaftet und vor das Kriegsgericht gestellt.
2. Derjenige, der im Besitz eines Stahlstockes, Schlagrings,
Dolchs, Knickers oder eines Revolvers angetroffen wird, wird vor das
Kriegsgericht gestellt.
3. Jeder Plünderer, der mit Waffen in der Hand überrascht wird
und sich weigert sich zu ergeben, wird erschossen.
4. Jede Ansammlung von Leuten wird zerstreut. Jede Ansammlung,
die im Vorbeiziehen von Truppen sich feindlich benimmt, wird zerstreut.
5. Jede Person, die einer Militärperson irgendeines Grades keinen
Platz macht, wird verhaftet.
6. Jeder Angestellte oder Beamte, der eine Dienstmütze oder
Armbinde trägt und einen Offizier nicht grüßt, wird festgenommen und seine
Personalität festgestellt.
Eine große Anzahl Plünderer sind schon
verhaftet worden. Eine Menge gestohlener Waren ist wieder beigebracht
worden. Sie sind auf den Büros des Militärverwalters in Ottweiler und
Neunkirchen zur Verfügung der Eigentümer.
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Verordnung, 2 février 1920 [7]:
I
Die Technische Nothilfe ist eine
Arbeitsgemeinschaft namentlich technisch vorgebildeter Arbeitskräfte, die
sich bereit erklärt hat, zur Sicherung der inneren Ruhe und Ordnung und des
Wiederaufbaues des deutschen Wirtschaftslebens Notstandsarbeiten dort zu
verrichten, wo es sich um die Aufrechterhaltung gefährdeter lebenswichtiger
Betriebe handelt, sowie in Fällen der Not durch höhere Gewalt z. B.
Feuer- und Wassernot, Eisenbahnunglücken usw. einzugreifen. Als
lebenswichtige Betriebe sind namentlich anzusehen: Gas-, Wasser-,
Elektrizitätswerke, Eisenbahn-, Post, Telegraphenwerkstätten,
Hüttenbetriebe, Bergwerke, Landwirtschaft, Zuckerfabriken, Brennereien,
Mühlen, Schlachthäuser, Erzeugungsstätten künstlichen Düngers. Zur
Förderung dieser Aufgabe wird die Einrichtung von Musterwerkstätten
angestrebt.
II.
Die Technische Nothilfe untersteht dem
Reichsministerium des Innern, dem ein aus Vertretern der anderen
hauptsächlich beteiligten Reichsministerien gebildetes Direktorium zur
Seite steht.
[...]
Max Riedel, August 1920][8]:
Wir sehen hier eine neue Seite der
Bedeutung der Technischen Nothilfe. Sie ist nicht bloß volkswirtschaftlich,
sondern unter dem hier aufgezeigten Gesichtspunkt auch staatspolitisch eine
Notwendigkeit: den Staat vor dem “Griff an die Gurgel” zu schützen, das ist
nicht Streikbruch, sondern das ist eine staatsbürgerliche Pflicht. Deshalb
muß die Technische Nothilfe zur Sache des Volkes werden, wenigstens des von
der Notwendigkeit eines geordneten Staatswesens überzeugten Volkes.
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Gustav Noske,
9. Oktober 1919[9]
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Gegen neuen Bürgerkrieg und Bürgerkampf
glaubt die Regierung im Interesse des Landes und des deutschen Volkes
Maßnahmen treffen zu müssen. Solche Maßnahmen sind außerordentlich unangenehm
und an sich unerfreulich. Die Lage unseres Landes aber macht gebieterisch
Sicherungsmaßregeln erforderlich, wenn wir nicht unser Land und unser Volk
einer Katastrophe entgegentreiben lassen wollen.
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Berlin, G. Noske [10]:
Sowie die Maschinisten und Heizer die
Arbeit in den lebensnotwendigen Betrieben aufnehmen, fällt meine Verfügung
vom heutigen Tage fort. Zur gleichen Zeit wird die Nothilfe zurückgezogen.
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G. Noske,
17. Oktober (Auszüge)[11]
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Infolge der Treibereien, die wir mit
wachsendem Ingrimm in den letzten Tagen beobachten müssen, ist bewirkt
worden, daß jetzt vier Elektrizitätswerke stillgelegt werden, die ich mit
der Nothilfe wieder in Gang zu bringen bemüht bin. Vor ganz kurzer Frist
ist mir gemeldet worden, daß auch das große Kraftwerk bei Bitterfeld
[Golpa-Zschornewitz] lahmgelegt worden ist, [...].
Ich habe Anordnung getroffen, daß Hunderte
von Nothilfsleuten in das Gebiet geschickt werden. Weiter haben die
Behörden dafür Sorge getragen, daß die erforderliche militärische Sicherung
des Bezirks garantiert wird, und weiter habe ich darauf gedrängt, daß zur
Durchführung dieser Maßregeln über diesen Bezirk der Belagerungszustand
verhängt wird. [...] Endlich habe ich verfügt - und das wird heute abend
der Berliner Bevölkerung bekannt gemacht werden -, daß wer von jetzt ab
durch Wort, Schrift oder Tat weiter den Versuch macht, lebenswichtige
Betriebe stillzulegen, mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft wird.
Ich werde aber nicht dabei stehen bleiben,
sondern jeder einzelne, der den Versuch macht, in Berlin auf die Lahmlegung
dieser Betriebe hinzuwirken, wird von mir mit größter Beschleunigung hinter
Schloß und Riegel gebracht werden.
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Berlin, Abkommen zwischen Heizer- und
Maschinistenverband und Arbeitgebern [12]:
Es wird für die Zukunft festgestellt, daß
bei Streiks die Arbeiter nur die Arbeit niederlegen bzw. den Betrieb
verlassen, nicht dagegen irgendwelche über ihren Pflichtkreis hinausgehende
Eingriffe in den Betrieb vornehmen.
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Verordnung G. Noske, Groß-Berlin,
Gefängnisstrafe für [13]
jede wirtschaftliche Bedrohung oder
Schädigung (Boykott) der Angehörigen der technischen Nothilfe und ihrer
Familienmitglieder, sowie die Aufforderung und Anreizung zum Boykott
und Verbot
öffentliche schriftliche Beschimpfung oder
Bedrohung der technischen Nothilfe in der Presse, in Flugblättern und
Broschüren.
23. Oktober, Generalleutnant Oskar von
Watter, Industriegebiet Rheinland-Westfalen, Verordnung [14]:
Im Einverständnis mit dem Reichskommissar
Severing verbiete ich auf Grund des § 9 b des Gesetzes über den
Belagerungszustand für die unter dem Belagerungszustand stehenden Gebiete
jede wirtschaftliche Bedrohung oder Schädigung der Angehörigen der
technischen Nothilfe und ihrer Familienmitglieder sowie die Aufforderung
und Anreizung zum Boykott. Ferner verbiete ich die öffentliche schriftliche
Beschimpfung oder Bedrohung der technischen Nothilfe in der Presse, in
Flugblättern und Broschüren.
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Metallindustrie, Berlin, G. Noske, Befehl [15].
[...] Es kann einem Zweifel wohl nicht mehr
unterliegen, daß der Metallarbeiterstreik zu einer großen Streik- und im
weiteren Verlauf zu einer Umsturzbewegung führen sollte. Das Hereinhetzen
gerade der lebenswichtigen Betriebe in Sympathiestreiks, vor allen Dingen
der Versuch, die Verkehrsmittel (Eisenbahn, Schiffahrt, Straßenbahn)
lahmzulegen, sprechen eine deutliche Sprache. Dazu kommt, daß auch aus dem
Ruhrkohlen-Revier bedrohliche Meldungen vorliegen, die auf einen erneuten
großen Streik hinweisen. Es handelt sich also ganz augenscheinlich um eine
umfassende Aktion, die Staatsmaschine durch allmählich sich ausbreitende
Streiks zum Stillstand zu bringen. Demgegenüber hilft nur rücksichtslose
Anwendung der Staatsgewalt. Wenn die Radikalen für dieses Mal die Bewegung
abblasen sollten, so würde das einzig und allein den energischen
Gegenmaßnahmen zu verdanken sein. Als wirksamstes Mittel erweist sich nach
wie vor scharfes Eingreifen. Daneben hat sich die technische Nothilfe als
ein ganz vortreffliches Gegenmittel gegen den Streikterror bewährt. Im
übrigen ergibt sich aus dieser großen Bewegung genau dasselbe Bild, wie bei
den vielen kleinen Gewaltakten. Hinter dem großen Geschrei manchmal höchst
anrüchiger Führer steckt wenig. Sowie fest zugepackt wird, zerflattert der
Spuk in alle Winde. Es kann daher allen militärischen, polizeilichen und
Verwaltungsbehörden nicht oft genug eingeschärft werden, daß jedes
Nachgeben gegen unberechtigtes Verhalten vom Übel ist und unweigerlich
weitere noch radikalere Forderungen zur Folge hat. Sehen die Führer, daß
sie auf entschlossenen Widerstand der Staatsgewalt stoßen, so verlieren sie
sehr bald den Mut und - den großen Mund. Außerdem wird durch ein sofortiges
scharfes Zufassen gleich im Anfang der Bewegung erfahrungsgemäß der ganzen
Bevölkerung viel Blut und Ungemach erspart. Für die militärischen Stellen
gilt in diesem Zusammenhang noch ganz besonders der Grundsatz, daß die
zahlenmäßige Schwäche eines Truppenaufgebots durch entsprechend schärfere
Maßnahmen am besten ausgeglichen werden kann. Aus dem Vorhergesagten ergibt
sich für die Reichswehrgruppenkommandos eine doppelte Aufgabe. 1.
Vorbereitung aller für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung
notwendigen Maßnahmen, insonderheit der zur Sicherung und Inbetriebhaltung
aller lebenswichtigen Betriebe und Verkehrsmittel. 2. Schärfstes
Durchgreifen bei Streikterror und allen sonstigen Unruhen. Ich brauche
daher nicht besonders zu betonen, daß ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten
mit den Zivilbehörden geboten ist und mit allen Mitteln angestrebt werden
muß.
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Versammlung der Arbeiterräte, Betriebsräte und
Betriebsdelegierten, Ermächtigung für den Vollzugsrat von Groß-Berlin [16]:
An die Berliner Arbeiterschaft! Die
Jahrestage der deutschen Revolution werden gewaltsam laut. Die letzten
Reste Eurer damals erkämpften Rechte sollen Euch gerade in diesen
erinnerungsträchtigen Tagen entrissen werden. Der große wirtschaftliche
Kampf der Metallarbeiter wächst sich zu einem Machtkampf zwischen Kapital
und Arbeit aus. Euer letzter Einfluß, den Ihr in den Betrieben noch
behalten habt, soll Euch entrissen werden. Euer bißchen Bewegungsfreiheit
in den Werkstätten und Betrieben will man wieder einengen. Ihr sollt ins
Sklavenjoch zurück, unter dem Drucke von Antreibern zu aussaugenden
Höchstleistungen angespornt werden. Den Profitjägern will man Euch
hemmungslos opfern. Die Metallarbeiter haben, trotz des siebenwöchigen
entbehrungsreichen Kampfes, es mit einer überwältigenden Mehrheit
abgelehnt, den Nacken unter das Joch zu beugen! Wie ein Mann stehen die
zweihunderttausend zusammen! Sie wollen ihren letzten Einfluß in den
Betrieben nicht preisgeben, auch nicht um finanzieller Zugeständnisse
halber. Die sozialrevolutionären Parteien, die USPD und KPD, unterstützen
den jetzt politisch gewordenen Kampf. Die Führer der Rechtssozialisten
verweigern die Hilfe, obwohl es nach ihren eigenen Worten nur um das
bescheidenste Mitbestimmungsrecht geht. Die Vollversammlung der Arbeiter-
und Betriebsräte Groß-Berlins hat mit noch nie dagewesenem Massenbesuch
einstimmig ihrem Vollzugsrat die Vollmacht erteilt, den Aufruf zu einem
allgemeinen Generalstreik für das ganze Groß-Berliner Wirtschaftsgebiet
ergehen zu lassen.
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Verordnung, G. Noske, Berlin [17]:
[Der Vollzugsrat ist eine] unmittelbar
drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. [...] Jegliche
weitere Tätigkeit, welcher Art und welchen Inhalts sie sei, wird hiermit
verboten. Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot werden mit Gefängnis bis zu
einem Jahr bestraft, sofern nach den bestehenden Gesetzen eine höhere
Strafe nicht verwirkt ist.
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