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Joseph Goebbels,
5. Februar 1931 (Auszüge)[1]
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Wir fühlen diesem System gegenüber
keinerlei Verantwortung. Die nationalsozialistische Opposition trägt nur
Verantwortung dem deutschen Volk gegenüber; und um den Willen des deutschen
Volkes ist uns nicht bange. [...] Das Volk will Protest einlegen gegen den
Parteienstaat, wie er nun seit 1918 von Deutschland ergriffen hat. [...]
Das Volk hat kein Verständnis für jene Durchlöcherung der Weimarer
Verfassung durch die Weimarer Parteien. Das Volk will heute keine
Redensarten mehr, sondern das Volk will, daß gehandelt wird. [...]
Die nationalsozialistische Bewegung
verharrt weiterhin diesem System gegenüber in Kampfstellung. Sie hat durch
den Mund ihres Führers zum Ausdruck gebracht, daß sie legal sei. Das heißt
aber: nach der Verfassung sind wir nur verpflichtet zur Legalität des
Weges, aber nicht zur Legalität des Zieles. Wir wollen legal die Macht
erobern. Aber was wir mit dieser Macht einmal, wenn wir sie besitzen,
anfangen werden, das ist unsere Sache.
Wir haben das Gefühl, daß das deutsche Volk
die Absicht hat, über kurz oder lang mit der Politik, wie sie seit 1918 in
Deutschland betrieben worden ist, eine Abrechnung vorzunehmen. Wenn das
Volk diese Abrechnung will, und das Volk macht uns einmal zum Vollstrecker
dieses Willens, dann werden wir uns getreu dem Satz, daß des Volkes Wille
oberstes Gesetz ist, diesem Willen nicht entziehen. [...]
Wenn wir das Volk zum Opfern aufrufen, dann
wollen wir wissen, wofür es opfern soll. [...] wir wollen und fordern, daß
das Ziel des deutschen Volkes auch die deutsche Freiheit ist. Aber um
dieses Ziel aufzeigen zu können, bedarf es bestimmter Vorbedingungen. Da
muß vorher das System geändert, da müssen die Ideen dieses Systems
beseitigt werden, und mit den Ideen die Männer, die seit 1918 als Träger
dieser Ideen vor der deutschen Öffentlichkeit stehen. System, Ideen und
Männer müssen fallen und müssen einer wahren Volksregierung, einem wahren
Volkssystem Platz machen.
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Resolution
zur Entlastung des Arbeitsmarktes die
vierzigstündige Arbeitswoche vorschreibt[2].
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Peter Graßmann,
12. März 1931 (Auszüge)[3]
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Wir haben uns noch im Herbst vorigen Jahres
die 40‑Stunden‑Woche als eine Notmaßnahme gedacht. Ich bin
ehrlich genug, Ihnen zu sagen, daß wir die 40‑Stunden‑Woche
angesichts der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in aller Welt als einen
unabweisbaren Dauerzustand ansehen. Die technische Apparatur in der ganzen
Welt hat eine industrielle Leistungsfähigkeit geschaffen bzw. sie so
gesteigert, daß heute der Achtstundentag weit überholt ist. Wir sind natürlich
nicht so naiv, eine solche Regelung nur national anzustreben. Aber wir
verweisen darauf, daß unsere Brüder im amerikanischen Gewerkschaftsbund
seit Jahr und Tag dieselbe Forderung mit allen ihnen zu Gebote stehenden
Mitteln verfechten. Ich weise weiter darauf hin, daß die dem
Internationalen Gewerkschaftsbund (Sitz Amsterdam) angeschlossenen
Landeszentralen im Juli vorigen Jahres ebenfalls eine wesentliche
Verkürzung der Arbeitszeit auf ihr Programm geschrieben und alle
angeschlossenen Verbände, alle ihre Mitglieder verpflichtet haben,
nachdrücklich für eine umfassende Arbeitszeitverkürzung einzutreten.
Wir sind uns bewußt, daß wir mit dieser
Forderung und auf dem Wege zu diesem Ziel dem stärksten Widerstand begegnen
werden. Aber das enthebt uns alle nicht der Notwendigkeit, im Gegensatz zur
früheren individualistischen Beurteilung der Wirtschaft und der Industrie
uns daran zu gewöhnen, in Zukunft kollektivistisch zu denken,
kollektivistisch insofern, als der Eigennutz des einzelnen hinter das
Allgemeinwohl zurücktreten muß.
Vor wenigen Wochen ist von diesem Platze
aus die private Initiative, die private Intelligenz des Einzelunternehmers
gepriesen worden. Ich gebe zu, daß der einzelne Unternehmer und auch die
sogenannten Wirtschaftsführer im Einzelfall ihren eigenen Betrieb in
normalen Zeiten glänzend führen können, daß sie in normalen Zeiten
vielleicht auch die Geschicke bestimmter Industriegruppen in beschränkten
Grenzen mit Vorteil für sich und ihre engeren Pflegebefohlenen zu leiten
vermögen. Aber ich glaube niemand kann ernsthaft bestreiten, daß im
Augenblick und für absehbare Zeit angesichts der Not ganzer Länder, ja der
gesamten Welt diese sogenannten Wirtschaftsführer überall versagt haben und
dulden müssen, daß an die Stelle der privaten Initiative der Staat, die
Allgemeinheit tritt, um die Massen seiner Bürger vor dem Untergang zu
bewahren. Was auf diesem Wege seitens meiner Fraktion geschehen kann, soll
geschehen. Unsere Aufgabe ist es, eine Wirtschaft herbeizuführen, die das
Leben auch für den Arbeiter wieder lebenswert macht.
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Unterredung
H. Brüning mit Vertretern der SPD-Fraktion, 17. März 1931
(Auszüge)[4]
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Der Abgeordnete Dr. Breitscheid [...]
Aus den Erklärungen des Reichskanzlers entnehme er, daß, wenn die
Sozialdemokratie nicht für eine Vertagung des Reichstags eintrete, das eine
Kabinettskrise bedeute. Er könne noch immer nicht einsehen, warum man nicht
zu Pfingsten kurz zusammentreten könne. Denn man müsse doch auch überlegen,
was es für die Sozialdemokratie bedeute, wenn es bis Oktober keinen
Reichstag gebe. Gegen diktatorische Vollmachten würde die Sozialdemokratie
keine Bedenken haben, aber sie müsse vorher wissen, was die Regierung
wolle. Solche allgemeinen Auskünfte, wie sie den sozialdemokratischen
Führern heute in der Besprechung erteilt worden seien, könne er unmöglich
in der Fraktion vortragen. [...] Im Hinblick auf den Parteitag in Chemnitz
vom 31. Mai [Der SPD-Parteitag fand vom 31. 5.–5.6.31 in Leipzig
statt] sprach der Abgeordnete Breitscheid noch einmal die dringende Bitte aus,
der Sozialdemokratie die Situation nicht allzu sehr zu erschweren.
Der Abgeordnete Wels betonte, daß man der
Arbeiterschaft eine Vertagung bis zum Herbst nicht klarmachen könne. Man
müsse sich auch psychologisch so einstellen, daß die Führer der Sozialdemokratie
einen gewissen Erfolg auf dem Parteitag erzielen können. Auf die
Volkspartei nehme man dauernd Rücksicht. Die Sozialdemokratie sei nicht
Hörige der Volkspartei. Jede Werbekraft der Sozialdemokratie gehe verloren,
wenn sie in eine Vertagung bis zum Herbst ohne weiteres einwillige. Im
Interesse des demokratischen Staates sei es unbedingt geboten, daß man auf
die Wünsche der sozialdemokratischen Fraktion auch in der Vertagungsfrage
mehr Rücksicht nehme.
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Wilhelm Groener,
19. März 1931 (Auszüge)[5]
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Grundsätzlich ist es das Ehrenrecht eines
jeden Deutschen, dem Vaterlande als Soldat zu dienen. Bedauerlicherweise
sind wir gezwungen, für gewisse Persönlichkeiten hierbei eine Grenze zu
ziehen. Diese muß jedoch so eng wie möglich gehalten werden. Aus politischen
Gründen dürfen nur solche Bewerber abgelehnt werden, denen nachgewiesen
wird, daß sie sich in verfassungs-, also auch in wehrfeindlichem Sinne
betätigt haben. Entgleisungen einzelner Führer oder Mitglieder von
Verbänden können daher noch kein Grund zum Ausschluß aller Mitglieder
derartiger Verbände oder Parteien sein; denn in der Beziehung sind fast
alle Verbände, heißen sie nun Stahlhelm oder Reichsbanner, allzumal Sünder.
Vollends ein Unding ist die Forderung, sich bei der Auswahl der Persönlichkeiten
nach der Zusammensetzung der Regierungskoalition eines Landes zu richten.
Das würde fortdauernde Schwankungen zur Folge haben und geradezu eine mit
dem Wehrgesetz nicht zu vereinbarende Politisierung der Armee bedeuten, die
ich auf das allerentschiedenste ablehnen muß. Aufgabe der
Landesverteidigung soll es gerade sein, das einigende Band gegenüber allen
inneren Gegensätzen zu bilden. Etwas anderes ist es natürlich bei
Mitgliedern von Parteien und Verbänden, die ihrem Programm oder ihrem
tatsächlichen Verhalten nach gewillt sind, die Verfassung mit
Gewaltmaßnahmen zu ändern. Anhänger einer solchen Richtung sind als
Soldaten unmöglich. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß die Entscheidung,
ob eine Partei als staatsfeindlich im obigen Sinne anzusehen ist, durchaus
nicht endgültig und feststehend ist. Einmal ändern sich, wie ich zu meinem
Leidwesen selbst habe erfahren müssen, die Ansichten der für diese Frage
zuständigen Innenminister. Dann aber ändern sich auch die Parteien, die,
wie die Geschichte oft genug gezeigt hat, von einer ultra-revolutionären
Einstellung zur konservativen staatserhaltenden Partei geworden sind und
umgekehrt. Ich bin aber der Auffassung, daß Bewerber aus Kreisen, die sich
nicht scheuen, den Soldaten für den Kriegsfall Kriegsdienstverweigerung und
Fahnenflucht zu predigen, unter keinen Umständen in die Wehrmacht
aufgenommen werden dürfen und daß gerade auch auf diese Kreise der Ausdruck
"staatsfeindlich" im vollsten Maße zutrifft. Ich möchte diese
Kreise aber auch nicht im Unklaren darüber lassen, daß der Staat Mittel und
Wege finden wird, um sich gegebenenfalls gegen ihr verwerfliches Treiben zu
schützen.
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Unterredung
H. Brüning mit SPD-Abgeordneten, 29. April 1931 (Auszüge)[6]
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Am Schluß betonte Herr Dr. Hilferding
noch, daß es keineswegs ein Wunsch der Sozialdemokratie sei, mit etwaigen
Notverordnungen bis nach dem sozialdemokratischen Parteitag in Leipzig am
31. Mai d. J. zu warten. Sie müßten auch dringend bitten, solchen
Nachrichten amtlich entgegenzutreten, da die Parteileitung sonst in große
Schwierigkeiten gegenüber dem Parteitag kommen könne. Die Sozialdemokratie
stünde etwaigen Notverordnungen völlig unbeteiligt und einflußlos gegenüber
und könne nicht den Eindruck aufkommen lassen, als wenn sie über die
letzten Absichten der Parteileitung vor ihren Anhängern draußen etwas zu
verbergen hätte. Der Herr Reichskanzler sagte zu, solchen etwa aufkommenden
Nachrichten entgegenzutreten.
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Wilhelm Groener
an Generalmajor im Ruhestand Gerold von Gleich, 26. April 1931 (Auszüge)[7]
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daß die sogenannte verschleierte Diktatur
mit Zustimmung des Parlaments in der heutigen Zeit viel für sich hat.
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Resolutionen
Parteitag SPD, 31. Mai bis 5. Juni 1931
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Überwindung des Faschismus[8]
Der Faschismus ist durch den energischen
Abwehr kämpf der Sozialdemokratischen Partei in die Defensive gedrängt.
Unter schwersten Opfern für die
Arbeiterklasse und Partei wurde verhindert, daß Nationalsozialisten und
Deutschnationale im Reich und in Preußen die Regierungsgewalt an sich
rissen.
Es ist nunmehr Aufgabe der
Sozialdemokratischen Partei, insbesondere die notleidenden Wählermassen,
die noch im feindlichen Lager stehen, durch eine energische, planvoll
vorbereitete und vorausschauende soziale Politik zu gewinnen.
Die Sozialdemokratische Partei hat durch
Mobilisierung und Aktivierung der breiten Massen der arbeitenden
Bevölkerung für unsere politischen Gegenwartsforderungen und durch den
Kampf um den Sozialismus die politische Durchschlagskraft der
Reichstagsfraktion zu stärken.
Zur Durchrührung dieses Kampfes ist Einheit
und Geschlossenheit der Sozialdemokratischen Partei und ihrer
Körperschaften notwendig.
Kapitalistische Wirtschaftsanarchie und
Arbeiterklasse (Auszüge)[9]
Die gegenwärtige ökonomische Krise liefert
einen neuen furchtbaren Beweis für die zunehmende Unfähigkeit des
kapitalistischen Systems, die Versorgung der Gesellschaft mit den
vorhandenen Versorgungsmöglichkeiten in Übereinstimmung zu bringen. [...]
Aus diesen wahnsinnigen Widersprüchen der
geltenden Wirtschaftsordnung kann die Menschheit nur durch die Überwindung
des kapitalistischen Systems und die Verwirklichung des Sozialismus befreit
werden. Diesen Befreiungskampf zu führen und dafür die Arbeiterklasse zu
organisieren, ist die Aufgabe der Sozialdemokratischen Partei und der mit
ihr verbundenen Gewerkschaften.
Dabei ist sich der Parteitag bewußt, daß
der Sturz des Kapitalismus nicht ein einmaliger kurzer Akt sein kann: er
vollzieht sich als ein Umwandlungsprozeß im steten Kampf zwischen der
organisierten Arbeiterklasse und den großkapitalistischen
Wirtschaftsmächten. Der Kampf für den Sozialismus kann nicht geführt
werden, ohne gleichzeitig den Kampf um die Verbesserung der Arbeiterlage in
der Gegenwart zu führen. [...]
Der Parteitag fordert die gesetzliche
Verkürzung der zulässigen Arbeitszeit auf 40 Stunden in der Woche. Er
brandmarkt die Lohnabbauoffensive des Unternehmertums als Ausfluß sozialer
Brutalität und als unvereinbar mit den volkswirtschaftlichen Interessen,
die zur Überwindung der Krise eine Stärkung der Massenkaufkraft erfordern.
Die Sozialpolitik und die sozialen Einrichtungen müssen geschützt und
erweitert werden.
Der Parteitag ist sich bewußt, daß die
Durchsetzung dieser Gegenwartsforderungen ebenso wie die Verwirklichung des
Sozialismus politische Machtfragen sind. Er beklagt aufs tiefste, daß das
Proletariat, das als Volksmehrheit nach der demokratischen Verfassung der
Republik dazu berufen ist, die entscheidende politische Macht zu sein, von
diesem Rechte noch keinen ausreichenden Gebrauch gemacht hat. Die
Verteilung der politischen Macht steht deshalb noch im Gegensatz zur
sozialen Struktur. Diesen Widerspruch aufzuheben, ist die wichtigste
Voraussetzung für die Durchführung einer sozialen Politik und der
schnelleren Überwindung des Kapitalismus.
[...]
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Otto Wels
Parteitag SPD 31. Mai bis 5. Juni 1931 (Auszüge)[10]:
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In Rußland herrscht allein die Diktatur der
Bürokratie über das Proletariat und über die Bauern. Der Arbeiterstaat
Rußland ist nur noch ein Märchen für gutgläubige Kinder. Deshalb
schlußfolgere ich dennoch nicht, das die Leiter des Sowjetstaates nur Komödie
spielen, wenn sie von Sozialismus reden. Aber die Erscheinungen in Rußland
zeigen uns doch die Wahrheit der großen Lehre von Karl Marz: die Befreiung
der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiterklasse selber sein. Die
sozialistische Wirtschaft setzt eine Reife der wirtschaftlichen Entwicklung
voraus, die in Rußland vollkommen fehlte, und die auch heute noch sehr weit
zurück ist. Diesem Stand der wirtschaftlichen Entwicklung entspricht ein
Proletariat, das für die sozialistische Wirtschaft und für die
sozialistische Gesellschaft unreif ist. Der russische Arbeiter ist kein
richtiger Proletarier, ihm fehlt die generationenlange Erziehung des
englischen und des deutschen Industriearbeiters. Er ist als Arbeiter nur
ein Bauer in der blauen Bluse, ohne politische und gewerkschaftliche
Schulung. Das ist nicht seine Schuld, sondern das ist die Folge der
Rückständigkeit des Landes. Wenn jetzt Rußland nach außen hin als der
Arbeiterstaat gilt, dann steht für uns fest, und jeder kann es beobachten:
er ist es lange nicht mehr! Der Kriegskommunismus dauerte höchstens bis zum
Jahre 1921. Jetzt aber sehen wir in Rußland einen neuen Versuch die
produktiven Kräfte des Landes in staatskapitalistischer Form
zusammenzufassen. und wir stellen fest, daß die roten Fahnen des Kommunismus
m Rußland nur dazu dienen, um die kapitalistische Wirtschaft zu verhüllen.
Parteigenossen! In Rußland wird jetzt mit dem Fünfjahresplan versucht, das
zu leisten, was in anderen Ländern der Kapitalismus geleistet hat: Aufbau
einer Großindustrie auf Kosten der werktätigen Massen, genau so, wie die
Großindustrie in Deutschland, in England und in anderen Ländern aufgebaut
worden ist. Herr der Fabrik aber wird der russische Arbeiter dadurch ebenso
wenig, wie es der deutsche und der englische Arbeiter geworden ist. Die Diktatur
‑ das ist das Entscheidende ‑ hindert nämlich die
Entwicklung der wirtschaftlichen und politischen Reife der Arbeiterklasse.
[...]
In Rußland erstickt unter »er drakonischen
Zensur jedes freie Wort. Versammlungs- und Meinungsfreiheit gibt es nicht.
In Rußland herrscht völlige Kirchhofsruhe. Lassen Sie mich zum Schluß ein
Wort von Rosa Luxemburg, die ja hier in Leipzig so lange tätig war,
zitieren. Rosa Luxemburg schrieb: Mit dem Erdrücken des politischen Lebens
im ganzen Lande muß auch das Leben in den Sowjets immer mehr erliegen. Ohne
allgemeine Wahlen, ungehemmte Preß» und Versammlungsfreiheit, freien
Meinungskampf, erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird
zum Scheinleben, in dein die Bürokratie allein das tätige Element bleibt.
Das öffentliche Leben schläft allmählich ein. Im Grunde also eine
Cliquenwirtschaft, eine Diktatur allerdings, aber nicht die Diktatur des
Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker. Das schrieb
Rosa Luxemburg im Sommer des Jahres 1918, und die Gegenwart gibt ihr recht.
Bei all der Not in Rußland wäre es vielleicht nicht unmöglich, daß dennoch
eine leistungsfähige Wirtschaft entstände, aber sozialistisch ‑ das
merke sich jeder! ‑ wäre sie nicht. Denn Sozialismus heißt Vergesellschaftung
der Produktionsmittel. Solange nicht die Gesellschaft über die
Produktionsmittel verfügt, sondern nur eine Parteigruppe, solange kann von
Sozialismus nicht die Rede sein. Das Proletariat kann nicht von noch so
wohlwollenden Intellektuellen befreit werden. Aufgeklärter Absolutismus ist
nicht die Regierungsform der sich bildenden neuen sozialistischen
Gesellschaft. Die Herrschaft der Gesellschaft über die Produktionsmittel
braucht die Freiheit, die Demokratie. Wenn der faschistische Senator Enrico
Ferri sagte, der Faschismus in Italien sei im Grunde nur eine Welle der
Reaktion, de» Bolschewismus der Nachkriegszeit, so ist nach dem, was ich
schon sagte, bewiesen, daß der Faschismus auch in den kapitalistischen
Ländern seine Existenzberechtigung verloren hat. Bolschewismus und
Faschismus sind Brüder. Sie basieren auf der Gewalt. auf der Diktatur,
mögen sie sich noch so sozialistisch und radikal gebärden. Ohne Freiheit
des politischen Willens, ohne Freiheit der Meinung, der Presse und der
Organisation sind sie und müssen sie bleiben Zerrbilder des Sozialismus.
Sie geben der Arbeiterschaft nicht die Möglichkeit, ihre Zukunft selbst zu
bestimmen. Der Sozialismus aber rann nur aus dem freien Willen der
arbeitenden Massen werden. Er läßt sich nicht einführen. Er muß das Werk
der Massen selbst sein, und die tiefste aller Lehren, die wir aus den
russischen Verhältnissen ziehen, ist die: ohne Demokratie ist der
Sozialismus unmöglich. Parteigenossen! Darum ist die Haltung der deutschen
Sozialdemokratie so eindeutig und so klar. Darum ist unsere Gesamtpolitik
stets darauf gerichtet, den Interessen des arbeitenden Polkes zu dienen.
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[11]:
um den Parlamentarismus in dieser
Übergangszeit bis zur Überwindung der schlimmsten Wirtschaftskrise zu
retten und die sonst unvermeidliche Diktatur zu verhindern.
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August
Heinrichsbauer an Heinrich von Gleichen, 12. Juni 1931 (Auszüge)[12]
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Der Kernpunkt der Auseinandersetzung dreht
sich m. E. um die Art der Zusammensetzung der Regierung, die eines
Tages dem Kabinett Brüning folgen wird und muß. Mein persönlicher
Standpunkt geht dahin, daß es für die nationale Opposition, die ich mit
Namen Hitler, Hugenberg, Seldte umreißen möchte, untragbar wäre, die
unmittelbare Nachfolgerschaft entweder selbst oder durch Personen, die als
Parteiangehörige hervorgetreten sind, zu übernehmen. Zunächst werden die
von dem künftigen Kabinett zu lösenden Aufgaben - gleichgültig, wie es im
Einzelnen personell zusammengesetzt ist - so schwierig sein, daß mit ihrer
Lösung ein Höchstmaß von Unpopularität untrennbar verbunden ist. [...] Dazu
kommt noch, daß die nationale Opposition ein politisches und
wirtschaftliches Sanierungsprogramm zur Zeit noch nicht hat; selbst wenn
sie es hätte, würden seiner Verwirklichung die allergrößten Schwierigkeiten
entgegenstehen, da im In- und im Ausland sehr viele potente Leute darauf
warten, einem solchen "nationalen" Sanierungsprogramm
Schwierigkeiten zu bereiten. Das gilt besonders von der Außen- und der
Reparationspolitik, die beide [...] in ihren Grundlinien so festliegen, daß
auch eine noch so klug und geschickt geführte nationale Opposition an ihnen
nicht viel ändern kann; jede eigene Machtübernahme wäre deshalb außen- und
reparationspolitisch sehr schnell verbunden mit einer Beugung früherer
Verheißungen und Ansichten. Mir persönlich scheint es am besten, wenn das
jetzige Kabinett abgelöst wird von einem Kabinett starker und entschiedener
Persönlichkeiten (wobei man zur Beruhigung ängstlicher Leute im In- und
Ausland ruhig Brüning mit irgendeiner Funktion betrauen könnte), deren
Angehörige der nationalen Rechten nahestehen müßten und denen von der
Rechten wohlwollende (und natürlich weitgehend verabredete) Opposition zu
machen wäre [...] Notwendig erscheint mir aber, im Reich keinen Schritt zu
tun, der nicht von einer entsprechenden Handlung in Preußen begleitet ist.
[...] Ich bin fest davon überzeugt, daß das ganze jetzige System des
anonymen, demokratischen Parlamentarismus im Laufe der Zeit von einem neuen
System abgelöst wird, das auf die Führerverantwortlichkeit und auf die
Gefolgschaftsverbundenheit abgestellt ist und das erhebliche Anklänge an
den italienischen Faschismus haben wird, ohne ihn natürlich bis ins
einzelne kopieren zu brauchen bzw. zu dürfen. Es kommt mir nur darauf an,
diesem künftigen System den Weg zu erleichtern und ihn ihm nicht unnötig zu
erschweren.
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[13].
Eduard Dingeldey
die in der Loslösung vom Sozialismus
bestehen
zu neuen Verhältnissen in Preußen führen
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Erklärung
Regierung Preußen, 6. August 1931 (Auszüge)[14]
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An Preußens Wähler und Wählerinnen!
Rechtsparteien, Stahlhelm und Kommunisten ‑ unversöhnliche
Todfeinde in unnatürlicher Paarung vereint ‑ rufen zum
Volksentscheid für die Auflösung des Preußischen Landtages auf. Parteien,
deren fanatische Anhänger sich in täglichen Überfällen und blutigen Kämpfen
gegenüberstehen, finden sich urplötzlich zusammen. Mit derselben Waffe des
"Ja"‑Zettels zum Volksentscheid wollen beide Teile das
denkbar entgegengesetzte erreichen: die einen ein bolschewistisches,
russischen Methoden nachgeahmtes Sowjet-Preußen, die anderen das alte
volksfeindliche Preußen des Dreiklassen-Wahl-Unrechts oder eines
faschistischen Gewaltregiments.
Und doch: Eines ist in der Tat den Rechts-
und Linksradikalen, die hier zum Sturm auf den Preußischen Landtag
einsetzen, gemeinsam, klaffen auch ihre weiteren Ziele unvereinbar
auseinander: Nationalsozialisten und Kommunisten wollen das Chaos, wollen
den Sturz des Bestehenden. Jeder denkt aber an die Stelle des Gestürzten
seine Herrschaft zu setzen und die anderen -eben noch willkommene
Bundesgenossen beim Volksentscheid - unter seine Füße treten zu können.
Der Preußische Landtag würde der Verfassung
gemäß ohnehin spätestens im Mai 1932 neu gewählt werden. Selbst beim
Gelingen des Volksentscheids würde frühestens Anfang Dezember gewählt
werden können. Wegen der kurzen unterschiedlichen Frist von vier Monaten
werden nunmehr schon seit dem Februar dieses Jahres die politischen
Leidenschaften aufs schärfste aufgestachelt. Ein für das Volkswohl ungemein
schädliches Beginnen in einer Zeit schwerster wirtschaftlicher Not, in der
alles darauf ankommt, die öffentliche Ordnung und Sicherheit als unentbehrliche
Vorbedingung für jede Möglichkeit eines Wiederaufstiegs Deutschlands zu
schützen.
Geht es wirklich nur darum, zu erreichen,
daß der Preußische Landtag um einige Monate früher gewählt werden soll?
Nein! Vereint wollen die Links- und Rechtsradikalen, wollen
Nationalsozialisten und Kommunisten das letzte große Bollwerk, die
Zitadelle der Demokratie und Republik in Deutschland: Preußen erstürmen.
Mit dem Gelingen des Volksentscheids wollen sie weithin sichtbar das
Flammenzeichen geben, daß das Ende der Demokratie, des Volksstaates in
Deutschland gekommen sei. Der Weg soll nun frei sein zur Verwirklichung der
Pläne auf Vernichtung all der Volksrechte, die nach dem Zusammenbruch von
1918 dem gesamten deutschen Volke erst die Kraft und den Mut gegeben haben,
aus den Trümmern des alten Deutschen Reiches ein neues zu errichten und die
Deutschen so vor der sonst sicheren Vernichtung als Staatsvolk zu
bewahren.[...]
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Wilhelm Groener
an Joseph Wirth, 14. August 1931 (Auszüge)[15]
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Ihre Denkschrift über die kommunistische
Bewegung "Die Vorbereitung der gewaltsamen Verfassungsänderung durch
die KPD", meine eigenen Beobachtungen über die augenblicklich sehr
lebhafte Zersetzungstätigkeit in der Wehrmacht und nicht zuletzt die
wohlvorbereiteten "Terrorakte" illegaler kommunistischer
Kampforganisationen während der letzten Tage bestärken mich in der
Auffassung, daß es an der Zeit ist, der kommunistisch-bolschewistischen
Gefahr in Deutschland mit sofortigen und durchgreifenden Maßnahmen zu
begegnen.
[...]
Ich würde es für einen schweren Fehler
halten, wenn die verantwortlichen Behörden des Reiches und der Länder auch
jetzt noch nicht in vollem Umfange die notwendigen Folgerungen daraus
zögen; denn ich bin fest überzeugt, daß die KPD alles daran setzen wird, um
ihre Ausschreitungen planmäßig Schritt für Schritt zum "bewaffneten
Aufstand" und zum Bürgerkrieg zu steigern. Die Staatsautorität müßte
schwersten Schaden leiden, wenn nicht noch in allernächster Zeit jeglichen
weiteren kommunistischen Umtrieben und Gewalttaten endgültig ein Riegel
vorgeschoben wird.
Die Notwendigkeit raschen Durchgreifens
erhellt allein daraus, daß sich die Kommunisten seit vielen Monaten
systematisch auf ein Verbot, auf die sogenannte "Illegalität"
vorbereiten. Je länger man ein energisches Vorgehen gegen die KPD
hinauszögert, desto ungestörter und planmäßiger können sich die
kommunistischen Organisationen auf diese "Illegalität" umstellen,
desto schwerer werden sie und – worauf es in erster Linie ankommt – ihre
verantwortlichen Führer dann zu fassen und auszuschalten sein.
Ich bin mir bewußt, daß es nicht meine
Aufgabe sein kann, Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege, Vorschläge über die
Art und Weise des zweckmäßigsten Vorgehens gegen die KPD zu machen. Ich
glaubte Sie aber auf diesen Punkt hinweisen zu müssen, weil ich mich leider
des Eindrucks nicht erwehren kann, daß die bisher getroffenen
Abwehrmaßnahmen der Größe der kommunistischen Gefahr nicht entsprechen und
es doch gerade in der augenblicklichen, politischen und wirtschaftlichen
Lage darauf ankommt, innere Unruhen vorausschauend und vorbeugend zu
unterbinden.
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Paul Reusch an
Ludwig Kastl, 6. September 1931 (Auszüge)[16]:
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[...] Ich bin der unmaßgeblichen Meinung,
daß Herr Brüning, nachdem die Erwartungen, die wir auf ihn gesetzt haben, sich
nicht erfüllt haben und nachdem er nicht den Mut hat, sich von der
Sozialdemokratie zu trennen, von der Wirtschaft und dem Reichsverband auf
das allerschärfste bekämpft werden muß und daß ihm die Industrie ganz offen
ihr Mißtrauen aussprechen soll. [...]
Im weiteren bin ich der Ansicht, daß wir
endlich einmal unsere Taktik den Gewerkschaften gegenüber ändern müssen.
Die Industrie war bisher zu feige, den Kampf mit den Gewerkschaften mit
aller Schärfe aufzunehmen. Das ganze Unheil, das über uns gekommen ist, ist
nicht zum geringsten Teil auf die Gewerkschaften zurückzuführen, von denen
sich seit den Revolutionstagen alle Regierungen mehr oder weniger
beeinflussen ließen und die im Hintergrunde tatsächlich regiert haben. Wir
haben den Fehler gemacht, in der Vergangenheit die Regierungen zu
bekämpfen, statt daß wir die Gewerkschaften mit aller Schärfe bekämpft
haben und sollten aus diesem Fehler der Vergangenheit nunmehr die
entsprechenden Folgerungen ziehen.
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Anforderungen
11 Arbeitgebervereinigungen, 29. September 1931 (Auszüge)[17]
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1. ein weiterer umfangreicher Abbau der Aufgaben und Ausgaben der
gesamten öffentlichen Hand,
2. eine Anpassung der Löhne und Gehälter an die gegebenen
Wettbewerbsverhältnisse,
3. Anpassung der weit überhöhten Belastungen an das
wirtschaftlich Mögliche und durchgreifende Verwaltungsvereinfachungen auf
allen Gebieten der Sozialversicherungen, einschließlich der
Arbeitslosenversicherung,
4. Senkung der Tarife der Reichsbahn, der Reichspost und der
gemeindlichen Versorgungsbetriebe,
5. Befreiung des deutschen Geldmarkts vom Druck der öffentlichen
schwebenden Schulden,
6. endgültige Beseitigung aller Reste der Zwangswirtschaft.
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Forderungen
Gewerkschaften, 1. Oktober 1931 (Auszüge)[18]
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1. Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung aller
Arbeitslosen,
2. Verkürzung der Arbeitszeit,
3. Erhaltung und Steigerung der Kaufkraft der Löhne und Gehälter,
Sicherung des Tarifrechtes und des staatlichen Schlichtungswesens,
4. Senkung der Zölle mit dem Ziel der stärkeren Anpassung der
deutschen Preise und Lebenshaltungskosten an das gesunkene Preisniveau des
Weltmarktes,
5. Auflockerung der monopolistischen Preisbindungen in allen
Stufen der Wirtschaft bei gleichzeitigem Ausbau der öffentlichen Kontrolle,
6. öffentliche Bankenaufsicht mit dem Ziel der Verhütung von
Fehlhaltungen des Kapitals und Sicherung volkswirtschaftlicher
Kapitalverwendung,
7. rücksichtslose Kürzung der überhöhten Spitzengehälter und
Pensionen in Wirtschaft und Verwaltung.
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Paul von Hindenburg [19].
völlig unabhängige
ohne parteimäßige Bindungen
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Memoiren (Auszüge)[20]:
Im Zusammenhang mit dieser intern
preußischen Angelegenheit des Wechsels im Finanzministerium muß ich noch
eine Episode erwähnen, die mehr die damals sehr aktuelle Frage der
Reichsreform berührt. Im Verlaufe der Finanzministerkrise ließ der Kanzler
Brüning mich wissen, daß es ihm erwünscht wäre, wenn ich dem
Reichsfinanzminister Dietrich das preußische Finanzministerium übertragen
würde, so daß dann diese beiden wichtigen Finanzressorts in eine Hand
kämen. Damit wäre dann auch ein praktischer Schritt auf dem Wege zur
Reichsreform und den Erörterungen über den Dualismus Reich-Preußen etwas
Abbruch getan. Die Tendenz dieses Vorschlages war mir durchaus sympathisch,
denn sie entsprach meiner Einstellung zu dem Problem der Reichsreform, das,
wie mir schien, durch Angleichung Preußens an das Reich im Wege der
Personalunion in den leitenden Ämtern am zweckmäßigsten der Lösung näher
gebracht werden konnte. Ich hatte bereits am 3. November 1931, als
nach meiner Rückkehr vom Krankheitsurlaub der Kanzler mich besuchte, diesem
zu erkennen gegeben, daß ich im Hinblick auf meinen Gesundheitszustand und
die politische Entwicklung im Reiche, die sich ja bei der bevorstehenden
Neuwahl des Landtages auch in Preußen auswirken würde, beabsichtigte
zurückzutreten, wenn ich die Gewähr hätte, daß mein Rücktritt zur
Vereinigung der beiden leitenden Ämter in Preußen und im Reiche führte. Ich
würde mich in meiner Partei für seine Wahl zum preußischen
Ministerpräsidenten einsetzen. Später erfuhr ich, daß daraus nichts werden
konnte, weil Hindenburg nicht wollte.
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Resolution Bad
Harzburg “Nationale Front”, 11. Oktober 1931[21]
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Die Nationale Opposition hat sein Jahren
vergeblich gewarnt vor dem Versagen der Regierungen und des Staatsapparates
gegenüber dem Blutterror des Marxismus, dem fortschreitenden
Kulturbolschewismus und der Zerreißung der Nation durch den Klassenkampf,
vor der planmäßigen Ausschaltung der nationalen Kräfte aus der Leitung des
Staates, vor einer Politik, die in der politischen, wirtschaftlichen und
militärischen Entmannung Deutschlands noch über das Diktat von Versailles
hinausgeht, vor einer Politik, die die heimische Wirtschaft zugunsten
weltwirtschaftlicher Utopien preisgibt, vor einer Politik der
Unterwürfigkeit dem Ausland gegenüber, die weder die Gleichberechtigung
Deutschlands gebracht hat, noch den zerrissenen Osten vor einem
kriegerischen Einbruch bewahrt.
Entschlossen, unser Land vor dem Chaos des
Bolschewismus zu bewahren, unsere Politik durch wirksame Selbsthilfe aus
dem Strudel des Wirtschaftsbankrotts zu retten und damit der Welt zu
wirklichem Frieden zu verhelfen, erklären wir: Wir sind bereit, im Reich
und in Preußen in national geführten Regierungen die Verantwortung zu
übernehmen. Wir stoßen keine Hand zurück, die sich uns zu wirklich
ehrlicher Zusammenarbeit anbietet. Wir müssen es aber ablehnen, die
Erhaltung eines falschen Systems und Fortsetzung eines falschen Kurses in
einer nur national getarnten Regierung der bisherigen Kräfte irgendwie zu
stützen. Jede Regierung, die gegen den Willen der geschlossenen Nationalen
Opposition gebildet werden sollte, muß mit unserer Gegnerschaft rechnen.
So fordern wir den sofortigen Rücktritt der
Regierungen Brüning und Braun, die sofortige Aufhebung der diktatorischen
Vollmachten für Regierungen, deren Zusammensetzung nicht dem Volkswillen
entspricht und die sich nur noch mit Notverordnungen am Ruder halten. Wir
fordern sofortige unsere Front zerreißen will.
Wir beschwören den durch uns gewählten
Reichspräsidenten v. Hindenburg, daß er dem stürmischen Drängen von Millionen
vaterländischer Männer und Frauen, Frontsoldaten und Jugend entspricht und
in letzter Stunde durch Berufung einer wirklichen Nationalregierung den
rettenden Kurswechsel herbeiführt.
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Heinrich Brüning,
13. Oktober 1931 (Auszüge)[22]:
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Deswegen, meine Damen und Herren, habe ich
mich entschlossen, weil ich zur Erkenntnis kam, daß kein anderer Weg
möglich sein würde, eine Regierung zu bilden, die noch unabhängiger von den
Parteien ist, als es das vorhergehende Kabinett gewesen ist. Ich glaubte,
dem deutschen Volke einen Dienst zu tun, nachdem ein großer Zusammenschluß
der Parteien nicht möglich ist, wenn ich wenigstens das eine Ziel
verfolgte, daß diese Regierung, die hier vor Ihnen steht, keine Rücksicht
auf irgendeine Partei in dem Sinne zu nehmen hat, daß sie parteigebundene
Minister im Kabinett hat.
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A. Hitler an Groener][23].
unparteiische Prüfung der Braunschweiger
Affaire
K. v. Schleicher an Ernst Röhm [24],
Generalleutnant
v. Schleicher Berlin W 10, den 4. Nov. 1931 Reichswehrministerium
Königin-Augusta-Str. 38‑42
Sehr geehrter Herr Röhm! Besten Dank für
das übersandte Material, aus dem ich mich einwandfrei überzeugen konnte,
daß von der Reichsleitung der National-Sozialistischen Deutschen
Arbeiterpartei alles getan wird, um die Partei auf der von dem Parteichef
vorgeschlagenen Linie strengster Legalität zu halten. Ein Teil des
Materials fällt allerdings in das Ressort des Reichsinnenministers, wo ich
entgegen den Behauptungen der bösartigen verlogenen Darstellung der
Mossekommunisten völlig einflußlos bin. Wie wenig kennen diese
Schmierfinken die selbständige Energie und den prachtvollen
württembergischen Dickkopf des Ministers Groener. Mit den
angelegentlichsten Empfehlungen Ihr sehr ergebener gez.: v. Schleicher.
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Wilhelm Groener
an Generalmajor in Ruhestand Gerold von Gleich, 1. November 1931
(Auszüge)[25]
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Hitler ist jetzt doppelt und dreifach an
den Legalitätspfahl gebunden und muß jeden, der seinem Befehl
entgegenhandelt, aus der Partei herauswerfen. Es wird wohl einige Zeit
dauern, bis er die unsauberen und unruhigen Elemente abgestoßen hat. Er
will mit der Regierung Brüning gut stehen und denkt nicht daran, dem
Hugenbergvolk etwa zur Macht zu verhelfen. Trotz Harzburg hat sich zwischen
den Nazis und den andern eine tiefe Kluft aufgetan.
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Gewerkschafts-Zeitung, 26. Dezember 1931[26]
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Die Vierte Notverordnung und der
faschistische Ansturm gegen die Republik haben die Gewerkschaften der
Arbeiter, Angestellten und Beamten mit der Sozialdemokratischen Partei, den
Arbeitersportorganisationen und mit. dem überparteilichen Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold
zu einer gemeinsamen Abwehrfront zusammengeschweißt. In einer großen Kundgebung,
die am 16. Dezember im Plenarsaale des Reichswirtschaftsrats vor die
Öffentlichkeit trat, wurde der eiserne Ring um die Sicherheit der Republik
geschlossen. Es war eine ernste Stunde und eine ernste Aufgabe, in der sich
diese Vertreter des arbeitenden Volkes zusammenfanden. Die Bundesvorstände
und -ausschüsse der gewerkschaftlichen Spitzenverbände, des Arbeitersports
und Vertreter des Reichsbanners, dazu starke Vertretungen der
sozialdemokratischen Reichstags- und Landtagsfraktionen waren erschienen,
um das Gelöbnis zur Abwehr der faschistischen Gefahr abzulegen. Die neue
Notverordnung legt dem deutschen Volke ungeheure Lasten auf. Trotz aller
Bemühungen, diese Lasten nach verschiedenen Seiten hin zu verteilen, ist
die Arbeiterklasse von der schwersten Belastung betroffen worden. Und
gerade jetzt muß auf die letzte Möglichkeit, diese Notverordnung
abzuwehren, verzichtet werden, weil die noch größere Gefahr des Sturzes der
Republik und der Zerschlagung der Verteidigungskräfte des arbeitenden
Volkes dahinter lauert. Mit Zähneknirschen muß das Ärgste hingenommen
werden, um das Allerärgste zu verhüten. Es sei, ‑ aber dann auch
wirklicher Ernst mit der Bekämpfung des Faschismus, des ewigen Ruhestörers
der Republik! So gut die Rede des Reichskanzlers war ‑ schöne
Reden genügen nicht mehr ‑, jetzt muß man Taten verlangen. Das
war der große Impuls dieser Kundgebung!
Theodor Leipart hielt die Begrüßungs- und
Einleitungsrede. Sein erstes Wort galt den Millionen Arbeitslosen, denen
die Notverordnung angeblich helfen will, obwohl zweifelhaft sei, ob sie
ihren Zweck erreiche. Gewerkschaften und Partei, bestürmt durch zahllose
Aufforderungen, hätten in Verhandlungen mit der Regierung das Äußerste an
Widerstand geleistet, und es sei ihnen gelungen, noch einigen Einfluß
auszuüben. Den neuen Lohnabbau konnten sie leider nicht verhindern. Wenn
man den Gewerkschaften die Schuld an der Wirtschaftskrise zuschiebt, so
darf nicht vergessen werden, daß der schwer erschütterte Kapitalismus sich
in dieser Weise zu rechtfertigen sucht. Seine Lohnfondstheorie sei schon
vor 60 Jahren durch Brentano widerlegt worden. Die Kaufkraft ist
zerschlagen worden durch Beseitigung der übertariflichen Verdienste und
Tarifsenkungen, und nun soll eine neue 10‑ bis 15prozentige
Lohnsenkung kommen, unzureichend ausgeglichen durch den Versuch, die Preise
zu senken. Die Preissenkung müsse der Lohnsenkung vorangehen. Die
Notverordnung stelle jetzt endlich, nach der zweiten Lohnabbauwelle, dieses
Programm auf - aber es sei zweifelhaft, ob dieses Ziel erreicht werde.
Selbst bei den günstigsten Annahmen bleibt der Preisabbau hinter der
Lohnsenkung zurück. Manches enthalte die Notverordnung auch von unsern
Forderungen, so das Verlangen nach Durchleuchtung der Wirtschaft, nach
Bilanzprüfungen, nach Mitwirkung der Versicherten in der
Unfallversicherung, und gewisse Unternehmerwünsche, wie die Auflockerung
der Tarifverträge, nach Umbau der ganzen Sozialversicherung, seien unerfüllt
geblieben. Aber das sei kein Grund zur Freude, denn eine Stabilisierung der
Tarifverträge auf dem tiefsten Niveau sei wahrlich schlechter Trost! Eine
der Ursachen der verzweifelten Lage Deutschlands sei die Reparationslast,
die wesentlich zur Erschütterung der Wirtschaft in der ganzen Welt
beigetragen habe. Selbst England sehe seinen Export dadurch gestört. Immer
lauter werde daher der Ruf: »Schluß mit den Reparationen!« In
Übereinstimmung mit der Arbeiterinternationale haben wir schon immer die
Streichung der Reparationen und Kriegslasten gefordert und nicht auf die
Hitler-Leute gewartet. Gegen die Notverordnung kämpfen wir. Aber eine
faschistische Diktatur würde dem Volke mit blutiger Gewalt noch schlimmere
Opfer auferlegen. Wir wollen den Bürgerkrieg nicht heraufbeschwören. Es
liegt deshalb im Interesse der Arbeiterschaft, die Schlacht, die wir in den
letzten Wochen gegen die Notverordnung geführt haben, jetzt abzubrechen,
eine Schlacht, in der es weder Sieger noch Besiegte gibt. Denn auch die
Unternehmer werden sich kaum als Sieger fühlen. Aber selbst wenn wir in der
Frage der Lohnsenkung die Geschlagenen wären, dann wäre auch das nur eine
Bestätigung des Wortes von Friedrich Engels, daß sich die ganze Geschichte
der Arbeiterklasse darstellt als eine Reihe von Niederlagen, unterbrochen
von wenigen Siegen. Unsere Bewegung ist trotzdem groß und stark geworden.
Was wir jetzt in bitterer Not ertragen müssen, kann unsern Glauben an die
Zukunft nicht schwächen, kann das Vertrauen zur Stärke unserer Organisation
nicht erschüttern, die dann eingesetzt werden muß, wenn nach dem
vorübergehenden Druck und Zwang der Weg zur Freiheit und zum Fortschritt
wieder offen liegt!
Sodann sprach der Reichstagsabgeordnete
Breitscheid über die Notverordnung. Nachdem schon die Juli-Verordnung an
Einschränkungen der Lebenshaltung die Grenze des Möglichen erreicht hatte,
gehe die jetzige Verordnung weit über diese Grenze hinaus. Sie suche durch
Erhöhungen auf der Einnahmeseite oder durch Senkungen auf der Ausgabenseite
das Gleichgewicht der öffentlichen Haushalte wiederherzustellen und durch
Herabsetzung der Löhne, Preise und Zinsen die Wettbewerbsfähigkeit dem
Weltmarkt zu heben. Ob das letztere erreicht werde, sei zweifelhaft, aber
unerträglich sei der Versuch, die Schäden der englischen Valutasenkung und
Zollsteigerung durch Herabsetzung der Löhne auszugleichen. Statt an die
Privatmonopole heranzugehen, lasse die Notverordnung diese Bindungen nach
dem vorgeschriebenen Preisabbau wieder in Kraft treten. Der Preisabbau
mache halt vor den Schutzzöllen. Statt planmäßiger Kapitallenkung begnüge
sie sich mit der Senkung des Zinssatzes. Immerhin sei es bemerkenswert, daß
sich eine bürgerliche Regierung so kühl über die Heiligkeit der Verträge
hinwegsetze. Als Sozialisten haben wir uns diesen Präzedenzfall zu merken.
Das ganze System der Notverordnungen sei unverträglich mit Demokratie;
leider sei es gerade jetzt im Interesse des Parlamentarismus unvermeidlich,
nachdem die letzte Reichstagswahl Parteien in den Reichstag gebracht habe,
die den Parlamentarismus grundsätzlich verneinen. Daher habe die
Sozialdemokratie das Kabinett Brüning tolerieren müssen. Diese Politik habe
gewiß große Opfer von uns verlangt, aber manches sei auch durch sie
erhalten worden. Eine Bewegung wie der Faschismus könne nicht ewig
bestehen; ihr Zerfall sei unvermeidlich, wenn sie erst an der Macht sei.
Aber es wäre gefährlich, sie zu diesem Zwecke an die Macht heranzulassen.
Mit großer Wärme dankte der Redner den Reichsbannerkameraden, die mit ihrem
Leben den Abwehrkampf führen. Wir müssen sie unterstützen, indem keiner in
diesem Kampfe untätig bleibt. Einig und geschlossen müssen wir in der
Abwehr zusammenstehen. Das Schlußwort hatte der Parteivorsitzende Otto
Wels, der an die Schmach der Nationalsozialisten erinnert, die aus
Liebedienerei für Mussolini Südtirol seinen Bedrückern preisgeben. Wie sie
die deutsche Nation verraten, werden sie auch die Demokratie verraten, mit
deren Hilfe sie legal zur Macht zu gelangen hoffen. Das Bürgertum liegt
zitternd vor ihnen auf dem Bauch und macht ihnen den Weg frei. Wir Arbeiter
aber haben die Aufgabe, die eiserne Front zu schmieden und die Republik zu
schützen. Wir verwerfen die Gewalttat, aber wir wehren uns, wenn wir
angegriffen werden. Von den zuständigen Reichsstellen erwarten wir, daß sie
den Kampf gegen die Verfassungsfeinde führen. Wir aber rufen die Arbeiter
auf zur Verteidigung der demokratischen Republik. Macht gegen Macht!
Vorwärts durch Kampf zum Sieg!
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