|
Hermann Göring,
3. März 1933 (Auszüge)[1]
|
•
|
Seht euch die letzten vierzehn Jahre an.
Innenpolitik: Eine Innenpolitik des Terrors gegen alles, was noch national
empfand, eine Innenpolitik des Zwanges gegen alles, was sich noch auflehnen
wollte, eine Innenpolitik der Korruption und Zersetzung gegen alles, was
noch Anstand hieß. Und wollt ihr die Außenpolitik ansehen? Nun, wer von der
Feigheit gekommen ist, der kann nur feige handeln, und ihre Außenpolitik
war feige. Sie hat in Unterwerfung und Erfüllung Jahr um Jahr bestanden.
Auf diesem Trümmerfeld, in dieser Zerstörung züchtete der Manismus seine
letzte, seine schlimmste und übelriechende Sumpfpflanze, die es gibt. Auf
diesem mit Verrat, auf diesem mit Unmoral gedüngten Boden sprießte der
Kommunismus empor. Wenn die Herren Sozialdemokraten mir sagen, sie müßten
es sich verbitten, daß sie mit den Kommunisten zusammen in einen Topf
geworfen würden, so antworte ich ihnen: Aus eurem Topf sind die
kommunistischen Stinkdämpfe herausgekommen! Es ist euer Herr Severing, der
Mutige, gewesen, der erklärt hat, die Kommunisten seien politische Kinder.
Jetzt wollt ihr euch darüber erregen, daß ich in ihnen nicht politische
Kinder, sondern Verbrecher sehe. Volksgenossen, ich will nicht all das
wiederholen, was ich vorgestern im Auftrag der Reichsregierung im Rundfunk
über die kommunistischen Bewegungen, über die kommunistischen Absichten,
über die kommunistischen Verbrechen gesagt habe. Etwas anderes will ich
wiederholen, was ich dort gesagt habe: Die Herren müssen eins verstehen:
Ich denke nicht daran, in bürgerlicher Manier und in bürgerlicher
Zaghaftigkeit nur einen Abwehrkampf zu führen. Nein, ich gebe das Signal,
auf der ganzen Linie zum Angriff vorzugehen! Volksgenossen, meine Maßnahmen
werden nicht angekränkelt sein durch irgendwelche juristischen Bedenken.
Meine Maßnahmen werden nicht angekränkelt sein durch irgendeine Bürokratie.
Hier habe ich keine Gerechtigkeit zu üben, hier habe ich nur zu vernichten
und auszurotten, weiter nichts! Dieser Kampf, Volksgenossen, wird ein Kampf
gegen das Chaos sein, und solch einen Kampf führe ich nicht mit
polizeilichen Machtmitteln. Das mag ein bürgerlicher Staat getan haben.
Gewiß, ich werde die staatlichen und die polizeilichen Machtmittel bis zum
äußersten auch dazu benutzen, meine Herren Kommunisten, damit Sie hier nicht
falsche Schlüsse ziehen, aber den Todeskampf, in dem ich euch die Faust in
den Nacken setze, führe ich mit denen da unten, das sind die Braunhemden!
Ich werde dem Volke klarmachen, daß das Volk sich selbst zu wehren hat. Ich
werde ihm klarmachen, daß die lebendigen Kräfte des Volkes hier mobilisiert
werden müssen. Und darum habe ich mit voller Absicht erklärt: In Zukunft,
meine Herren, kommt in den Staat nur mehr hinein, wer aus den nationalen
Kräften stammt, und nicht, wer sich herandrängt und heranheuchelt. Mich
stört es nicht, wenn gewisse "Kritiker" sich scheinheilig über
diese meine Maßnahmen aufregen und nach "mehr Gerechtigkeit"
schreien. Ich messe mit zweierlei Maß. Ich wäre nicht gerecht, wenn ich
nicht endlich die roten Bonzen zum Teufel jagen würde. Sie haben schon zu
lange für unser Geld sich in den Sesseln herumgewälzt, es war allerhöchste
Zeit. Vierzehn Jahre haben sie dieses nationale Deutschland unterdrückt,
vierzehn Jahre lang durfte nicht einmal ein Portier eines Ministeriums
Nationalsozialist sein. Das ist dann eure Gerechtigkeit gewesen. Vierzehn
Jahre habt ihr sie unterdrückt. Nein, wer sich zum Staat bekennt, zu dem
bekennt sich auch der Staat. Wer aber den Staat vernichten will, den
vernichtet auch der Staat. Da kommt mir nur nicht ‑ ihr roten
und rosaroten Herren ‑ und erklärt, wir wären auch einst
staatsfeindlich gewesen und wir hätten auch einen Staat stürzen wollen und
gestürzt. Nein, meine Herren, die Rechnung stimmt nicht; weil kein Staat da
war, weil nur ein System von Bonzen existierte, darum haben wir um einen
Staat überhaupt erst gekämpft und gerungen. Wir sind nicht staatsfeindlich,
sondern nur bonzenüberdrüssig geworden. Ihr, meine Herren Marxisten, habt
einst mit unsauberen Mitteln einen sauberen Staat gestürzt, und wir haben
mit sauberen Mitteln ein Schiebersystem beseitigt.
[...]
Wir werden euch beweisen, daß wir ein neues
Fundament gebaut haben, weitab von eurem Hause, das ihr vor vierzehn Jahren
errichtet habt und bei dem jetzt auch noch die Fassade eingestürzt ist. Dieses
Fundament aber soll zusammengeschweißt sein aus unserer Weltanschauung, aus
der Weltanschauung, die endlich wieder die beiden Begriffe Nationalismus
und Sozialismus zusammenführt. Sie sollen nicht mehr in Todfeindschaft
gegeneinander stehen und ‑ falsch verstanden ‑
Millionen Menschen gegeneinander kämpfen lassen. Die feindlichen Lager
sollen nun in eine einzige Einheit zusammengeschweißt werden, darum soll
diese Weltanschauung das Fundament des neuen Reiches sein. Denn nur, wer es
verstanden hat, über Klassen und Stände und Berufe hinweg zu einen und zu
einigen, dem wird es auch vergönnt sein, dort zu versöhnen, wo versöhnt
werden muß. Die Einheit des Reiches, Volksgenossen, bleibt eine leere Form,
wenn das Volk zerrissen ist, und deshalb gibt erst die Einheit des Volkes
der Einheit des Reiches den wahren Inhalt. Diese Einheit des Volkes zu
schmieden, das ist das Lebens« werk Adolf Hitlers, und weil er diese
Einheit schmieden will, weil er das Volk in all seinen Schichten, Berufen
und Konfessionen wieder zusammenbringen will zu einem Faktor, der in allen
großen Schicksalsfragen einheitlich denkt, deshalb mußte er dem Marxismus
den Todeskampf ansagen. Denn wo der Marxismus herrscht, kann er nur von der
Zerrissenheit der Klassen, von Haß, von Gegensätzlichkeiten leben. Deshalb
muß er untergehen.
[...]
|
|
Friedrich
Stampfer, 6. März 1933[2]
|
•
|
Ein Ruhmestag in der Geschichte der
Deutschen Sozialdemokratie - das ist und bleibt für alle Zeiten der
5. März 1933. Noch nie, auch in der Zeit des Sozialistengesetzes
nicht, hat die Partei einen solchen Wahlkampf erlebt! Geknebelt und
gebunden, gehetzt und verfolgt, mit Verleumdungen überschüttet, gegen die
sie sich nicht wehren konnte, so ging sie in diesen Kampf. Und ihre
Verluste? Von 121 Reichstagsmandaten eines, von 7 247 952
Stimmen 71 455, noch nicht einmal ein Prozent. Das ist ein Erfolg, der
mehr wiegt, als mancher stürmisch gefeierte Wahlsieg.
Auch für die offiziellen Sieger des Tages,
die Herren der Harzburger Front kann es nicht gleichgültig sein, welche
Haltung die Sozialdemokratie als die stärkste Oppositionspartei einnimmt.
Wie vom formalen Rechtsstandpunkt aus das Wahlprüfungsgericht die
Rechtsgültigkeit der Wahl ansehen mag, vom politischen Standpunkte aus kann
man im Zweifel sein, ob es gut wäre, diesen Wahlen gleich wieder neue
folgen zu lassen mit dem Ziel, die 52 Prozent der Harzburger auf 50 oder 49
Prozent herabzudrücken.
Die Herren haben jetzt im Reich und in
Preußen die Mehrheit. Sie sind vom Reichspräsidenten ernannt und vom Volke
bestätigt. Sie brauchen nur eine legale Regierung sein, dann sind wir ganz
selbstverständlich auch eine legale Opposition. Möge sie von ihrer Mehrheit
beschließen lassen, was immer im Rahmen der Verfassung beschlossen werden
kann, wir werden uns auf die Rolle des sachlichen Kritikers beschränken so
lange, bis uns das Volk eines Tages zu einer anderen Rolle beruft.
Durch den Sieg der Regierungsparteien ist
die Möglichkeit geschaffen, streng nach der Verfassung zu regieren.
Abweichungen von ihr könnten jetzt nicht mehr mit Arbeitsunfähigkeit des
Parlaments oder mit Staatsnotstand begründet werden. Eine ausweitende Anwendung
des Artikels 48 ist nicht zu rechtfertigen, wo die Maschine der
normalen Gesetzgebung dem Steuer der Regierung gehorcht.
Für die Verfassung spricht heute alles: Der
Eid, den der Reichspräsident und die Minister auf sie geleistet haben, aber
auch Erwägungen rein praktisch politischer Natur. Nur die Verfassung bietet
alle Mittel, das Volk aus der Bürgerkriegspsychose herauszuführen, und zu
einer normalen Entwicklung im Innern zu gelangen, die auch im Interesse der
deutschen Außenpolitik notwendig ist. Die Wahl hat gezeigt, daß das
deutsche Volk heute in zwei annähernd gleiche Teile zerfällt, von denen der
eine jetzt regieren will, während der andere es sich gefallen lassen muß,
regiert zu werden. Eine Regierung, die es unter solchen Verhältnissen darauf
anlegte, fast die Hälfte des Volkes durch verfassungswidrige
Unterdrückungsmethoden vom Staate wegzubringen, würde außenpolitisch sich
keine Verstärkung verschaffen.
Die Arbeiterbewegung wird in Deutschland
immer ein politischer Faktor bleiben. Wir denken nicht daran, unsere Ziele
zu verbergen. Wir wollen über die Demokratie zur Sozialisierung. Wir wollen
unsere Gegnerschaft gegen die Herren von heute weder abschwächen noch
bemänteln, wir sagen jeder arbeiterfeindlichen Politik den schärfsten Kampf
an. Wir sagen nur, daß es seit Jahrzehnten unsere Art ist, mit gesetzlichen
Mitteln und sachlich zu kämpfen. Wir zeigen damit, den Herren von heute die
Möglichkeit, den politischen Kampf in Deutschland wieder auf ein Niveau zu
bringen, das eines Kulturvolkes würdig ist. Wird dennoch ein anderer, ihm
entgegengesetzter beschritten, so mögen die Sieger von heute dafür die
Verantwortung übernehmen. Sie werden sie auf die Dauer nicht tragen können.
Was immer die nächste Zeit bringen mag, ‑ die Sozialdemokratie steht fest. Eine Partei,
die einem solchen Sturm standgehalten, ist eisern und unerschütterlich. Es
kommt der Tag ‑ er ist näher, als mancher denkt ‑ an
dem sie ihre Fahne wieder im Sturmschritt vorwärts tragen wird.
|
|
Freies Wort (Auszüge)[3]:
|
•
|
[...] und wer gegen die Regierung
Hitler-Papen zur Anwendung nicht verfassungsmäßiger Mittel riete, würde
sich moralisch ins Unrecht setzen.
|
|
•
|
Kommission 22. Dezember 1931 [4].
zwecks Aufstellung programmatischer
Richtlinien insbesondere im Hinblick auf eine berufsständische Ordnung
Bernhard Otte [5]:
[die Christlichen Gewerkschaften wollen]
sich voll und ganz in den Dienst einer Neuordnung stellen [...] [sie
können] nicht nur wertvolle Bausteine [für] den zukünftigen Neuaufbau
[liefern] sondern sie wollen das auch und stellen sich bewußt in den Dienst
der großen Sache.
[6]:
Nationale Revolution und christliche
Gewerkschaften
[Die Christlichen Gewerkschaften sind doch
von Anfang an] die Bewegung [gewesen], die sich aus der christlichen Idee
dem Klassenkampf entgegenstellte. Die sich in starkem nationalen Willen dem
internationalen Zug des deutschen Sozialistentums entgegenstellte. [...]
Was morsch war, ist gefallen. Und eine Welle junger Kraft hat Deutschland
überspült. Die verantwortlichen Führer dieser jungen Kräfte, heute auch die
Führer des deutschen Staates, haben dem deutschen Volk versprochen, diese
junge Kraft für das gesamte deutsche Volk einzusetzen. Sie haben, im Besitz
der Macht, Recht und Gerechtigkeit zugesagt für alle, die Deutschland lieben.
Das ist es, worauf auch die deutsche Arbeiterschaft wartet. Aber nicht nur
darauf. Weil sie Deutschland liebt, will sie mitarbeiten.
|
|
Resolution
Vorstand [Gesamtverband] christlich-nationale Gewerkschaften Deutschlands,
8. März 1933 [7]
|
•
|
Die letzten Wochen haben erneut gezeigt,
daß unser Volk noch weit von der ersehnten Einigkeit und einer sicheren
Ordnung in Freiheit entfernt ist. Politische und wirtschaftliche Sorgen
lasten schwerer denn je auf allen. Besonders hart ist die Lage der Arbeitslosen.
Über den sich häufenden politischen Ereignissen ist die allgemeine
Aufmerksamkeit stark von ihrem traurigen Schicksal sowie von dem Bemühen um
Belebung des Arbeitsmarkts abgelenkt worden.
Der Vorstand des Gesamtverbandes spricht
die Erwartung aus, daß nunmehr, nachdem die Wahlen getätigt sind, alle
maßgebenden Stellen sich mit ganzer Kraft mit der Bekämpfung der
Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit befassen.
Vom Gelingen oder Mißlingen dieses Kampfes
hängt nicht nur das Schicksal von Millionen deutscher Mitbürger, sondern
des Staates und der Kultur ab. In diesem Bewußtsein setzen die
christlich-nationalen Gewerkschaften ihre eigene Kraft für diesen Kampf
nach wie vor restlos ein. Der Sieg kann aber nur errungen werden, wenn alle
zur Mitwirkung geeigneten Kräfte im Volke mobilisiert und angespannt
werden, so daß ein allseitig vertrauensvolles Zusammenarbeiten die Aufgabe
erleichtert und ihr einen höheren Sinn verleiht.
Die christlich-nationalen Gewerkschaften
sind der Ansicht, daß es gelingen muß, jene Ordnung zu verwirklichen, nach
der sie seit ihrer Begründung strebten, nämlich eine organische, vom Willen
zur Selbstverantwortung getragene berufsständige Sozialordnung. Jeder
aufrechte Deutsche soll darin Schutz und Freiheit, Achtung und Möglichkeit
zur sinnvollen Gestaltung seines Lebens finden können.
Deutsch muß dieser Aufbau sein, und deshalb
muß er genossenschaftlichen Charakter im besten Sinne des Wortes tragen. Er
muß das freie Werk freier Männer sein.
In der Freiheit sehen wir ein hohes Gut.
Soll in Freiheit geschafft werden können, so muß eine starke, objektive
Staatsgewalt die freiheitliche Rechtsordnung gewährleisten, die dem
einzelnen die Entfaltung seiner Persönlichkeit und den vom Volke her gebildeten
und zu bildenden berufsständischen Organisationen kraftvolles Gedeihen
sichert.
Diese Bestrebungen der christlichen
Gewerkschaften entsprechen dem Gründungsprogramm der christlich-nationalen
Gewerkschaften, wie sie auf dem Mainzer Kongreß 1899 verkündet wurden.
Dieses Programm brauchte in seinem wesentlichen Inhalt in der Vergangenheit
keine Änderung; es hält auch jetzt, 1933, stand. Es braucht nur
verwirklicht zu werden.
Jede Zeit ist dafür die richtige.
|
|
"Richtlinien
der christlich-nationalen Gewerkschaften", 17. März 1933[8]
|
•
|
1. Der einzelne. Für den einzelnen
Menschen erstreben die Christlichen Gewerkschaften die Sicherung einer
menschenwürdigen Existenz, und zwar in erster Linie durch die Ermöglichung
des Erwerbs von Eigentum, das ihm einen angemessenen freien Lebens- und
Betätigungsraum sichert. Dann aber ist die möglichste Sicherung der
Existenz des einzelnen ein Hauptziel der berufsständisch geordneten
Gesellschaft und Wirtschaft. Durch diese Zielsetzung der Existenzsicherung
erstreben die christlichen Gewerkschaften für den einzelnen die
Verwirklichung seines höchsten Anliegens, nämlich Begründung und Wahrung
der Ehre und Entfaltung der freien, religiös-sittlichen und berufstüchtigen
Persönlichkeit.
2. Die Familie. Die Christlichen
Gewerkschaften bejahen die naturhafte Bestimmung des Menschen zur Familie
und erstreben, ihm die Erfüllung dieser Bestimmung zu ermöglichen. Das
erste Mittel zu diesem Ziel ist wiederum die Ermöglichung des Erwerbs von
Eigentum, das gerade mit Rücksicht auf die Familie vor allem in Grund und
Boden, zum mindesten aber in einer hinreichenden Wohnung zu bestehen hat.
Nach dieser Richtung kann die öffentlich-rechtlich in Berufsständen
organisierte Wirtschaft und Gesellschaft förderlich sein, indem sie durch
geeignete Rechtsentwicklung auf dem Gebiet des Werkswohnungs- und
Siedlungswesens sich als sichernde Instanz einschaltet. Die christlichen
Gewerkschaften erstreben ferner eine Entwicklung des Arbeitsrechts und der
Sozialversicherung, die der natürlichen Vorrangstellung des Familienvaters
entspricht. Dadurch und durch eine entsprechende Orientierung der
Sozialpolitik sowie der sozialen Gesetzgebung soll die Zerreißung der
inneren Einheit der Familie verhütet werden, die heute von seiten der
Arbeit der verheirateten Frau und seitens der selbständigen Minderjährigen
droht. Unter Beachtung der Wahrheit, daß die beste Familienpolitik die
beste Wirtschaftspolitik ist, und vor allem aus ihrer christlichen
Grundhaltung heraus erstreben die christlichen Gewerkschaften für die Arbeiterschaft
einen Lebensraum, der dem gesunden Fortpflanzungswillen einer gesund und
christlich aufgefaßten Ehe dient. Die christlichen Gewerkschaften verwerfen
daher eine derartige Ausbreitung und Ausweitung der Frauenarbeit, daß sie
zwangsläufig Ehe und Familie abträglich wird. Noch mehr ist die Arbeit der
verheirateten Frau dann zu verwerfen, wenn sie den Aufgaben der Mutter in
der Familie zuwiderläuft. Die Christlichen Gewerkschaften wollen eine
christliche und nationale Erziehung der Jugend. Sie sehen das praktische
Ziel der Jugenderziehung in der Heranbildung sittlich charaktervoller und
lebenstüchtiger Menschen. Für alle Schularten, auch für die Berufsschule,
ist daher nicht die Anhäufung irgendwelchen Wissens oder einer rein
technischen Notwendigkeit entscheidend, sondern die Anleitung und Übung,
das konkrete Leben von wesentlichen und richtigen Gesichtspunkten her zu
beurteilen und zu gestalten. Deshalb kommen für die christlichen
Gewerkschaften nur die Bekenntnisschulen und die bekenntnistreue Lehrerschaft
als Regelfall in Frage; in jenen Fällen, wo aus sachlichen Gründen dieser
Forderung nicht Genüge geschehen kann, ist wenigstens durch die Art des
Unterrichts und durch die Auswahl der Lehrerschaft den genannten obersten
Zielpunkten der Pädagogik wirksam Rechnung zu tragen.
3. Der Berufsstand.
a) Pädagogische und volkspolitische
Aufgaben. Der Berufsstand ist wesensgemäß aus einer
gesellschaftspolitischen Einrichtung zu einer Lebensgemeinschaft zu
entwickeln. Diesem Hochziel dient die Erfüllung der verschiedenen Aufgaben,
welche dem Berufsstand zufallen. Die Heranbildung der kommenden Generation
erscheint unter diesem Gesichtspunkt als die sachlich und grundsätzlich
erste Aufgabe. Die Eigenart des Berufsstandes als einer Lebensgemeinschaft
verlangt ferner: die Art der Verteilung der Angehörigen der verschiedenen
Generationen auf die Arbeitsplätze muß so erfolgen, daß die verschiedenen
Lebensalter ihren eigentümlichen Beitrag zur vollen Entfaltung der
Berufsgemeinschaft leisten können. Unter dieser Rücksicht ist die Belassung
der älter werdenden Arbeiter im Beruf keineswegs eine Sache des
Wohlwollens, sondern eine sachliche Forderung im Hinblick auf die innere
Ausgeglichenheit und Leistungsfähigkeit des Berufsstandes. Letzterer kann
aus persönlichen und sachlichen Gründen auf die reife Erfahrung und den
größeren Verantwortungswillen dieser Kräfte nicht verzichten. Der
Berufsstand, als Lebensgemeinschaft aufgefaßt, ist auch die naturgegebene
Grundlage zur Schaffung von Ausgleichskassen, die der Einkommensergänzung
zum Lebensunterhalt kinderreicher Familien dienen.
b) Staatspolitische Aufgaben. Die
Berufsstände als Lebensgemeinschaft sind die natürlichen Einheitskörper im
Leben der Gesellschaft, vor allem der Wirtschaftsgesellschaft. Deshalb sind
sie von sich aus Träger öffentlich-rechtlicher Befugnisse der sich selbst
verwaltenden Gesellschaft. Sie sind deshalb von Natur aus bestimmt und
befugt, an erster Stelle jene allgemeinen Normen und Richtlinien
aufzustellen, die aus der Wirtschaft ein geordnetes, auf das Gemeinwohl hin
gerichtetes Ganzes machen sollen. Es fallen ihnen daher in erster Linie
jene vom Gemeinwohl geforderten Entscheidungen zu, die unter dem Zwang der
Umstände der heutige Staat in zentrale Obhut genommen hat, z. B.
Entscheidungen über Stillegung, über das allgemeine Wohl berührende Fragen
der Kartellierung und Entscheidungen im Schlichtungsverfahren. Dadurch wird
eine stärkere Berücksichtigung der einzelnen beruflichen Interessen
ermöglicht und gleichzeitig der Staat von ihm zunächst nicht wesensgemäßen
Aufgaben entlastet. Dieser berufsständische Aufbau der Wirtschaft und diese
Ordnungsfunktion der Berufsstände sind für die Christlichen Gewerkschaften
der Weg, ihre alten Forderungen der Mitverantwortung und Subjektstellung
der Arbeiterschaft im Produktionsprozeß zu verwirklichen. Durch eine der
sachlichen Struktur des jeweiligen Produktionszweiges entsprechende
Durchführung der Parität zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und mittels
einer Wirtschaftspolitik, die den Machtfaktor des Privateigentums durch
eine breite mittelständische Schicht in jedem Berufsstand neutralisiert,
ist die praktische Entschluß- und Entscheidungsmöglichkeit des
Berufsstandes in den angegebenen Fällen möglichst zu sichern. Im äußersten
Falle verbleibt die Entscheidung bei der staatlichen Instanz.
4. Der Staat. Der Staat wird von den
Christlichen Gewerkschaften als ein naturhaftes, von einer
geistig-sittlichen Gesellschaftsauffassung gefordertes Ordnungssystem von
eigener Würde und Hoheit anerkannt und bejaht. Seine Entlastung durch die
berufsständische Selbstverwaltung soll ihn für das eigentlich Politische
freimachen. Die Gesellschaftsauffassung, die dem berufsständischen Gedanken
als Selbstverwaltung zugrunde liegt, fordert auch eine organische
Gestaltung des Staatswesens. Die Christlichen Gewerkschaften bekennen sich
daher zur wirksamen Geltendmachung des Volkswillens hinsichtlich der rein
politischen Fragen. Zu diesen rein politischen Fragen gehören auch solche
Wirtschaftsentscheidungen, die ihrer Natur nach das Gesamtdasein des
Staatsvolkes nach innen oder außen berühren. Darunter fallen beispielsweise
solche Steuergesetze, die in den volkspolitischen Aufbau der Nation
wesentlich eingreifen, und Handelsverträge, die ihrer Natur nach ebenfalls
Lebensfragen der Nation nach innen und außen berühren. In diesen Fällen,
deren letzter, rein politischer Charakter nicht zu verkennen ist, steht den
berufsständischen Verwaltungskörpern der Wirtschaft, besonders ihrer
Zusammenfassung in einem Reichswirtschaftsrat, lediglich eine beratende
Rolle zu. Jene christliche und nationale Erziehung, die von den
Christlichen Gewerkschaften gefordert wird, bedeutet im Hinblick auf den
Staat die Erziehung der einzelnen zu Staatsbürgern, die in sittlicher
Verantwortung und Reife ihre bürgerlichen Rechte wahrnehmen.
5. Nation. Die Christlichen
Gewerkschaften bekennen sich zu einer freien, starken, deutschen Nation.
Für diese Nation setzen sie ihre ganze Kraft ein. Deutschland muß frei
sein, muß wehrhaft sein, um seine Weltgeltung wiederzuerlangen und zu
behaupten.
6. Völkergemeinschaft. Die
Christlichen Gewerkschaften bejahen die Solidarität der Menschheit und der
Völker. Sie sprechen jeder Nation das Recht zu auf den eigenen starken
Staat und auf gleichberechtigte Anteilnahme an der Weltwirtschaft. Unter
dieser Voraussetzung sind die Christlichen Gewerkschaften bereit, an allen
Bestrebungen mitzuarbeiten, die der sittlichen Solidarität der Völker auf
allen Gebieten der Kultur wirksam Ausdruck geben wollen. Freie, starke
Nationalstaaten, in Gleichberechtigung und Gleichachtung einander
verbunden, sind das beste Unterpfand für den Weltfrieden und die Zukunft
der Völker.
|
|
Resolution Büro
Internationaler Gewerkschaftsbund "Kampf dem Faschismus" [9]:
|
•
|
Wir klagen an! Wir werden unermüdlich das Gewissen
der zivilisierten Welt aufrufen gegen die unsäglichen Schandtaten, die die
Gewalthaber Deutschlands Tag für Tag verüben. Die Lehre aus den deutschen
Ereignissen für die Arbeiter in den Ländern der Demokratie ist die
Notwendigkeit, die Freiheitsrechte mit allen Mitteln zu verteidigen, für
die Arbeiter aller Länder, dem Nationalismus und Faschismus keinerlei
Konzessionen zu machen, gegen sie und die durch sie hervorgerufenen
Kriegsgefahren, selbst um den Preis der schwersten Opfer, den Geist des Internationalismus,
des Friedens und der Freiheit zu mobilisieren und die Interessen des
internationalen sozialistischen Befreiungskampfes, die sich mit den wahren
Interessen der Völker decken, zu ihrem obersten Ziel zu machen.
|
|
Erklärung des
Bundesvorstandes de l'ADGB, 20. März 1933B [10]
|
•
|
Die Gewerkschaften sind der Ausdruck einer
unabweisbaren sozialen Notwendigkeit, ein unerläßlicher Bestandteil der
sozialen Ordnung selbst. Als organisierte Selbsthilfe der Arbeiterschaft
sind die Gewerkschaften ins Leben getreten und im Verlaufe ihrer Geschichte
aus natürlichen Gründen mehr und mehr auch mit dem Staate selbst
verwachsen. Die sozialen Aufgaben der Gewerkschaften müssen erfüllt werden,
gleichviel welcher Art das Staatsregime ist.
Die großen Tarifgemeinschaften zur Regelung
der Lohn- und Arbeitsbedingungen der deutschen Arbeiterschaft sind der
untrügliche Beweis dafür, daß die Gewerkschaften von dem Willen geleitet
sind, die ihnen obliegende Vertretung der Arbeiterinteressen in freier
Vereinbarung mit den Unternehmern wahrzunehmen. Trotz aller Wirrnisse und
wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben die Tarifverträge durch die
Jahrzehnte sich erhalten und in weitem Umfange dem Wirtschaftsfrieden
gedient.
Durch die Anerkennung und Inanspruchnahme
des staatlichen Schlichtungswesens haben die Gewerkschaften gezeigt, daß
sie das Recht des Staates anerkennen, in die Auseinandersetzungen zwischen
organisierter Arbeiterschaft und Unternehmertum einzugreifen, wenn das
Allgemein Interesse es erforderlich macht.
Die Gewerkschaften haben der freiwilligen
Vereinbarung mit den Unternehmern stets den Vorzug vor Zwangstarifen
gegeben und halten auch weiterhin an dieser Auffassung fest. Sie sind
durchaus bereit, auf diesem Wege im Sinne einer Selbstverwaltung der
Wirtschaft auch über das Gebiet der Lohn- und Arbeitsbedingungen hinaus
dauernd mit den Unternehmerorganisationen zusammen zu wirken. Eine
staatliche Aufsicht über solche Gemeinschaftsarbeit der freien Organisationen
der Wirtschaft könnte ihr unter Umständen durchaus förderlich sein, ihren
Wert erhöhen und ihre Durchführung erleichtern.
Die Gewerkschaften beanspruchen nicht, auf
die Politik des Staates unmittelbar einzuwirken. Ihre Aufgabe in dieser
Hinsicht kann nur sein, die berechtigten Wünsche der Arbeiterschaft in
bezug auf sozial- und wirtschaftspolitische Maßnahmen der Regierung und
Gesetzgebung zuzuleiten sowie der Regierung und dem Parlament mit ihren
Kenntnissen und Erfahrungen auf diesen Gebieten dienlich zu sein.
Die Gewerkschaften beanspruchen für sich
kein Monopol. Über der Form der Organisation steht die Wahrung der
Arbeiterinteressen. Eine wahre Gewerkschaft kann sich aber nur auf
freiwilligem Zusammenschluß der Mitglieder gründen, sie muß von den Unternehmern
ebenso wie von politischen Parteien unabhängig sein.
Berlin, 20. März 1933.
Der Vorstand des Allgemeinen Deutschen
Gewerkschaftsbundes.
|
|
Adolf Hitler,
23. März 1933 (Auszüge)
|
•
|
Regierungserklärung[11]:
Um die Regierung in die Lage zu versetzen,
die Aufgaben zu erfüllen, die innerhalb dieses allgemein gekennzeichneten
Rahmens liegen, hat sie im Reichstag durch die beiden Parteien der
Nationalsozialisten und der Deutschnationalen das Ermächtigungsgesetz einbringen
lassen. Ein Teil der beabsichtigten Maßnahmen erfordert die
verfassungsändernde Mehrheit. Die Durchführung dieser Aufgaben bzw. ihre
Lösung ist notwendig. Es würde dem Sinn der nationalen Erhebung
widersprechen und dem beabsichtigten Zweck nicht genügen, wollte die
Regierung sich für ihre Maßnahmen von Fall zu Fall die Genehmigung des
Reichstags erhandeln und erbitten. Die Regierung wird dabei nicht von der
Absicht getrieben, den Reichstag als solchen aufzuheben; im Gegenteil, sie
behält sich auch für die Zukunft vor, ihn von Zeit zu Zeit über ihre
Maßnahmen zu unterrichten oder aus bestimmten Gründen, wenn zweckmäßig,
auch seine Zustimmung einzuholen. Die Autorität und damit die Erfüllung der
Aufgaben der Regierung würden aber leiden, wenn im Volke Zweifel an der
Stabilität des neuen Regiments entstehen könnten. Sie hält vor allem eine
weitere Tagung des Reichstags im heutigen Zustand der tiefgehenden Erregung
der Nation für unmöglich. Es ist kaum eine Revolution von so großem Ausmaß
so diszipliniert und unblutig verlaufen wie die der Erhebung des deutschen
Volks in diesen Wochen. Es ist mein Wille und meine feste Absicht, für
diese ruhige Entwicklung auch in Zukunft zu sorgen. Allein um so nötiger
ist es, daß der nationalen Regierung jene souveräne Stellung gegeben wird,
die in einer solchen Zeit allein geeignet ist, eine andere Entwicklung zu
verhindern. Die Regierung beabsichtigt dabei, von diesem Gesetz nur
insoweit Gebrauch zu machen, als es zur Durchführung der lebensnotwendigen
Maßnahmen erforderlich ist. Weder die Existenz des Reichstages noch des
Reichsrates soll dadurch bedroht sein. Die Stellung und die Rechte des
Herrn Reichspräsidenten bleiben unberührt; die innere Übereinstimmung mit
seinem Willen herbeizuführen, wird stets die oberste Aufgabe der Regierung
sein. Der Bestand der Länder wird nicht beseitigt. Die Rechte der Kirchen
werden nicht geschmälert, ihre Stellung zum Staate nicht geändert.
Da die Regierung an sich über eine klare
Mehrheit verfügt, ist die Zahl der Fälle, in denen eine innere
Notwendigkeit vorliegt, zu einem solchen Gesetz die Zuflucht zu nehmen, an
sich eine begrenzte. Um so mehr aber besteht die Regierung der nationalen
Erhebung auf der Verabschiedung dieses Gesetzes. Sie zieht in jedem Falle
eine klare Entscheidung vor. Sie bietet den Parteien des Reichstags die
Möglichkeit einer ruhigen deutschen Entwicklung und einer sich daraus in
der Zukunft anbahnenden Verständigung; sie ist aber ebenso entschlossen und
bereit, die Bekundung der Ablehnung und damit die Ansage des Widerstandes
entgegenzunehmen.
Mögen Sie, meine Herren, nunmehr selbst die
Entscheidung treffen über Frieden oder Krieg.
Erwiderung auf die Rede von Otto Wels[12]:
Dem deutschen Arbeiter werden wir
Nationalsozialisten von jetzt ab die Bahn freimachen zu dem, was er fordern
und verlangen kann. Wir Nationalsozialisten werden seine Fürsprecher sein;
Sie, meine Herren (zu den Sozialdemokraten), sind nicht mehr benötigt.
|
|
•
|
[13]:
Ein Freiheitskampf war angebrochen, wie die
Erde noch keinen gewaltigeren bisher gesehen; denn sowie das Verhängnis
seinen Lauf auch nur begonnen hatte, dämmerte auch schon den breitesten
Massen die Überzeugung auf, daß es sich dieses Mal nicht um Serbiens oder
auch Österreichs Schicksal handelte, sondern um Sein oder Nichtsein der
deutschen Nation. Zum letzten Male auf viele Jahre war das Volk
hellseherisch über seine eigene Zukunft geworden. So kam auch gleich zu
Beginn des ungeheueren Ringens in den Rausch einer überschwenglichen
Begeisterung der nötige ernste Unterton; denn diese Erkenntnis allein ließ
die nationale Erhebung mehr werden als ein bloßes Strohfeuer.
[14]:
Auf Grund des Artikels 48 Abs. 2
der Reichsverfassung wird folgendes verordnet: § 1 Für Straftaten,
die im Kampfe für die nationale Erhebung des Deutschen Volkes, zu ihrer
Vorbereitung oder im Kampfe für die deutsche Scholle begangen sind, wird
Straffreiheit gewährt.
|
|
Otto Wels,
23. März 1933[15]
|
•
|
Meine Damen und Herren! Der
außenpolitischen Forderung deutscher Gleichberechtigung, die der Herr
Reichskanzler erhoben hat, stimmen wir Sozialdemokraten um so
nachdrücklicher zu, als wir sie bereits von jeher grundsätzlich verfochten
haben. Ich darf mir wohl in diesem Zusammenhang die persönliche Bemerkung
gestatten, daß ich als erster Deutscher vor einem internationalen Forum,
auf der Berner Konferenz am 3. Februar des Jahres 1919, der Unwahrheit
von der Schuld Deutschlands am Ausbruch des Weltkrieges entgegengetreten
bin. Nie hat uns irgendein Grundsatz unserer Partei daran hindern können
oder gehindert, die gerechten Forderungen der deutschen Nation gegenüber
den anderen Völkern der Welt zu vertreten.
Der Herr Reichskanzler hat auch vorgestern
in Potsdam einen Satz gesprochen, den wir unterschreiben. Er lautet:
"Aus dem Aberwitz der Theorie von ewigen Siegern und Besiegten kam der
Wahnwitz der Reparationen und in der Folge die Katastrophe der
Weltwirtschaft." Dieser Satz gilt für die Außenpolitik; für die
Innenpolitik gilt er nicht minder. Auch hier ist die Theorie von ewigen
Siegern und Besiegten, wie der Herr Reichskanzler sagte, ein Aberwitz.
Das Wort des Herrn Reichskanzlers erinnert
uns aber auch an ein anderes, das am 23. Juli 1919 in der Nationalversammlung
gesprochen wurde. Da wurde gesagt: "Wir sind wehrlos, wehrlos ist aber
nicht ehrlos. Gewiß, die Gegner wollen uns an die Ehre, daran ist kein
Zweifel. Aber daß dieser Versuch der Ehrabschneidung einmal auf die Urheber
selbst zurückfallen wird, da es nicht unsere Ehre ist, die bei dieser
Welttragödie zugrunde geht, das ist unser Glaube bis zum letzten
Atemzug." Das steht in einer Erklärung, die eine sozialdemokratisch
geführte Regierung damals im Namen des deutschen Volkes vor der ganzen Welt
abgegeben hat, vier Stunden bevor der Waffenstillstand abgelaufen war, um
den Weitervormarsch der Feinde zu verhindern. Zu dem Ausspruch des Herrn
Reichskanzlers bildet jene Erklärung eine wertvolle Ergänzung.
Aus einem Gewaltfrieden kommt kein Segen;
im Innern erst recht nicht. Eine wirkliche Volksgemeinschaft läßt sich auf
ihn nicht gründen. Ihre erste Voraussetzung ist gleiches Recht. Mag sich
die Regierung gegen rohe Ausschreitungen der Polemik schützen, mag sie
Aufforderungen zu Gewalttaten selbst mit Strenge verhindern. Das mag
geschehen, wenn es nach allen Seiten gleichmäßig und unparteiisch
geschieht, und wenn man es unterläßt, besiegte Gegner zu behandeln, als
seien sie vogelfrei. Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre
nicht.
Nach den Verfolgungen, die die
Sozialdemokratische Partei in der letzten Zeit erfahren hat, wird
billigerweise niemand von ihr verlangen oder erwarten können, daß sie für
das hier eingebrachte Ermächtigungsgesetz stimmt. Die Wahlen vom 5. März
haben den Regierungsparteien die Mehrheit gebracht und damit die
Möglichkeit gegeben, streng nach Wortlaut und Sinn der Verfassung zu
regieren. Wo diese Möglichkeit besteht, besteht auch die Pflicht. Kritik
ist heilsam und notwendig. Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstag
gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die
gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es
jetzt geschieht, und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr
geschehen soll. Eine solche Allmacht der Regierung muß sich um so schwerer
auswirken, als auch die Presse jeder Bewegungsfreiheit entbehrt.
Meine Damen und Herren! Die Zustände, die
heute in Deutschland herrschen, werden vielfach in krassen Farben
geschildert. Wie immer in solchen Fällen fehlt es auch nicht an
Übertreibungen. Was meine Partei betrifft, so erkläre ich hier: wir haben
weder in Paris um Intervention gebeten, noch Millionen nach Prag
verschoben, noch übertreibende Nachrichten ins Ausland gebracht. Solchen
Übertreibungen entgegenzutreten wäre leichter, wenn im Inlande eine
Berichterstattung möglich wäre, die Wahres vom Falschen scheidet. Noch
besser wäre es, wenn wir mit gutem Gewissen bezeugen könnten, daß die volle
Rechtssicherheit für alle wiederhergestellt sei. Das, meine Herren, liegt bei
Ihnen.
Die Herren von der Nationalsozialistischen
Partei nennen die von ihnen entfesselte Bewegung eine nationale Revolution,
nicht eine nationalsozialistische. Das Verhältnis ihrer Revolution zum
Sozialismus beschränkt sich bisher auf dem Versuch, die sozialdemokratische
Bewegung zu vernichten, die seit mehr als zwei Menschenaltern die Trägerin
sozialistischen Gedankengutes gewesen ist und auch bleiben wird. Wollten
die Herren von der Nationalsozialistischen Partei sozialistische Taten
verrichten, sie brauchten kein Ermächtigungsgesetz. Eine erdrückende
Mehrheit wäre Ihnen in diesem Hause gewiß. Jeder von Ihnen im Interesse der
Arbeiter, der Bauern, der Angestellten, der Beamten oder des Mittelstandes
gestellte Antrag könnte auf Annahme rechnen, wenn nicht einstimmig, so doch
mit gewaltiger Majorität.
Aber dennoch wollen Sie vorerst den
Reichstag ausschalten, um ihre Revolution fortzusetzen. Zerstörung von
Bestehendem ist aber noch keine Revolution. Das Volk erwartet positive
Leistungen. Es wartet auf durchgreifende Maßnahmen gegen das
Wirtschaftselend, das nicht nur in Deutschland, sondern in aller Welt
herrscht.
Wir Sozialdemokraten haben in schwerster
Zeit Mitverantwortung getragen und sind dafür mit Steinen bewerten worden.
Unsere Leistungen für den Wiederaufbau von Staat und Wirtschaft, für die
Befreiung der besetzten Gebiete werden vor der Geschichte bestehen. Wir
haben gleiches Recht für alle und ein soziales Arbeitsrecht geschaffen. Wir
haben geholfen, ein Deutschland zu schaffen, in dem nicht nur Fürsten und
Baronen, sondern auch Männern aus der Arbeiterklasse der Weg zur Führung
des Staates offensteht. Davon können Sie nicht zurück, ohne Ihren eigenen
Führer preiszugeben.
Vergeblich wird der Versuch bleiben, das
Rad der Geschichte zurückzudrehen. Wir Sozialdemokraten wissen, daß man
machtpolitische Tatsachen durch bloße Rechtsverwahrungen nicht beseitigen
kann. Wir sehen die machtpolitische Tatsache Ihrer augenblicklichen
Herrschaft. Aber auch das Rechtsbewußtsein des Volkes ist eine politische Macht,
und wir werden nicht aufhören, an dieses Rechtsbewußtsein zu appellieren.
Die Verfassung von Weimar ist keine
sozialistische Verfassung. Aber wir stehen zu den Grundsätzen des
Rechtsstaates, der Gleichberechtigung, des sozialen Rechtes, die in ihr
festgelegt sind. Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser
geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und
der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein
Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar
sind, zu vernichten. Sie selbst haben sich ja zum Sozialismus bekannt. Das
Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Auch aus neuen
Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen.
Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten.
Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue
verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht
verbürgen eine hellere Zukunft.
|
|
•
|
Wels [16]
gegen jede wie auch immer geartete Kundgebung
in der Einheitsfront mit den Kommunisten
|
|
Anton Erkelenz an
Adam Stegerwald (Auszüge)[17]
|
•
|
daß die drei alten Gewerkschaftsrichtungen
sich von sich aus verschmelzen und sich dann der Regierung als
Einheitsgewerkschaft präsentieren. [...] Wenn die Gewerkschaften selber die
Umformung zur Einheitsgewerkschaft in die Hand nehmen, können sie vielleicht
erreichen, daß diese Einheitsgewerkschaft eine freiwillige Gewerkschaft im
bisherigen Sinne bleiben wird, daß also keine staatliche Zwangsgewerkschaft
daraus wird.
|
|
Bericht Sitzung
Bundeszuschuß ADGB, 5. April 1933[18]
|
•
|
Der Bundeszuschuß des ADGB hat sich am
5. April in eingehenden Beratungen mit der gegenwärtigen Lage und den
aus ihr sich ergebenden Aufgaben der Gewerkschaften beschäftigt.
Leipart berichtete einleitend über die
Entwicklung der letzten Wochen und die Maßnahmen des Bundesvorstandes. Die
Diskussion über die Stellung der Gewerkschaften im neuen Staat ist in
vollem Gange. Es besteht aber bisher noch keine Klarheit über die künftige
Organisationsform der Gewerkschaften und die Abgrenzung ihrer Befugnisse.
Der Bundesvorstand hat in seiner Erklärung vom 20. März und in wiederholten
Mitteilungen gegenüber den Regierungsstellen zu erkennen gegeben, daß er
nur eine Richtschnur seines Handelns kennt, die wirtschaftlichen und
sozialen Interessen des arbeitenden Volkes zu fördern.
Trotzdem die Gewerkschaften, wie in den
ganzen Jahrzehnten ihrer Wirksamkeit so auch in diesen Wochen, nur dieser
Aufgabe sich widmeten, wurde in zahlreichen Fällen ihr Eigentum und ihre
Einrichtungen Angriffen ausgesetzt und die Tätigkeit ihrer Funktionäre
behindert. Die Gewerkschaften haben ein Recht auf den Schutz des Staates.
Sie haben es um so mehr, als ihre politische Haltung und ihre Tätigkeit zu
gewalttätigem Vorgehen gegen sie keinerlei Veranlassung bot. Sie haben
daher in allen Fällen sich an die zuständigen Stellen gewandt, um zu
erreichen, daß wieder geordnete Verhältnisse geschaffen und die Übergriffe
unterbunden werden. Die Gewerkschaften sind des Glaubens, daß jede deutsche
Regierung die nationale Wirksamkeit der Gewerkschaften anerkennen müßte,
auf die wir unseren Stolz setzen. Ihre Geschichte ist die Mobilmachung
bisher unerschlossener deutscher Volkskräfte für den Aufbau einer sozialen
Lebensordnung, die die geistigen und rechtlichen Grundlagen schuf für die
innere Geschlossenheit der Nation. Der Wert dieser nationalen
Erziehungsarbeit trat besonders eindeutig in Erscheinung in den
schicksalsschweren Zeiten des Weltkrieges. Aber auch in jeder Krise der
Nachkriegszeit waren die Gewerkschaften ebenso die Träger und Vorkämpfer
des Einheitswillens des deutschen Volkes wie des Kampfes um seine
Unabhängigkeit. Unsere gesamte Tätigkeit bedeutete stets den freiwilligen
Einsatz der Arbeiterschaft für das Ganze des Volkes.
In der Debatte wurde von allen
Verbandsvertretern der Überzeugung Ausdruck gegeben, daß im Interesse der
gedeihlichen Entwicklung der deutschen Wirtschaft die in jahrzehntelanger
opfervoller Arbeit und mit großer Erfahrung aufgebauten Organisationen und
Einrichtungen die Träger der deutschen Gewerkschaftsbewegung bleiben
müßten. Einer Vereinheitlichung des deutschen Gewerkschaftswesens würde der
ADGB um so bereitwilliger zustimmen, als er selbst schon in früherer Zeit
wie auch in den letzten Jahren dahingehende Bestrebungen unterstützt und
selbst angeregt habe. Er würde jederzeit bereit sein, an dieser großen
Aufgabe mitzuwirken.
Der Kampf für die Rechte der Arbeiterschaft
im Staate, für die Steigerung ihres Anteils an dem gemeinsam erarbeiteten
Ertrag der deutschen Wirtschaft, für die freie Selbstverwaltung der
Arbeitskraft war niemals ein Kampf gegen die Lebensgrundlagen des Staates
oder der Wirtschaft. Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft in den
Jahrzehnten vor dem Kriege, die reibungslose Organisation der
Kriegswirtschaft, der Neuaufbau der Wirtschaft nach dem Kriege und die
Sicherung ihres Bestandes vor unabsehbaren Katastrophen in der Krise der
letzten Jahre wären undenkbar gewesen ohne die gewerkschaftliche Erziehung
der deutschen Arbeiter zu geistiger Selbständigkeit, sozialem
Verantwortungsgefühl und kameradschaftlicher Solidarität.
Die Gewerkschaften glauben daher ein
Anrecht darauf zu haben, daß ihre geschichtliche Leistung gerade von der
Regierung anerkannt wird, die sich das große und auch von den
Gewerkschaften anerkannte Ziel setzt, die innere und äußere Freiheit der
Nation auf die schöpferischen Kräfte des ganzen Volkes zu gründen.
Diese Zeit der Unklarheit über die Zukunft
der Gewerkschaften stellt an die Einsicht und Disziplin der organisierten
Arbeiter außerordentliche Anforderungen. Aber die Gewerkschaften erwarten
trotzdem von ihren Mitgliedern, daß sie der Organisation die Treue wahren
und sich durch die Ungewißheit über die künftige Gestaltung des
Gewerkschaftsrechts nicht beirren lassen. Die Arbeiter können darauf bauen,
daß der Bundesvorstand und die Verbände nichts unversucht lassen, um die
Rechte der Arbeiterschaft zu sichern.
Der Bundeszuschuß sprach dem Bundesvorstand
einmütig das Vertrauen aus und beauftragte ihn, seine Bemühungen
fortzusetzen, das Lebensrecht der Gewerkschaften auch in dem neuen Staat zu
wahren, weil es im Interesse der Arbeiterschaft und des ganzen Volkes eine
soziale Notwendigkeit ist.
|
|
•
|
(Text ►.)
die nicht arischer Abstammung sind
die nach ihrer bisherigen politischen
Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für
den nationalen Staat eintreten
|
|
•
|
[19]
Gleichschaltung der bestehenden
Beamtenorganisationen
Zusammenschluß von Beamten in der Form von
Gewerkschaften
|
|
Erklärung
Bundesleitung des Deutschen Beamtenbundes, 2. März 1933[20]
|
•
|
Die Bundesleitung des Deutschen
Beamtenbundes ist überzeugt, die Meinung der gesamten deutschen
Berufsbeamten wiederzugeben, wenn sie ihren tiefsten Abscheu über das
ungeheure Verbrechen, die Brandstiftung im Reichstagsgebäude, zum Ausdruck
bringt, Sie steht hinter den Mahnahmen der Reichsregierung und der
Landesregierungen, die der Ahndung dieses Verbrechens und der Verhinderung
ähnlicher Vorgänge dienen. Die Bundesleitung des Deutschen Beamtenbundes
fordert alle Mitglieder auf, nach altbewährter Tradition als Beamte und
Staatsbürger mitzuhelfen, Ruhe und Ordnung zu bewahren,
|
|
Erklärung
Bundeszuschuß ADGB, 9. April 1933[21]
|
•
|
Getreu seiner Aufgabe , am Aufbau einer
sozialen Ordnung des deutschen Volkes mitzuwirken , in der die Lebensrechte
der Arbeiterschaft entsprechend ihrer Bedeutung für das Volksganze in Staat
und Wirtschaft gesichert sind, erklärt sich der Allgemeine Deutsche
Gewerkschaftsbund bereit, die von den Gewerkschaften in jahrzehntelanger
Wirksamkeit geschaffene Selbstverwaltungsorganisation der Arbeitskraft in
den Dienst des neuen Staates zu stellen. Die Gewerkschaften erkennen nach
wie vor an, daß ihre eigene Bewegungsfreiheit ihre Grenzen finden muß an
dem höheren Recht des Staates als Repräsentanten der gesamten
Volksgemeinschaft. Der Staat muß das Recht haben, ordnend und regelnd in
die Wirtschaft einzugreifen; es ist seine Aufgabe, [eine
Wirtschaftsverfassung zu schaffen,] die die Wirtschaftsführung an
gesamtwirtschaftliche Verpflichtungen bindet, weil nur auf diesem Wege die
Einheit von Staats- und Wirtschaftsführung möglich ist. Die Gewerkschaften
sind daher bereit, an dem von der Regierung geplanten berufsständischen
Aufbau der deutschen Wirtschaft mitzuarbeiten in der Überzeugung, daß die
Regierung ebenso, wie sie das Primat des Reiches gegenüber den Ländern
entschieden behauptet, auch das höhere Recht der Gesamtwirtschaft gegenüber
allen Zersplitterungstendenzen durchsetzen wird. Der ADGB begrüßt die
Bestrebungen, eine Vereinheitlichung des deutschen Gewerkschaftswesens
herbeizuführen. Er wird daher dem neuen Staat bei seinem Bestreben, diese
Vereinheitlichung durchzuführen, seine Mitarbeit und seine Erfahrung gern
zur Verfügung stellen. Aus dieser Neuordnung des Gewerkschaftsrechts ergibt
sich als notwendige Folgerung eine neue Regelung des staatlichen
Aufsichtsrechts über die Selbstverwaltung der Arbeitskraft. Um eine
einheitliche Durchführung der von der Regierung geplanten Maßnahmen
sicherzustellen, um eine geregelte Wirksamkeit der Gewerkschaften wieder zu
ermöglichen und der deutschen Arbeiterschaft wie der deutschen Wirtschaft
das Gefühl der Sicherheit wiederzugeben, das im Interesse des Volksganzen notwendig
ist, empfiehlt der Bundesausschuß des ADGB die Einsetzung eines
Reichskommissars für die Gewerkschaften.
|
|
Manifest DBB,
17. März 1933 (Auszüge) [22]
|
•
|
Der Deutsche Beamtenbund als die
überparteiliche Berufsorganisation der deutschen Beamten wird bei dem
staatlichen und wirtschaftlichen Neubau des Reiches tatkräftig mitarbeiten,
getreu seinem Programmsatz, daß das Allgemeinwohl den Einzelinteressen voranzugehen
hat. Der Deutsche Beamtenbund dankt der Reichsregierung dafür, daß sie
unmißverständlich alle eigenmächtigen und ungesetzlichen Eingriffe in den
Gang der öffentlichen Verwaltung untersagt hat, um damit Recht und Ordnung
zu sichern. Für den deutschen Berufsbeamten kann es nichts anderes geben,
als daß er sich willig und mit voller Hingabe zur Verfügung stellt und die
Regierung durch treue Pflichterfüllung unterstützt!
|
|
Resolution IGB
"Kampf dem Faschismus"[23]
|
•
|
Der Bund bekämpft aufs Schärfste den
Faschismus und die Diktatur in jeder Form. Faschismus bedeutet die
Verneinung der Demokratie und zieht unweigerlich die Unterdrückung der
Freiheiten des Volkes nach sich.
Der Krieg und die Weltwirtschaftskrise
haben Zustände in Deutschland heraufbeschworen, die unsere deutschen
Kollegen unermüdlich zu mildern versuchten. Dadurch haben sie sich die
Achtung der Arbeiter in den anderen Ländern erworben. Sie glaubten, eine
Gesundung mit den Mitteln der Vernunft und der Überzeugung erreichen zu
können.
Es ist eine der großen geschichtlichen
Tragödien, daß in Deutschland, das zu einem so hohen Stand der Kultur
aufgestiegen ist, im Namen der deutschen Nation Gewalttaten begangen
werden, die die Welt mit Schrecken erfüllen.
Die Kommunisten haben durch ihre Betätigung
und ihre verlogene Propaganda bewußt die Kräfte der Arbeiterklasse
zersplittert und dadurch die Widerstandskraft geschwächt.
Das Umsichgreifen des Faschismus, der sich
jetzt Deutschlands bemächtigt hat, ist eine ernste Warnung an alle Arbeiter
geworden. Sie müssen alle Schritte unternehmen, um das Aufkommen des
Faschismus dort zu verhindern, wo die Demokratie noch besteht. Eine der
besten Garantien für Freiheit, Frieden und Demokratie ist eine unabhängige
und ungehinderte Gewerkschaftsbewegung.
Dem arbeitenden Volk Deutschlands bekunden
wir in seiner Schicksalsstunde unser Mitgefühl. Wir versichern den
Arbeitern Deutschlands, daß sie jederzeit vertrauensvoll auf die
Solidarität des Internationalen Gewerkschaftsbundes rechnen können.
Alle, die die Freiheit lieben, müssen zum
Kampf gegen den Faschismus und seine Gefahren aufgerufen werden - zu einem
Kampf mit Wort und Schrift, durch Organisation und Erziehungsarbeit sowie
mit jedem geeigneten wirtschaftlichen und politischen Mittel.
|
|
Treffen ADGB und
NSBO, 13. April 1933 (Auszüge)[24]
|
•
|
Theodor Leipart:
Sie wissen, daß wir alle Sozialdemokraten
sind, die ein Leben lang gekämpft und gelitten haben. Wir stehen zu unseren
seitherigen Auffassungen. Ihre Partei hat in der letzten Zeit ehrliche
Kämpfer aus unseren Reihen öffentlich herabgewürdigt und diffamiert. [...] Sorgen
Sie dafür, daß nun endlich zahlreiche Überfälle auf unsere Mitglieder
unterbleiben, die drangsaliert, mißhandelt, zu Tode geprügelt werden. [...]
Sie haben unser Eigentum zerstört. Noch heute sind 43 Gewerkschaftshäuser
besetzt und damit die Gewerkschaften an der Ausübung ihrer
sozialpolitischen Arbeit gehindert. Sie haben die Absicht, nun auch noch
die Gewerkschaften zu zerschlagen. Wenn Adolf Hitler seine erste Rede an
das deutsche Volk nach der Regierungsübernahme als Reichskanzler und nicht
als Parteimann gehalten hätte und wenn die nationalistischen Minister,
besonders Herr Göring, weniger zur Gewalt aufgefordert hätten, dann hätten
die Gewerkschaften auch zu dieser Regierung gestanden. Wir müssen es
ablehnen, Verräter unserer Sache zu sein, denn es ist unser Lebenswerk.
[...]
Wilhelm Leuschner:
An Ihrem Vorschlag interessiert uns die
Einheitsgewerkschaft und Ihre Erklärung, die Gewerkschaften nicht
zerschlagen zu wollen. Ob daraus etwas wird, hängt davon ab, ob Sie
großzügig sein werden. Jede Unduldsamkeit und jeder Zwang müßte[n] das
Gegenteil erreichen.
|
|
Aufruf Bundeszuschuß ADGB, 15. April 1933[25]
|
•
|
An die Mitglieder
der Gewerkschaften!
Kollegen und Kolleginnen!
Im Zeichen des 1. Mai habt ihr
alljährlich euch zu der großen Aufgabe bekannt, in der deutschen
Arbeiterschaft den hohen Gedanken der gegenseitigen Hilfe durch Erziehung
zu Standesbewußtsein, Gemeinschaftswillen und Kameradschaftsgeist
unermüdlich zu wecken, zu pflegen und zu fördern, wie er in unseren
Gewerkschaften seinen organisatorischen Ausdruck gefunden hat.
Am Tage des 1. Mai erglühte stets
erneut das Bekenntnis der von leidenschaftlichem Kulturwillen beseelten
deutschen Arbeiter, den werktätigen Menschen seinem dumpfen Arbeitsdasein
zu entreißen und ihn als freie selbstbewußte Persönlichkeit in die
Gewerkschaft des Volkes einzuordnen.
So habt Ihr im Zeichen des 1. Mai euch
den gesetzlichen Achtstundentag, das Recht auf menschenwürdige Existenz
erobert.
Wir begrüßen es, daß die Reichsregierung
diesen unseren Tag zum gesetzlichen Feiertag der nationalen Arbeit, zum
deutschen Volksfeiertag erklärt hat.
An diesem Tage soll nach der amtlichen
Ankündigung der deutsche Arbeiter im Mittelpunkt der Feier stehen.
Der deutsche Arbeiter soll am l. Mai
standesbewußt demonstrieren, soll ein vollberechtigtes Mitglied der
deutschen Volksgemeinschaft werden. Das deutsche Volk soll an diesem Tage
seine unbedingte Solidarität mit der Arbeiterschaft bekunden.
Kollegen und Kolleginnen in Stadt und Land!
Ihr seid die Pioniere des Maigedankens. Denkt immer daran und seid stolz
darauf.
In herzlicher Kameradschaft mit euch allen
unerschütterlich verbunden, senden wir euch zu diesem Tage unseren
gewerkschaftlichen Gruß.
Berlin, 15. April 1933.
Der Bundesvorstand des Allgemeinen
Deutschen Gewerkschaftsbundes
|
|
Gewerkschafts-Zeitung: Adolf Dünnebacke, "Arbeiterschaft und nationale
Revolution", 43. Jahrgang, Nr 15, 15. April 1933[26]
|
•
|
Die deutsche Revolution, die weder am
5. März 1933 noch am 20. Juli 1932, sondern im November 1918
begann, ist in ein neues Stadium getreten. Die erste Etappe, die Weimarer
Republik, war bestimmt von drei Aufgaben: den verlorenen Krieg zu
liquidieren, den Bolschewismus abzuwehren und aus der zerstörten Ordnung zu
retten, was zu retten war. Auch bei einer günstigeren wirtschaftlichen
Entwicklung wäre die Last dieser Aufgaben schwer genug gewesen; die
Wirtschaftskrise mußte sie unerträglich machen. Keine Partei hätte ohne
stärksten Verlust an Kraft und Ansehen diese Belastung ertragen können; die
Sozialdemokratie, nach dem verlorenen Kriege zur Herrschaft berufen ‑ eine
Berufung, der sich keine Partei jemals entziehen kann ‑, mußte
unter der Last einer allzu lange getragenen, für eine Massenpartei doppelt
schweren Verantwortung zusammenbrechen. Dabei mag man in manchen
Einzelmaßnahmen eine politische Schuld sehen, in der gesamten Entwicklung
war es unerbittliches, tragisches Schicksal. Parteien kommen, vergehen und
kehren in neuer Gestalt wieder. Das Volk bleibt und will ernährt werden.
Die Nation besteht und muß erhalten bleiben. Die Arbeit ist, immer und
ewig, die Grundlage der Gesellschaft, der Nation, des Volkes oder wie immer
man die menschliche Gemeinschaft abgrenzen will. Die Arbeiterschaft ist die
breite Grundlage der Nation, ohne die weder eine friedliche Entfaltung noch
eine kriegerische Auseinandersetzung der Nation ‑ wie der große
Krieg gelehrt hat ‑ möglich ist. Beides, die friedliche
Entwicklung wie die gewaltsame Lösung, liegen im Schoße der nächsten
Zukunft verborgen. Jede Nation, die dieser Zukunft entgegengeht in dem
Willen, zu bestehen und sich zu behaupten, muß sich auf die breite Basis
des schaffenden Volkes stützen können. Arbeit und Arbeiterschaft aber sind
zunächst nur soziale Tatbestände; zum nationalpolitischen Faktor werden sie
erst durch organisatorische Bindung, durch ihre Berufsvertretungen. Man
erinnere sich, daß die Haltung der deutschen Arbeiterschaft beim Ausbruch
des großen Krieges 1914 zunächst unsicher, abwartend, differenziert war.
Erst die Stellungnahme der Spitzenverbände, der damaligen Generalkommission
der Gewerkschaften, gab der schwankenden Massenstimmung die einheitliche
Willensrichtung. So vollzog sich »das deutsche Wunder«, die überwältigende
Einmütigkeit eines Volkes, die nicht wenig zu den strategischen Erfolgen
beitrug und verhinderte, daß Deutschland einfach überrannt wurde. Der
zweite Fall, in dem die Entscheidung der Arbeiterschaft das Schicksal der
Nation bestimmte, wurde 1918 durch die Parole gegeben: "Sozialismus
ist Arbeit!" Diese später besonders von kommunistischer Seite viel
verlästerte Kundgebung wird auch heute von Jüngeren mißverstanden. Sie ist
nur zu begreifen aus der damaligen Zeitlage heraus und bedeutet nicht mehr
und nicht weniger, als daß die grundsätzliche Forderung der Sozialisierung
angesichts der Lebensmittelnot, die zu einer Hungersnot zu werden drohte,
zurückgestellt wurde. Noch einmal bot der Ruhrabwehrkampf ein ähnliches
Beispiel der Verleugnung von Klasseninteressen um der Nation willen. Wir
waren damals an der Ruhr noch ganz im Banne des Kampfes gegen Cuno, dessen
Politik gerade in den gefährdeten Gebieten auf stärkste Ablehnung stieß.
Beim Einmarsch der Franzosen wiederholte sich im kleinen das Bild von 1914
in gefährlichster Zuspitzung: die Massen schwankten richtungslos zwischen
separatistischen und kommunistischen Parolen hin und her. Erst die
Stellungnahme der Gewerkschaften vollzog die Schwenkung der innerpolitisch
gegensätzlichen Kräfte auf das gemeinsame außenpolitische Ziel. Diese
Tatsachen werden hier nicht aufgezählt um einer nachträglichen
Rechtfertigung willen. Von einem Teil der nationalen Bewegung werden sie
anerkannt; wo man es noch an dieser Anerkennung fehlen läßt, wird die
Geschichte das Urteil korrigieren. Hier kam es uns lediglich darauf an,
einige Beweise für unsere Feststellung beizubringen, die Feststellung, daß
die positive Einstellung der Arbeiterschaft zu gemeinsamen nationalen
Aufgaben nur durch die zentrale, eigene Willensbildung gewährleistet ist.
Diese Funktion kann weder von politischen noch militärischen Apparaten
übernommen werden; sie bleibt vorbehalten jener Organisation, die das Wesen
des Arbeitertums in all seinen wirtschaftlichen, kulturellen und sittlichen
Bereichen umfaßt: der Gewerkschaft. Nun zu den Aufgaben der Gegenwart! Die
Revolution stand seit 1918 unter sozialen Vorzeichen. Ihre wesentliche
Aufgabe war innerpolitischer Natur: die Einordnung der Arbeiterschaft in
den Staat. Die Weimarer Verfassung stellt den Versuch dar, die
sozialistische Arbeiterschaft in eine bürgerliche Demokratie einzuordnen.
Der Versuch ist mißlungen. Die Entwicklung vom freien zum organisierten
Kapitalismus hat die Grundlagen für eine parlamentarische Demokratie
Weimarer Prägung zerstört. Gleichzeitig entstand unter dem außenpolitischen
Druck des Versailler Vertrages eine nationale Gegenbewegung stärksten
Ausmaßes. Die heranwachsende Generation, die vom Kriege nicht viel mehr
wußte, wehrte sich gegen die wirtschaftliche Bedrückung der Reparationen.
Die Diffamierung Deutschlands durch die Behauptung von seiner Alleinschuld
gab der erwachenden nationalen Ideologie immer neuen Zündstoff. Schließlich
mußte die Tatsache, daß Deutschland abgerüstet wurde bis auf den letzten
Buchstaben des Versailler Vertrages, während von der im gleichen Vertrag
versprochenen Abrüstung der Siegermächte keine Rede mehr war, jedes normale
Rechtsempfinden auf das tiefste verletzen. Hier hat die Parteipolitik
versagt, indem sie allzu lange an der Idee der »Verständigung« und
Vertragserfüllung festhielt und übersah, daß Verständigungswille von einer
Seite immer nur Schwäche bedeutet. Damit sind die beiden entscheidenden
Tatsachen der deutschen Gegenwart gekennzeichnet: das Versagen
parlamentarisch-demokratischer Methoden im Innern und eine neue nationale
Bewegung von unbändigem Lebenswillen und Freiheitsdrang, der sich die
Mehrheit des Volkes angeschlossen hat. Das erste ist eine rein negative
Feststellung, das zweite kennzeichnet lediglich eine veränderte geistige
Verfassung des Volkes. Die sachlichen Aufgaben, besonders auf
wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, sind auch nach der nationalen
Erhebung dieselben geblieben: Überwindung der Arbeitslosigkeit, Umbau der
Wirtschaft, Neuordnung der politischen Verfassung nach innen und außen. Ja,
sie sind unter dem Druck der millionenfachen Hoffnungen, die sich an die
nationale Revolution knüpfen, nur noch dringlicher geworden. Ohne die
Lösung dieser Aufgaben bleibt die "Erneuerung der Nation" ein
schönes Schlagwort, nicht mehr. Die willige Mitarbeit der Arbeiterschaft
aber ist die elementarste Voraussetzung für den nationalen Aufbau. Sie ist
weder für die innere Neuordnung noch für den äußeren Schutz der Nation
entbehrlich. Wer diese Mitarbeit haben will, nicht etwa nur als Dekoration,
sondern als politisches Faktum, als reale Größe, die sich einordnen läßt in
die Musterung unserer nationalen Kraftbestände - mit einem offenen Wort:
wer auf die Arbeiterschaft rechnen will in den inneren Auseinandersetzungen
zwischen Kapitalismus und Sozialismus und in allen Situationen der äußeren
Politik, der muß die Berufsorganisationen der Arbeiterschaft anerkennen.
Die Tage vom August 1914, die jetzt so oft gefeiert werden als Gedenktage
der nationalen Einheit, drängen sich wiederum zum Vergleich auf. Damals
erfolgte die Ordnung des Verhältnisses zwischen Staat und Arbeiterschaft
Zug um Zug: am Tage nach der deutschen Kriegserklärung an Rußland, am 2.
August 19 14, wurden durch Beschluß der Verbandsvorstände alle Lohnkämpfe
eingestellt. Der "Burgfrieden" war damit in Kraft getreten.
Unmittelbar darauf erfolgte die Erklärung der Regierung, wodurch der
Bestand und die Arbeit der Gewerkschaften sichergestellt wurden. "Denn
wir sind froh", hieß es wörtlich, "große Organisationen der
Arbeiterklasse zu haben, auf die sich die Regierung stützen kann."
Damals erzwang die Situation rasches, entschlossenes Handeln. Ist dieser
Zwang heute weniger geboten, weil wir von keinem äußeren Feinde unmittelbar
bedroht werden? Glaubt die Regierung bei den innerpolitischen Aufgaben die
Hilfe der Arbeiterschaft entbehren zu können? Erklärungen der
Gewerkschaften aller Richtungen über ihre Stellung zu der neuen Lage liegen
vor. Sie bedeuten nicht nur für die Führer ein Opfer von Idealen. Gerade in
den breiten Massen der Arbeiterschaft lebt eine starke traditionelle Bindung
an humanistische Ideale: Völkerfrieden, Menschheitsglaube, Überwindung der
nationalen und rassischen Grenzen. Wenn manches hiervon der brutalen Not
der Wirklichkeit nicht standgehalten hat, so muß entschlossen die
Konsequenz gezogen und die Wendung vollzogen werden. Sie wird um so rascher
vollzogen werden, je eher die Arbeiterschaft erfährt, daß die »nationale
Erhebung« keine Unterdrückung der Arbeiterschaft bedeutet, daß die
»nationale Revolution« keine antisoziale Revolution sein soll! Wenn diese Klarstellung
erfolgt ist, dann wird die deutsche Revolution auch in ihrer zweiten,
nationalen Phase sich auf die Arbeiterschaft und ihre Berufsvertretungen
stützen können. Eine Zerschlagung der Gewerkschaften oder eine
Beeinträchtigung der freien Willensbildung aber würde den Verdacht wecken,
daß die Arbeiterschaft wieder nur Objekt der Politik sein soll, und damit
die alte Kluft zwischen Staat und Arbeiterschaft in gefährlicher Weise
erneut aufreißen. Wenn hier, um die Entwicklung klar zu kennzeichnen, von einer
sozialen und nationalen Phase der Revolution gesprochen wurde, so ist das
nicht so zu verstehen, als ob die eine auf die andere abrupt folge, als ob
das Nationale das Soziale und umgekehrt ausschließe. Es handelt sich
vielmehr um eine Änderung des Gesichtspunktes, von dem aus eine Bewegung
gesehen wird. Die objektiven Tatbestände bleiben unverändert dieselben:
auch in der sozialen Phase war der nationale Wille wirksam, auch in der
nationalen Phase bleiben die sozialen Spannungen nach wie vor bestehen und
müssen, wenn sie nicht zu eruptiven Entladungen führen sollen, in
gesellschaftlich nützliche Bahnen gelenkt werden. Der soziale Kampf geht
weiter. Nach wie vor stellen Unternehmergruppen, Gewerbezweige,
Standesvertretungen ihre Forderungen an den Staat. Nach wie vor steht der
Arbeiterschaft ein organisiertes Unternehmertum gegenüber, nach wie vor
bleibt das Sozialprodukt knapp und seine Verteilung Gegenstand des Kampfes,
mag sich dieser nun im offenen Konflikt oder in ausgleichender Vermittlung
äußern. Für die Arbeiterschaft ergibt sich aus dieser Sachlage die
Notwendigkeit, fester denn je zusammenzustehen, ihre Organisationen und
ihre Taktik den neuen Erfordernissen anzupassen, aber auf alle Fälle die
gewerkschaftlichen Kräfte zu stärken. Das geschieht nicht nur durch Mehrung
des zahlenmäßigen Mitgliederbestandes; das geschieht auch durch verstärkten
Einsatz der ganzen Persönlichkeit des einzelnen. Der Wille zur Macht, wenn
er nur stark, elastisch und lebendig genug ist, kann Berge von
Mutlosigkeit, Verzagtheit und Mißtrauen versetzen. Aus Sieg und Niederlage
neue Kräfte schöpfen können, das beweist den Lebenswillen und die
Lebenskraft einer Bewegung. Sind wir in der Vergangenheit nicht oft allzu
selbstzufrieden gewesen? Haben wir versäumt, auf das zu achten, was im
Schoße der ewig wirkenden Zukunft neu heranreifte? Sage niemand, zur Kritik
sei nicht die Zeit da. Selbstkritik ist immer notwendig, und wenn sie
fruchtbar ist, wird sie die Gewerkschaften wieder zu jenem Magneten machen,
der alles das anzieht, was in der Arbeiterschaft an wertvollen, aufbauenden
Kräften lebt.
|
|
Tagebuch
Goebbels, 17. April 1933 (Auszüge)[27]
|
•
|
17. April 1933:
Hier oben habe ich mit dem Führer die
schwebenden Fragen eingehend durchgesprochen. Den 1. Mai werden wir zu
einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am
2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt. Gleichschaltung
auch auf diesem Gebiet. Es wird vielleicht ein paar Tage Krach geben, aber
dann gehören sie uns. Man darf hier keine Rücksicht mehr kennen. wir tun
dem Arbeiter nur einen Dienst, wenn wir ihn von der parasitären Führung
befreien, die ihm bisher nur das Leben sauer gemacht hat. Sind die
Gewerkschaften in unserer Hand, dann werden sich auch die anderen Parteien
und Organisationen nicht mehr lange halten können. Jedenfalls ist der
Entschluß gestern auf dem Obersalzberg gefaßt worden. Ein Zurück gibt es
nicht mehr. Man muß den Dingen nur ihren Lauf lassen. In einem Jahr wird
ganz Deutschland in unserer Hand sein.
|
|
Aufruf Bundeszuschuß ADGB, 19. April 1933 (Auszüge)[28]
|
•
|
Der Bundeszuschuß des Allgemeinen deutschen
Gewerkschaftsbundes begrüßt den 1. Mai 1933 als gesetzlichen Feiertag
der nationalen Arbeit und fordert die Mitglieder der Gewerkschaften auf, im
vollen Bewußtsein ihrer Pionierdienste für den Maigedanken, für die Ehrung
der schaffenden Arbeit und für die vollberechtigte Eingliederung der
Arbeiterschaft in den Staat sich allerorts an der von der Regierung
veranlaßten Feier festlich zu beteiligen.
Der Bundeszuschuß erinnert in diesem
Zusammenhang die Regierung und die gesamte Öffentlichkeit erneut an die
Notlage der arbeitslosen Massen und spricht die Erwartung aus, daß die
Regierung die gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit auf
40 Wochenstunden ohne Verdienstschmälerung für die Arbeiter baldigst
durchführen möge.
Ebenso dringlich ist es, daß die Bemühungen
der Regierung um Arbeitsbeschaffung und Siedlung mit allem Nachdruck weiter
gefördert werden Die Gewerkschaften sind nach wie vor bereit, diese
Bemühungen mit allen Kräften zu unterstützen.
|
|
Vorstand
Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands, 21. April
1933[29]
|
•
|
Die Reichsregierung hat den 1. Mai als
Tag der Arbeit zum nationalen Feiertag erhoben. Sie will damit den früheren
umstrittenen Kampf- und Demonstrationscharakter des Tages auslöschen. Sie
will den Tag der Ehre und dem Adel deutscher Arbeit weihen. Der deutsche
Arbeiter soll sich an diesem Tage stolz bewußt werden, daß Kraft und
Leistung seiner Arbeit vor allem das Leben der Nation tragen. Die in den
christlichen Gewerkschaften vereinigte deutsche Arbeiterschaft begrüßt
diese Tat. Sie ist ihr ein hoffnungsvolles Zeichen dafür, daß sich die
Regierung Hitler zum sozialen deutschen Volkstum bekennt. Daß ihr die
Würdigung der deutschen Arbeit und des deutschen Arbeiters Herzenssache
ist. Damit trifft sie das Sehnen des besten Kernes der deutschen
Arbeiterschaft, wie es in den Gewerkschaften seinen Ausdruck fand. Die
nationale Weihe des 1. Mai an die deutsche Arbeiterschaft stärkt in
uns die Überzeugung, daß über die Hoffnung kapitalistischer Schlaumeier
hinweg der neue deutsche Staat wahrhaft national und wahrhaft sozial sein
will. In dieser Hoffnung und in diesem Vertrauen begehen wir den Feiertag
der deutschen Arbeit. In dieser Hoffnung und in diesem Vertrauen folgen wir
dem Ruf der Regierung zu den Feiern des Tages, zu deren äußerem Rahmen wir
für die christliche Arbeiterschaft die technischen Richtlinien bereits
bekanntgegeben haben.
|
|
Otto Wels,
26. April 1933 (Auszüge)[30]
|
•
|
Es ist verständlich, daß jetzt zu allererst
nach dem Warum und Wieso dieses Unglücks gefragt wird und daß die Ursachen
auch gesucht werden im persönlichen Versagen Einzelner. Wo persönliches
Versagen festgestellt werden kann, müssen die Konsequenzen gezogen werden.
Doch wäre es kurzsichtig, die Ursachen nur in Fehlern einzelner Personen zu
suchen. Wer die Dinge so betrachtet und wer glaubt, alles wäre heute in
bester Ordnung, wenn man seinem Rat gefolgt wäre, der unterschätzt die
tiefen Kräfte, die diesem Weltgeschehen zugrunde liegen. Es war die
Arbeiterklasse selbst, die den ungeheuren Problemen der Zeit noch nicht
gewachsen war, und die sich spaltete, als Einheit mehr geboten war denn je.
[...]
Die Tatsachen der Machtpolitik können unser
taktisches Verhalten beeinflussen, aber niemals können sie etwas an unserer
Gesinnung ändern, es sei denn, daß sie uns in unserer Gesinnung bestärkten.
Eine geistige Unterwerfung und Anpassung darf es für uns nicht geben.
Wir Sozialdemokraten stehen zu den Ideen
des Rechtsstaates, zu der staatsbürgerlichen Freiheit und
Gleichberechtigung, zu den Ideen der Gerechtigkeit und Menschlichkeit.
Echter Sozialismus ist Verwirklichung des Humanitätsideals, ist nicht
denkbar ohne geistige Freiheit, und eine Partei, die aufhören würde, für
das gleiche Recht aller Staatsbürger ohne Unterschied der Konfession und
der Rasse zu kämpfen, würde den Namen Sozialdemokratische Partei
Deutschland nicht mehr tragen dürfen.
Ich kann mir nicht denken, daß die
Kameraden in den Gewerkschaften in diesem entscheidenden Punkte anderer
Meinung sein könnten als wir. Wir haben in den großen Fragen der Weltanschauungen
zusammengestanden und damit der Arbeiterklasse gemeinsam gedient. Sollte
sich da daran etwas ändern, so würde das für jeden von uns ein
erschütterndes Erlebnis sein, aber an unserer Überzeugung ändern würde es
nichts.
Es wäre ein hoffnungsloses Unternehmen,
wenn man das Leben der Organisation durch Preisgabe der Idee zu erkaufen
versuchte. Ist die Idee preisgegeben, dann stirbt auch die Organisation.
Aber wird die Organisation durch Kräfte von außen zerschlagen, dann bleibt
immer noch in Millionen Köpfen und Herzen die Idee, und sie sichert auch
die Wiedergeburt der Organisation.
Noch niemals hat ein Regierungssystem ewig
gedauert.
Die Sozialdemokratie kann auf den
ideologischen Widerstand gegen die heute herrschende Gedankenrichtung nicht
verzichten, das wäre ein Verzicht nicht nur zugunsten des jetzt
herrschenden Systems, sondern auch ein Verzicht zugunsten des Kommunismus.
Weder von dem einen, noch von dem anderen kann die Rede sein. Mögen
einzelne auch versagt haben, die Geschichte unserer Zeit wird von einem
stillen Heldentum der Zehntausende erzählen.
|
|
Resolution
Reichskonferenz SPD, 26. April 1933 (Auszüge)[31][32]
|
•
|
Die Sozialdemokratie beharrt bei der
Überzeugung, daß es ohne geistige Freiheit und staatsbürgerliche
Gleichberechtigung einen wirklichen Sozialismus nicht gibt.
Gesinnungsloses Überläufertum verfällt mit
Recht der allgemeinen Verachtung. Durch unerschütterliches Festhalten an
ihren Grundsätzen und Ausnutzung der gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten
zu ihrer Betätigung dient die Sozialdemokratische Partei Deutschlands der
Nation und dem Sozialismus.
|
|
Abkommen
Führerkreis der vereinigten Gewerkschaften, 28. April 1933[33]
|
•
|
Führerkreis der
vereinigten Gewerkschaften.
Die nationale Revolution hat einen neuen
Staat geschaffen. Dieser Staat will die gesamtdeutsche Volkskraft
einheitlich zusammenfassen und machtvoll zur Geltung bringen. Aus diesem
volklichen Einheits- und Machtwillen heraus kennt er weder klassenmäßige
Trennung noch volksabgewandte Internationalität. Diese Tatsache stellt das
gesamte deutsche Volk, jeden seiner Stände und jeden Einzelnen vor die
Notwendigkeit, seine Haltung zu diesem Staat festzulegen. Die deutschen
Gewerkschaften sind sich bewußt, daß auch an sie die Neugestaltung von Volk
und Nation Forderungen stellt. Sie sind überzeugt, daß von ihrer bewußten
Einordnung in die Neugestaltung die Zukunft des deutschen Volkes
entscheidend beeinflußt wird. In dieser Erkenntnis sind sich alle Richtungen
der deutschen Arbeitergewerkschaften einig. Sie sind, getreu ihrer
staatspolitischen Tradition, zu positiver Mitarbeit am neuen Staat bereit.
Die deutschen Gewerkschaften sind in den
Jahrzehnten ihrer Geschichte mit dem wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Dasein des ganzen Volkes ver- wachsen. Sie waren und sind
gestaltende und tragende Kräfte seiner Lebensordnung. Weder die Wirtschaft
noch die Gesellschaft noch der Staat können ihre positive Mitarbeit
entbehren, ohne daß die Gesamtinteressen der Nation Schaden leiden.
Die deutschen Gewerkschaften sind des
Glaubens, daß sie der großen Aufgabe des neuen Staates, alle Kräfte des
deutschen Volkes zu einer stärkeren Einheit zusammenzufassen, am besten
dienen, wenn sie sich über alle Trennungen der Vergangenheit hinweg zu
einer einzigen umfassenden nationalen Organisation der Arbeit vereinigen.
Deshalb bekunden der Bundesvorstand des Allgemeinen Deutschen
Gewerkschaftsbundes, der Hauptvorstand des Gesamtverbandes der Christlichen
Gewerkschaften Deutschlands und der Hauptvorstand des Verbandes der
Deutschen Gewerkvereine (HD) die Absicht, die bestehenden Spitzen- und
Berufsverbände mit dem Ziel der Umformung und Vereinheitlichung
zusammenzuschließen.
Zur Vorbereitung und Durchführung dieses
Zieles bestimmen die Vorstände einen Führerkreis, für den jede
Gewerkschaftsrichtung drei Personen stellt.
Der Führerkreis hat folgende Aufgaben:
1. Die geistige Grundlage der Einheitsgewerkschaften zu klären
und festzulegen;
2. die Voraussetzungen für den organisatorischen Zusammenschluß
der einzelnen Berufsverbände durch Verhandlungen mit den Verbandsvorständen
zu
3. den Bund der vereinigten Gewerkschaften technisch
vorzubereiten, Satzungen auszuarbeiten und die Führer- und Personalfrage
nach Zahl und Namen zu lösen;
4. die praktischen Zielsetzungen der Einheitsgewerkschaften
festzulegen.
Dabei ist zu beachten, daß
a) die Gewerkschaften die berufenen Vereinigungen zur Vertretung
der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter und Arbeiterinnen
sind;
b) das höchste Ziel ihrer Arbeit die Förderung eines gesunden
Staates und Volkes als Voraussetzung zur Sicherung der sittlichen,
kulturellen, staatlichen und wirtschaftlich-sozialen Lebensrechte des
deutschen Arbeiterstandes ist;
c) die religiösen Grundkräfte in ihrer Staats- und
gesellschaftsaufbauenden Bedeutung geachtet und anerkannt werden;
d) die Gewerkschaften parteipolitisch völlig ungebunden sein
müssen.
5. Die Verhandlungen mit der Regierung und sonstigen verantwortlichen
Stellen zu führen;
6. das aktive und passive Vermögen in die gemeinsame Verwaltung
überleiten;
7. die immobilen und mobilen Werte der Verbände, der Orts- und
Bezirksausschüsse bzw. Kartelle, der Arbeitersekretariate usw. als
gemeinsame Einrichtungen zu überführen und der gemeinsamen Benutzung
dienstbar zu machen. Der Führerkreis handelt im Auftrag der gesamten
Vorstände selbständig und bindend. Er kann zu seinen Beratungen
Sachverständige zuziehen und sie gutachtend hören. Er kann für
Spezialgebiete Unterausschüsse einsetzen. Bis zum Abschluß der Vorarbeiten
des Führerkreises enthalten sich die Vorstände jeder Sonderverhandlungen
über die Umgestaltung der Gewerkschaften. Der Führerkreis verpflichtet
sich, den Vorständen über die entscheidenden Abschnitte der Verhandlungen
jeweils Bericht zu erstatten.
[Für die Freien Gewerkschaften:]
Theodor Leipart
Peter Graßmann
Wilhelm Leuschner
Franz Spliedt
[Für die Christlichen Gewerkschaften:]
Fritz Baltrusch
Franz Behrens
Jakob Kaiser
Bernhard Otte
Adam Stegerwald
[Für die Hirsch-Dunckersehen
Gewerkvereine:]
Ernst Lemmer
|
|
Walther Pahl,
"Der Feiertag der Arbeit und die sozialistische Arbeiterschaft",
29. April 1933 (Auszüge)[34]
|
•
|
Die Regierung der nationalen Erhebung hat
den 1. Mai zum gesetzlichen "Nationalfeiertag der deutschen
Arbeit" erklärt, jenen 1. Mai, den der internationale
Sozialistenkongreß in Paris 1889 zum "Weihefest der Arbeit"
erhob, an dem die Arbeiterschaft aller Länder für die Lebensrechte ihrer
Klasse und den Weltfrieden demonstrieren sollte. Die Maifeier war seitdem
gekennzeichnet durch ihren Kampfcharakter und ihren internationalen
Charakter. Durch das Bewußtsein, daß an diesem Tage in aller Welt
selbstbewußte Arbeiter auf den Straßen marschierten und ihrem Lebenswillen
Ausdruck gaben, erhielt die Maifeier bisher ihren mitreißenden Schwung.
Welches auch immer die konkreten Forderungen waren, die die Arbeiterschaft
am 1. Mai erhob; sie waren Ausdruck ihres Willens, sich über der Last
der Arbeit die Würde des Menschen zu erhalten. Was Fichte einst in seinen "Reden
an die deutsche Nation" forderte, machten sich am 1. Mai
Millionen von Arbeitern zu eigen: "Der Mensch soll arbeiten, aber
nicht wie ein Lasttier, das unter seiner Bürde in den Schlaf sinkt und nach
der notdürftigen Erholung der erschöpften Kräfte zum Tragen derselben Bürde
wieder aufgestört wird. Er soll angstlos mit Lust und Freude arbeiten und
Zeit übrig behalten, seinen Geist und seine Augen zum Himmel zu erheben, zu
dessen Anblick er gebildet ist."
Das deutsche Reichsministerium für
Volksaufklärung und Propaganda erklärt in einer Einleitung zu der
Verkündung des Programms des neuen Feiertages der nationalen Arbeit:
"Jahrelang hat der Marxismus den
Feiertag der Arbeit, den 1. Mai, seines tiefen symbolischen Charakters
zu entkleiden versucht und ihn zu volkszerstörender Klassenkampf hetze
mißbraucht. Nun da in Deutschland die nationale Revolution die Einheit des
Volkes über alle Berufsgruppen hinweg in der Idee des Dienstes an der
Volksgemeinschaft und an der Nation wiederhergestellt hat, ist es der von
der nationalen Wiedererhebung des deutschen Volkes getragenen Regierung ein
ganz besonders begrüßter Augenblick, vor aller Welt am Feiertag der
nationalen Arbeit ihre innige Verbundenheit mit jedem arbeitenden Menschen
in Deutschland zum Ausdruck zu bringen und die Millionenarmee der Soldaten
der Arbeit so zu ehren, wie sie und ihr schweres Werk es verdienen."
Der 1. Mai soll also als
Nationalfeiertag künftighin seine Symbolkraft auf der Verbundenheit der
ganzen Nation mit der Arbeiterschaft schöpfen. Das Bestreben, dem 1. Mai
eine neue Sinngebung zu verleihen, vermag nichts daran zu ändern, daß hier
geistiges Traditionsgut der sozialistischen Arbeiterbewegung aufgenommen
wird. Gewiß: die sozialistische Arbeiterschaft hat eben erlebt, daß sie mit
ihrer eigenen Waffe, der Demokratie, geschlagen worden ist. Man könnte
deshalb annehmen, daß auch die Erhebung des traditionellen
Arbeiterfeiertags zum Nationalfeiertag in der Linie dieser Politik liegt,
die den Gegner mit seinen eigenen Waffen schlägt. Indessen: der mit
demokratischen Mitteln geführte Kampf des Nationalsozialismus um die Macht
galt antidemokratischen Zielen. Die Erhebung des Arbeiterfeiertages zum
Nationalfeiertag wendet sich nicht gegen den Arbeiter, sondern soll gerade die
Solidarität der Nation mit dem Arbeiter bezeugen. Nur der könnte darin eine
Niederlage der sozialistischen Arbeiterbewegung erblicken, der da glaubte,
daß eine menschenwürdige Lebensgestaltung für die Arbeiterschaft nur gegen
das Gesamtinteresse der Nation errungen werden könnte. Wer dagegen von
jeher das proletarische Gruppeninteresse mit dem Gesamtinteresse des ganzen
werktätigen Volkes gleichgesetzt hat, wird den 1. Mai 1933 als einen
Tag des Sieges empfinden.
Jeder Kampf will den Sieg, der Klassenkampf
wollte die Einordnung der Arbeiterschaft in das Ganze der Nation, in die
sozialistische Nation. Die junge Generation der deutschen Arbeiterbewegung
hat in dem Klassenkampf niemals einen Interessentenkampf gesehen, sondern
immer einen Kampf für die Gestaltung der Deutschen Nation. Der 1. Mai
1933 beweist uns, daß dieser opferreiche Kampf nicht vergebens war. Die
Nation bekennt sich an diesem Tag zum Arbeiter als ihrer tragenden Gestalt
und zum Sozialismus. Vom Nationalsozialismus unterschied uns keine andere
Rangordnung der Werte Nation und Sozialismus, sondern lediglich eine andere
Prioritätsordnung. Wir wollten erst den Sozialismus, um die Nation zu
gestalten. Der Nationalsozialismus forderte und verwirklichte jetzt die
Einheit der Nation, um auf diesem breiten und festen Fundament den
deutschen Sozialismus aufzubauen. ("Nur wer sich zum deutschen
Sozialismus bekennt, ist wahrhaft national", erklärte der
Reichsminister Göring auf einer Betriebszellenkundgebung am 9. April
in Berlin.)
Es gelang dem Nationalsozialismus, eine
machtpolitische Vereinheitlichung der Nation durchzuführen, wie sie die
deutsche Geschichte noch nicht gesehen hat. Die substantielle Erfüllung der
Nation ist aber erst durch die Verwirklichung des Sozialismus möglich. Wir
brauchen wahrhaftig nicht "umzufallen", um zu bekennen, daß der
Sieg des Nationalsozialismus, obwohl er im Kampf gegen eine Partei errungen
wurde, die uns als Träger der sozialistischen Idee galt, auch unser Sieg
ist, insofern die sozialistische Aufgabe heute der ganzen Nation gestellt
ist. Der 1. Mai 1933 findet die Besiegten aufrecht und in dem stolzen
Bewußtsein, daß die Sieger den Tag, den sie bisher in proletarischer
Verbannung feiern mußten, zum Tag der Nation erhoben haben. Trotz aller
Demütigung, die man Institutionen und Menschen der von dem sozialistischen
Proletariat getragenen Bewegung angetan hat, ist diese sozialistische
Arbeiterschaft heute bereit, den Kampf für die Verwirklichung der
sozialistischen Idee auf der neuen Front der Nation fortzuführen. Bedeutet
das die ehrlose Kapitulation? Diejenigen, die ihre sozialistische Idee
bewahrt haben vor der Verflachung in einen vulgären Erwerbsrationalismus
und vor der Verwässerung in einen schwächlichen Interessenopportunismus,
denen vielmehr der Kampf für den Sozialismus ein Kampf ist für die
Verwirklichung einer gerechten Ordnung, in der die Arbeit aus einem Merkmal
der sozialen Unterlegenheit zum Höchstwert der gesellschaftlichen und
kulturellen Wertordnung wird, brauchen sich nicht an den Sieger
heranzuschmeicheln. Sie brauchen nur sich selbst treu zu bleiben. Sie
brauchen keinem Irrglauben abzuschwören und sich nicht als "Verführte"
zu bekennen. Der Sieger, der seiner Sache sicher ist, wird von ihnen keine
blinde Unterwerfung verlangen. Wenn er es dennoch tut, so würde er nur die
Zweifel in die Aufrichtigkeit seines sozialistischen Willens verstärken.
Sollte der Nationalsozialismus über die Zerstörung der bisherigen selbst
geprägten Formen des sozialistischen Willens hinaus auch von den
aufrichtigen Trägern dieses Willens die Unterwerfung erzwingen wollen, so
würde mit der Ehre dieser Menschen auch seine eigene Kraft zum
sozialistischen Aufbau der Nation gebrochen. [...]
Der 1. Mai 1933 wird noch einen
Großteil der Arbeiterschaft, die bisher dem Maifeiertag das Gepräge gab,
innerlich abseits finden. Ihr früher gehegtes Mißtrauen, daß der
Nationalsozialismus nicht die große echte Synthese von Nation und
Sozialismus, sondern die sozialistische Tarnung der Reaktion darstellt,
kann noch nicht durch Bekenntnisse, sondern nur durch die sozialistische
Tat endgültig zerstört werden. Die Zerstörung der institutionellen Formen
des marxistischen Sozialismus vermag nicht die sozialistische Idee zu
zerstören, für welche diese Institutionen überhaupt erst Bahn gebrochen
haben. Diese Idee kann nur durch ihre Verwirklichung überwunden werden.
Solange das nicht geschieht, wird sie immer wieder mit elementarer Gewalt
aus dem Zusammenstoß von Dingen und Menschen in der kapitalistischen
Wirtschaftsordnung hervorbrechen. Niemals wird man, auf die Dauer gesehen,
verhindern können, daß durch die Wucht der kapitalistischen Krise der
leidenschaftliche Wille zum Sozialismus zum Durchbrach kommt, welches auch
immer die organisatorischen Formen sein mögen, die diesen Massenwillen zur
öffentlichen Geltung bringen. Die Formen, in denen die Idee Gestalt gewann,
sind zerstörbar. Unzerstörbar ist aber die Idee selbst. Der
Nationalsozialismus will die enge Verbindung beseitigen, die die
sozialistische Idee in den letzten Jahrzehnten mit einer proletarischen
Klassenbewegung eingegangen ist. Zu dieser Verbindung hat Marx die geistige
Begründung gegeben, sie ist aber in Wahrheit aus den
Produktionsverhältnissen des industriekapitalistischen Zeitalters
herausgewachsen, die eine Klassentrennung zwischen kapitalistischen
Besitzern der Produktionsmittel und besitzlosen Arbeitern und Angestellten
erzwangen. Wer darum die Verbindung zwischen Sozialismus und proletarischer
Klassenbewegung aufheben will, muß diese Klassentrennung durch eine
entsprechende Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse aufheben. Es ist
richtig, daß der vulgäre Marxismus den auf diese Umgestaltung der
Eigentumsverhältnisse zielenden Sozialisierungsgedanken entweder in
materialistischem Determinismus versacken oder in der schematischen Forderung
nach Vergesellschaftung jedes Eigentumspartikels erstarren ließ. Der
Sozialisierungsgedanke ist in Wahrheit nicht eigentumsfeindlich. Er zielt
gerade im Gegenteil auf die Wiederherstellung der verlorengegangenen
Bindung zwischen Arbeit und Eigentum, dieser einzig möglichen Grundlage
lebenerfüllender Arbeit, die der Kapitalismus vielfach zerstört hat. Wo
diese Verbindung noch erhalten geblieben ist, wie bei den selbständigen
Bauern, bei den Handwerkern und Geschäftsleuten, muß sie dadurch gesichert
werden, daß man alle gegebenen wirtschaftlichen Maßnahmen durchführt, um
die Betriebe dieses "freien" Sektors auf eine höhere Stufe der
Rentabilität und des gesellschaftlichen Nutzens zu bringen. In diesen "freien
Sektor" gehören auch jene kapitalistischen Unternehmungen, in denen es
zwar Proletarisierung, aber keine Monopolbildung gibt. Die Enteignung der
Enteigner, d. h. die Überführung jener Produktionsmittel in das
Gemeineigentum der Nation, deren Besitz sich nicht mehr in den Händen derer
befindet, die sie als Arbeitsmittel gebrauchen, ist andererseits notwendig,
um die proletarisierten Massen zu entproletarisieren. (Proletarisierung war
uns niemals Wille, sondern immer Schicksal, allerdings mit Stolz getragenes
Schicksal!) Das kann in den Großbetrieben nur dadurch geschehen, daß durch
die Überführung dieser Betriebe in das Gemeineigentum der Nation die
Voraussetzungen für eine planmäßige Wirtschaftsordnung und für die
rechtliche Sicherung eines menschenwürdigen Lebensraumes für den Arbeiter
geschaffen werden. Nur auf diesem Wege wird es gelingen, die Nation zum
allein bestimmenden Arbeitgeber zu machen. Die Durchführung dieser Forderung
verlangt einen festen Nationalisierungsplan als Ausdruck und Sinnbild der
neuen Phase der sozialistischen Aktion. Im Vordergrund muß dabei die
Nationalisierung des Bankwesens mit dem Ziele einer planmäßigen
Kreditpolitik und die Nationalisierung der großen Schlüsselindustrien der
Krafterzeugung und der Rohstoffversorgung stehen, die bereits in das
Stadium der monopolistischen Konzentration eingetreten sind.
[...]
Wer glaubt, daß der Sozialismus in
Deutschland nur im Zuge einer internationalen Sozialisierungsaktion
durchgeführt werden kann, wird sich bis zum Sanktnimmerleinstag gedulden
müssen. Die deutsche Not ist zu dringend, als daß wir mit der
Verwirklichung des deutschen Sozialismus warten könnten. Im übrigen hat die
Tendenz des Hochkapitalismus zur Nationalwirtschaft in all ihren Formen,
von der Währungspolitik über die Produktionspolitik bis zur
Außenhandelspolitik den größten Teil der Hindernisse weggeräumt, die bisher
der auf eine Nation beschränkten Sozialisierung entgegenstanden. Überdies wird
Planwirtschaft überhaupt erst auf der Grundlage politischer Herrschaft
möglich. Die innere Ausgestaltung des deutschen Lebensraumes zu einer
gerechten Volksordnung, die die Aufgabe des Planes ist, setzt voraus, daß
dieser Raum zunächst einmal durch einen Staat mit festem Profil und
straffer nationaler Form abgesteckt wird. Der entscheidende Grund für die
Unmöglichkeit der Lösung der Sozialisierungsaufgabe lag bisher gerade in
dem Mangel an unteilbarer Herrschaft, der das Weimarer System denn auch
allmählich zerbrechen ließ. Diese Herrschaft ist heute da! Damit sind,
geschichtlich gesehen zum ersten Male, wirklich die Bedingungen für die
erfolgreiche Inangriffnahme der Sozialisierung erfüllt. Damit ist aber
zugleich der Nationalsozialismus mit einer geschichtlichen Verantwortung
von ungeheurer Größe belastet: Er muß den Sozialismus verwirklichen, weil
ihm zum ersten Male die Aufrichtung einer Herrschaft gelang, die ihn nicht
nur verwirklichen will, sondern auch verwirklichen kann. Grundsätzlich muß
man sich darüber klar sein, daß ein Kapitalismus, der sich zum "sozialen
Gedanken" bekennt, noch keinen deutschen Sozialismus darstellt. Mit
einem sozialen Lippenbekenntnis, mit der personalen "Gleichschaltung"
der Unternehmerverbände und der Aufsichtsräte von privaten
Monopolgesellschaften, mit der Bildung von "Führerkreisen" ist
der Übergang vom international-liberalen Kapitalismus zum nationalen
Sozialismus noch nicht vollzogen. Eine wirkliche Gleichschaltung der
kapitalistischen Kommandohöhen der Wirtschalt mit der nationalen und
sozialistischen Revolution ist nicht durch personale Umbesetzung, sondern
nur dadurch möglich, daß das rücksichtslose Erwerbs- und Gewinnstreben
aufgegeben wird und das wirtschaftliche Handeln tatsächlich nach dem
Grundsatz "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" erfolgt Eine
Wirtschaftsordnung aber, die nach diesem Grundprinzip aufgebaut wird, darf
eine "Heiligkeit des Privateigentums" nicht mehr kennen.
[...]
|
|
•
|
Walther Pahl an Rudolf Diels [35]:
Sehr geehrter Herr Dr. Diels! [...] Da mein
Aufsatz die Haltung eines großen Teils unserer jüngeren Generation
kennzeichnet, würde ich ihn auch gern einigen Herren der NSDAP mit der
Bitte um Stellungnahme zuleiten. Vielleicht können Sie mir dafür einige
Hinweise geben. Mit freundlichen Grüßen.
|
|
|
|