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Aufruf der
Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbeamter und Anwärter, 1. Februar
1922[1]
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Ein Wort an die
arbeitnehmende Bevölkerung!
Zum erstenmal führt die
Eisenbahnbeamtenschaft einen Kampf gegen ihre Verwaltung durch. Welche
Beweggründe liegen hierzu vor?
1. Die unteren Gruppen unserer Kollegen
sind wirtschaftlich zusammengebrochen infolge ungenügender Bezahlung. Trotz
schwerster Tag- und Nachtdienstleistung, trotz Sonn- und Feiertagsdienst
stehen ganze Gruppen unter dem Existenzminimum.
2. Man will uns durch ein Sondergesetz
des Arbeitszeitgesetzes zum Preisgeben des Achtstundentages zwingen. Unsere
hierzu gestellten, der Verwaltung weit entgegenkommenden Anträge wurden
glatt abgelehnt. Auf unsere an die Regierung gerichtete Eingabe würdigt man
uns keiner Antwort. Inzwischen werden Dienstpläne eingeführt, die alle
Errungenschaften der Umwälzung vollständig beseitigen und uns noch unter
die rechtlosen Zustände der Vorkriegszeit hinabbringen. Hat man uns erst
wieder vollständig entrechtet, folgt die freie Arbeiterschaft nach.
Darum erkennt, daß unser Kampf euer Kampf
ist!
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Gemeinsamer
Aufruf des ADGB, des DGB, des Gewerkschaftsringes Deutscher Arbeiter-,
Angestellten- und Beamtenverbände sowie des AfA-Bundes, 3. Februar
1922[2]
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An die Beamten, Arbeiter u[nd]
Angestellten!
Unter völliger Nichtachtung der anerkannten
gewerkschaftlichen Grundsätze hat die Reichsgewerkschaft Deutscher
Eisenbahnbeamten und -Anwärter anläßlich einer noch im Gange befindlichen
Lohnverhandlung durch Aufforderung zum Streik den Eisenbahnverkehr ‑ auch
den für die Ernährung des Volkes nötigen ‑ lahmgelegt. Obwohl
gerade die werktätige Bevölkerung unter den Folgen am schwersten zu leiden
hat und die Besoldungsordnung der Beamten mit den zur Zeit stattfindenden
Verhandlungen über die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten in
Staatsbetrieben im engsten Zusammenhange steht, hat es die Reichsgewerkschaft
absichtlich unterlassen, dem Wunsche der übrigen betroffenen Gewerkschaften
nach einem gemeinsamen Vorgehen nachzukommen. Dieselbe Reichsgewerkschaft,
die jetzt Hilfe von Arbeitern und Angestellten fordert, hat auch diesmal
ihre Sonderbestrebungen den gemeinsamen Interessen aller Arbeitnehmer
übergeordnet.
Es ist unerträglich, wenn eine einzelne
undisziplinierte Gruppe in solch unverantwortlicher Weise mit dem Schicksal
der gesamten Bevölkerung spielt. Dieser Lohnstreik einer Beamtengruppe muß
bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage auch bei nur kurzer Dauer die
Lebensbedingungen aller Arbeitnehmer, besonders in den Großstädten, aufs
verhängnisvollste gefährden.
Geradezu katastrophal aber wirkt dieser
Streik bereits jetzt ‑ drei Wochen vor der Konferenz in Genua ‑
auf die Außenpolitik Deutschlands ein. Die Verantwortung gegenüber den von
ihnen vertretenen Beamten, Arbeitern und Angestellten wie gegenüber dem
gesamten Volke legt deshalb den unterzeichneten Spitzenorganisationen aller
Gewerkschaftsrichtungen die gebieterische Pflicht auf, alle im Streik
befindlichen Eisenbahner aufzufordern, die Arbeit sofort wieder
aufzunehmen. Von der Reichsgewerkschaft wird erwartet, daß sie sich ebenso
ihrer schweren Verantwortung bewußt wird und den Streik unverzüglich
beendet. Die für diesen besonderen Streikfall der Reichsbahnbeamten
erlassene Verordnung des Reichspräsidenten wird mit der Beendigung des
Streiks gegenstandslos.
Die unterzeichneten Spitzengewerkschaften
haben bei ihren Verhandlungen mit der Reichsregierung von dem folgenden
Stand der Besoldungsfrage Kenntnis genommen: Die Reichsregierung hat gemäß
ihrer bei der Verabschiedung der letzten Besoldungsvorlage gemachten
Zusagen bereits am 25. Januar d. J., also vor Ausbruch des
Streiks, die Frage der Gewährung von Wirtschaftsbeihilfen an Beamte in
Orten mit besonders schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen in Anlehnung
an die den Arbeitern bewilligten Überteuerungszuschüsse mit dem 23. Ausschuß
des Reichstags eingehend geprüft. Das Reichskabinett hat bald darauf den
Gesetzentwurf, welcher die für die Gewährung der Wirtschaftsbeihilfe
nötigen Mittel bereitstellen soll, genehmigt sowie die erforderlichen
Maßnahmen für eine beschleunigte Verabschiedung der Vorlage durch die
gesetzgebenden Körperschaften des Reiches und für eine möglichst baldige
Ausführung der Zahlungen getroffen. Auch hat die Reichsregierung ihre
Bereitwilligkeit erklärt, mit den Spitzenverbänden, die Beamte vertreten,
in Erörterungen über die weiteren grundsätzlichen Besoldungsfragen und
sonstigen Wünsche der Beamten einzutreten.
Die Reichsregierung erklärte ferner
ausdrücklich, daß alle Gerüchte und Behauptungen über eine beabsichtigte
Beschränkung der verfassungsmäßigen Koalitionsfreiheit durchaus unbegründet
sind.
Damit ist die Berücksichtigung der
berechtigten Beamtenforderungen und der Schutz des Koalitionsrechts aller
Arbeitnehmer gesichert. Wir erwarten von der organisierten Arbeiterschaft,
daß sie sich ausschließlich an die Weisungen ihrer Spitzenorganisationen
hält.
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
Leipart
Deutscher Gewerkschaftsbund Baltrusch
Gewerkschaftsring Deutscher Arbeiter-,
Angestellten - und Beamtenverbände Hartmann, Schneider
Allgemeiner freier Angestelltenbund
Aufhäuser, Süß
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Verhandlungen Gewerkschaften Regierung.
Entwurf Regierungserklärung [3]:
Die Reichsgewerkschaft gibt die
Versicherung ab, daß sie noch heute abend den Streik der Reichsgewerkschaft
als beendet erklären wird, nachdem der Herr Reichskanzler seinerseits im
Namen der Reichsregierung ausgeführt hat, daß bei sofortigem Abbruch des
Streiks die Disziplinierung nach den vom Gesamtkabinett auszustellenden
Richtlinien erfolgen wird. ‑ Die Reichsregierung wird bei
sofortigem Abbruch des Streiks in der Anwendung und Durchführung der
Disziplinarmaßnahmen von Massendisziplinarverfahren und Massenentlassungen
absehen. ‑ Den in Frage stehenden Beamten wird ihr
Beschwerderecht selbstverständlich vollständig gewahrt.
Leitlinien Wilhelm Groener [4]:
Das förmliche Disziplinarverfahren soll nur
eingeleitet werden gegen Beamte, a) die den Streik veranlaßt oder zum
Streik aufgehetzt haben, b) die Sabotageakte oder gewaltsame Eingriffe in
die Verwaltung, Betrieb und Verkehr verübt oder andere Beamte an der
Erfüllung ihrer Dienstpflichten durch Gewalt oder Drohung gehindert oder zu
hindern versucht haben. Bei den übrigen Beamten, die gestreikt haben, soll
es, sofern sie alsbald zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten zurückkehren,
bei Ordnungsstrafen sein Bewenden haben. Über das Diensteinkommen während
der Streiktage bestimmt § 14 Abs. 3 des R.B.G.
[Reichsbeamtengesetz]. Bereits eingeleitete Disziplinarverfahren sollen
nach den gesetzlichen Bestimmungen weitergeführt werden. Die kündbaren
Beamten sollen nach den gleichen Grundsätzen behandelt werden.
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Beschluß
Vollversammlung Betriebsräte, 7. Februar 1922[5]
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Angesichts des harten Kampfes der
Eisenbahner, Beamten und Arbeiter um ihre Existenz und der unversöhnlichen
Haltung der Regierung hält die Groß-Berliner Betriebsräte-
Generalversammlung die Proklamierung des Generalstreiks für ganz
Deutschland für unbedingt notwendig und fordert die Betriebsräte-Zentrale
auf, in diesem Sinne auf die Spitzenverbände einzuwirken.
Die Forderungen des Generalstreiks sind:
1. Zurückziehung der Ebert- und Richter-Verordnung
2. Unbedingter Schutz des Koalitionsrechtes
3. Zurückziehung des Arbeitszeitgesetzes
4. Verhandlungen mit den streikenden Eisenbahnern über ihre
materiellen Forderungen
5. Befreiung der verhafteten Streikführer und Herausgabe der
beschlagnahmten Streikgelder
6. Enteignung der Kohlen- und Eisenbergwerke zur Herstellung der
Rentabilität der Eisenbahnen
7. Keine Maßregelungen
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Pressenotiz über eine Sitzung der
Reichsgewerkschaftsführung [6]:
Die Reichsgewerkschaft habe keinen Fußbreit
nachgegeben, sondern auf der Höhe ihrer Kraft den Streik abgebrochen, um zu
verhindern, dass die Kommunisten die Bewegung zu ihren Gunsten ausnützen.
Die Reichsgewerkschaft habe, so erklärt der Redner, den Streik nicht
abgebrochen, sondern nur unterbrochen, um der Regierung eine Atempause zu
gewähren.
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Verordnung zum Schutze der Republik [7].
Gustav Radbruch
"Angriffe gegen die Republik".
Arnold Brecht
"Leute, die auf republikanischem Boden
ständen"
"so drohe zur Zeit eine Gefahr für die
Verfassung nur von rechts".
Andreas Hermes
"nur gegen rechts gerichtet".
"Es sei ein Unrecht, einen Mann mit
monarchischen Gefühlen, der sich aber völlig loyal der Republik gegenüber
verhalte, anders zu stellen, wie z. B. gewalttätige republikanische
Kommunisten."
Joseph Wirth
"Wenn etwa eine kommunistische
Bewegung einsetze, so müsse eine weitere Sonderverordnung geschaffen
werden. Jetzt dürfe kein Zweifel gelassen werden, daß die geschaffene
Verordnung kein Instrument gegen links sei."
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Verordnung zum Schutze der Republik, 26. Juni: (Text:: ►)
Versammlungen, Aufzüge und Kundgebungen
können verboten werden, wenn die Besorgnis begründet ist, daß in ihnen
Erörterungen stattfinden, die zur gesetzwidrigen Beseitigung der
republikanischen Staatsform oder zu Gewalttaten gegen Mitglieder der
jetzigen oder einer früheren republikanischen Regierung des Reichs oder
eines Landes aufreizen, solche Handlungen billigen oder verherrlichen oder
die republikanischen Einrichtungen des Staates in einer den inneren Frieden
des Staates gefährdenden Weise verächtlich machen. Vereine und
Vereinigungen, die Bestrebungen dieser Art verfolgen, können verboten und
aufgelöst werden.
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Gesetz zum Schutz der Republik [8].
"republikanische Staatsform"
"verfassungsmäßige republikanische
Staatsform"
"verfassungsmäßige Staatsform"
"Gesetz zum Schutze der
Verfassung"
"gegen rechtsradikale Umtriebe".
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Hugo Stinnes [9]:
Man muß in Deutschland den Mut haben,
einerseits der Bevölkerung zu sagen: mögt den Achtstundentag behalten, aber
ihr müßt in absehbarer Zeit so lange ohne Überbezahlung der Mehrstunden
mehr arbeiten, bis ihr eine aktive Zahlungsbilanz habt und außerdem so viel
erübrigt, wie nun einmal notwendig ist zum Leben und um die Verzinsung und
Tilgung der Anleihe vorzunehmen, die für die Stabilisierung der Mark und für
die Zahlung der Reparation in der absolut unvermeidlichen Höhe notwendig ist.
Man kann keinen Krieg verlieren und zwei Stunden weniger arbeiten wollen.
[...] Deswegen muß “man”, das heißt alle Leute, die zu der Erkenntnis
gekommen sind, müssen dafür eintreten und müssen in der Bevölkerung die
Auffassung- noch viel mehr verbreiten als heute: ohne Arbeit kommen wir aus
der Geschichte nicht heraus.
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Regierungsnote [10].
Neuregelung des Arbeitszeitrechts unter
Festhaltung des Achtstundentags als des Normalarbeitstages und unter
Zusicherung gesetzlich begrenzter Ausnahmen auf tariflichem oder
behördlichem Wege zur Behebung der Notlage des deutschen Volkes.
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