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Brief des
Parteivorstands der USPD an den Parteivorstands der SPD, 10. November
1918[1]
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Auf Ihr Schreiben
vom 9. November 1918 erwidern wir folgendes:
Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei
ist bereit, um die revolutionären sozialistischen Errungenschaften zu
befestigen, in das Kabinett unter folgenden Bedingungen einzutreten: Das
Kabinett darf nur aus Sozialdemokraten zusammengesetzt sein, die als
Volkskommissare gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Für die Fachminister
gilt diese Beschränkung nicht; sie sind nur technische Gehilfen des
entscheidenden Kabinetts. Jedem von ihnen werden zwei Mitglieder der beiden
sozialdemokratischen Parteien mit gleichen Rechten zur Seite gestellt, aus
jeder Partei eins: Eine Fristbestimmung wird an den Eintritt der
Unabhängigen Sozialdemokraten in das Kabinett (in das jede Partei drei
Mitglieder entsendet) nicht geknüpft. Die politische Gewalt liegt in den
Händen der Arbeiter- und Soldatenräte, die zu einer Vollversammlung aus dem
ganzen Reiche alsbald zusammenzuberufen sind. Die Frage der Konstituierenden
Versammlung wird erst bei einer Konsolidierung der durch die Revolution
geschaffenen Zustände aktuell und soll deshalb späterer Erörterung
vorbehalten bleiben. Für den Fall der Annahme dieser Bedingungen, die von
dem Wunsche eines geschlossenen Auftretens des Proletariats diktiert sind,
haben wir unsere Mitglieder Haase, Dittmann und Barth in das Kabinett
delegiert.
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Befehl des
Stabschefs Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg an das deutsche
Feldheer, 10. November 1918[2]
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An alle
Heeresgruppen und Armeeoberkommandos und selbständigen Stellen des Großen
Hauptquartiers.
1. Damit angesichts der dem Vaterlande
durch den Bolschewismus drohenden Gefahr des Bürgerkrieges das Heer in
Festigkeit und Ordnung in die Heimat zurückgeführt werden kann, sind alle
Offiziere und Mannschaften moralisch verpflichtet, alle mit Recht
bestehenden Gewissensbedenken bezüglich des Seiner Majestät dem Kaiser und
König geleisteten Fahneneides zurückzustellen und unvermindert ihre Pflicht
zu tun zur Rettung der deutschen Lande aus größter Gefahr. Aus demselben
Grunde habe ich mich entschlossen, auf meinem Posten zu verharren und gemäß
der mir mündlich gewordenen Weisung Seiner Majestät des Kaisers und Königs
den Oberbefehl über das deutsche Feldheer übernommen.
2. Nachdem die Bewegung zur Bildung
von Soldatenräten in das Feldheer bereits eingedrungen ist und meines
Erachtens durch Widerstand nicht mehr aufgehalten werden kann, ist es
notwendig, diese Bewegung in die Hand der Offiziere zu bekommen. Zu diesem
Zweck sind bei allen Kompanien, Batterien, Eskadrons pp. Vertrauensräte zu
bilden. Unter Aufhebung der hierüber ergangenen Verfügung der OHL, vom
10.November 1918 I/S Nr.1 führe ich hierzu aus:
Es wird sich empfehlen, die Vertrauensräte
aus der freien Wahl von Offizieren und Mannschaften hervorgehen zu lassen
und die Anzahl ihrer Mitglieder je nach den Verhältnissen in dem
betreffenden Truppenteil zu bestimmen. Die Vertrauensräte sind zweckmäßig
in allen wirtschaftlichen und sozialen Fragen zur engsten Mitarbeit von den
Truppenbefehlshabern heranzuziehen, damit die Ordnung im Heer
aufrechterhalten wird. Die Führung der Truppen muß dabei jedoch fest in der
Hand der Kommandobehörde bleiben. In diesem Sinne ist auf die Mannschaften
einzuwirken und ist ihnen klarzumachen, daß im gegenwärtigen Augenblick, wo
die allerschwierigsten Bewegungen des Heeres zum Schluß des Krieges noch
gefordert werden, die Rückführung der Armee nur gewährleistet ist, wenn
diese Bewegungen in strengster Ordnung und Manneszucht zur Ausführung gelangen.
3. Es kann bekanntgegeben werden, daß
die OHL mit dem Reichskanzler Ebert, dem bisherigen Führer der gemäßigten
sozialdemokratischen Partei, zusammengehen will, um die Ausbreitung des
terroristischen Bolschewismus in Deutschland zu verhindern.
4. Die OHL hat den Reichskanzler
gebeten, daß seitens der Regierung für das Feldheer die Beibehaltung der
Rangabzeichen verfügt wird. Inzwischen muß es im Einzelfall dem Taktgefühl
des Offiziers überlassen bleiben, derart zu handeln, daß Ausschreitungen
der Mannschaften vermieden werden.
gez. Hindenburg
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Aufruf der
Spartakus-Gruppe, 10. November 1918[3]
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Sichert die von
euch errungene Macht!
Mißtrauen ist die erste demokratische
Tugend! Die rote Fahne weht über Berlin! Würdig habt ihr euch an die Seite der
Städte gestellt, in denen schon das Proletariat und die Soldaten die Macht
übernommen haben. Wie aber die Welt auf euch geschaut hat, ob ihr eure
Aufgabe lösen werdet, so sieht die Welt jetzt auf euch, wie ihr sie lösen
werdet. Ihr müßt in der Durchführung eines sozialistisch-revolutionären
Programms ganze Arbeit machen. Mit der Abdankung von ein paar Hohenzollern
ist es nicht getan. Noch viel weniger ist es getan damit, daß ein paar
Regierungssozialisten mehr an die Spitze treten. Sie haben vier Jahre lang
die Bourgeoisie unterstützt, sie können nicht anders, als dies weiter tun.
Mißtrauet denen, die von Reichskanzler- und Ministerstellen herunter
glauben, eure Geschicke lenken zu dürfen. Nicht Neubesetzung der Posten von
oben herunter, sondern Neuorganisierung der Gewalt von unten herauf.
Sorget, daß die Macht, die ihr jetzt errungen habt, nicht euren Händen
entgleite und daß ihr sie gebraucht für euer Ziel. Denn euer Ziel ist die
sofortige Herbeiführung eines proletarisch-sozialistischen Friedens, der sich
gegen den Imperialismus aller Länder wendet, und die Umwandlung der
Gesellschaft in eine sozialistische. Zur Erlangung dieses Zieles ist es vor
allem notwendig, daß das Berliner Proletariat in Bluse und Feldgrau
erklärt, folgende Forderungen mit aller Entschlossenheit und unbezähmbarem
Kampfwillen zu verfolgen:
1. Entwaffnung der gesamten Polizei, sämtlicher Offiziere sowie
der Soldaten, die nicht auf dem Boden der neuen Ordnung stehen; Bewaffnung
des Volkes; alle Soldaten und Proletarier, die bewaffnet sind, behalten
ihre Waffen.
2. Übernahme sämtlicher militärischer und ziviler Behörden und
Kommandostellen durch Vertrauensmänner des Arbeiter- und Soldatenrates.
3. Übergabe aller Waffen- und Munitionsbestände sowie aller
Rüstungsbetriebe an den Arbeiter- und Soldatenrat.
4. Kontrolle über alle Verkehrsmittel durch den Arbeiter- und
Soldatenrat.
5. Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit; Ersetzung des
militärischen Kadavergehorsams durch freiwillige Disziplin der Soldaten
unter Kontrolle des Arbeiter- und Soldatenrates.
6. Beseitigung des Reichstages und aller Parlamente sowie der
bestehenden Reichsregierung; Übernahme der Regierung durch den Berliner
Arbeiter- und Soldatenrat bis zur Errichtung eines Reichs- Arbeiter- und
Soldatenrates.
7. Wahl von Arbeiter- und Soldatenräten in ganz Deutschland, in
deren Hand ausschließlich Gesetzgebung und Verwaltung liegen. Zur Wahl der
Arbeiter- und Soldatenräte schreitet das gesamte erwachsene werktätige Volk
in Stadt und Land und ohne Unterschied der Geschlechter.
8. Abschaffung aller Dynastien und Einzelstaaten; unsere Parole
lautet: einheitliche sozialistische Republik Deutschland.
9. Sofortige Aufnahme der Verbindung mit allen in Deutschland
bestehenden Arbeiter- und Soldatenräten und den sozialistischen Bruderparteien
des Auslandes.
10. Sofortige Rückberufung der russischen Botschaft nach
Berlin.
Arbeiter und Soldaten! Eine
jahrtausendealte Knechtschaft geht zu Ende; aus den unsäglichen Leiden
eines Krieges steigt nun die neue Freiheit empor. Vier lange Jahre haben
die Scheidemänner, die Regierungssozialisten, euch durch die Schrecken
eines Krieges gejagt, haben euch gesagt, man müsse »das Vaterland«
verteidigen, wo es sich nur um die nackten Raubinteressen des Imperialismus
handelte: jetzt, da der deutsche Imperialismus zusammenbricht, suchen sie
für die Bourgeoisie zu retten, was noch zu retten ist, und suchen die
revolutionäre Energie der Massen zu ersticken. Es darf kein »Scheidemann«
mehr in der Regierung sitzen; es darf kein Sozialist in die Regierung eintreten,
solange ein Regierungssozialist noch in ihr sitzt. Es gibt keine
Gemeinschaft mit denen, die euch vier Jahre lang verraten haben. Nieder mit
dem Kapitalismus und seinen Agenten!
Es lebe die Revolution! Es lebe die
Internationale!
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Zeugenaussage Wilhelm
Groeners, Oktober‑November 1925[4]
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R.-A. Dr. Hirschberg: [...] Der Herr Zeuge
hat Bekundungen gemacht über Gespräche, die er mit dem späteren
Reichspräsidenten Ebert nach Ausbruch der Revolution gehabt habe und hat
dabei bekundet, Ebert habe mit ihm zusammen die Revolution bekämpft und zu
diesem Zweck ‑ wenn ich nicht irre ‑ am 23. Dezember
Truppen nach Berlin ziehen wollen. Wie ich gehört habe, ist diese Äußerung
dahin aufgefaßt worden, der Herr Zeuge und Ebert zusammen hätten die
Wiedereinführung der Monarchie beabsichtigt. Ich frage: War die Bekämpfung
der Revolution dahin gemeint, daß die Monarchie wieder eingeführt werden
solle, oder daß das Revolutions-Chaos bekämpft werden solle, daß
insbesondere das Rätesystem zurückgedrängt werden sollte durch eine
Nationalversammlung?
Zeuge: Das letztere ist richtig. Wir haben
uns verbündet zum Kampf gegen die Revolution, zum Kampf gegen den
Bolschewismus.
R.-A. Dr. Hirschberg: Der Herr Zeuge hat
also mit dieser Äußerung ‑ die, wie ich gehört habe, vielfach
mißverstanden ist ‑ den Kampf gegen die Revolution, den Kampf
gegen den Bolschewismus gemeint?
Zeuge: Den Kampf gegen den Bolschewismus,
der in der Revolution zum Ausdruck kam. An eine Wiedereinführung der
Monarchie zu denken, war meines Erachtens vollkommen ausgeschlossen. Der
Zweck unseres Bündnisses, das wir am 10. November abends geschlossen
hatten, war die restlose Bekämpfung der Revolution, Wiedereinsetzung einer
geordneten Regierungsgewalt, Stützung dieser Regierungsgewalt durch die
Macht einer Truppe, und baldigste Einberufung einer Nationalversammlung.
Das war das Ziel.
R.-A. Dr. Hirschberg: Ich darf also dann
die Äußerung, die der Herr Zeuge bei seiner zusammenhängenden Vernehmung
gemacht hat, daß der Abgeordnete Ebert mit ihm zusammen die Revolution habe
bekämpfen wollen, mit Ihrem Einverständnis dahin interpretieren, daß er
Bolschewismus und Chaos bekämpfen wollte.
Zeuge: Bolschewismus und Chaos und die
damals noch im Gang befindliche Revolution.
R.-A. Graf von Pestalozza: Nachdem diese
Frage angeschnitten ist, müßte sie endgültig geklärt werden. Der Herr Zeuge
müßte genau angeben, was zwischen ihm und dem nachmaligen Präsidenten Ebert
als gemeinsames Ziel vereinbart war, und was er als weiteres, eventuell
besonderes Sonderziel Eberts betrachtet hat, wenn er überhaupt darüber
aussagen kann, und was darüber hinaus sein eigenes persönliches Ziel war.
Der Herr Zeuge hat nämlich in seiner zusammenhängenden Aussage erwähnt, daß
die ganze Aktion ihre Zielsetzung durch ihn bekommen habe.
Zeuge: Am 10. November stand die
Oberste Heeresleitung vor der Entscheidung, was sie tun solle. Ich habe dem
Generalfeldmarschall den Rat gegeben, nicht mit den Waffen in der Hand zur
Zeit die Revolution zu bekämpfen, weil zu befürchten sei, daß bei der
Verfassung der Truppen eine solche Bekämpfung mit den Waffen scheitern
werde. Ich habe ihm vorgeschlagen: Ich halte es für notwendig, daß die
Oberste Heeresleitung sich mit der Mehrheitssozialdemokratie verbündet. Es
gibt zur Zeit in Deutschland nach meinem persönlichen Dafürhalten keine
Partei, die Einfluß genug im Volk, insbesondere bei den Massen hat, um eine
Regierungsgewalt mit der Obersten Heeresleitung wieder herstellen zu
können. Die Rechtsparteien waren vollkommen verschwunden, und mit den
äußersten Radikalen zu gehen, war natürlich ausgeschlossen. Es blieb nichts
übrig, als daß die Oberste Heeresleitung dieses Bündnis mit der
Mehrheitssozialdemokratie schloß.
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Erlaß der Regierung, 11. November 1918[5]
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Die Staatssekretäre und die Chefs der
Reichsbehörden sind von der Reichsregierung mit der vorläufigen
Weiterführung der Geschäfte beauftragt worden. Das Eindringen unbefugter
Personen in die Geschäftsräume der Reichsbehörden und die Übernahme
amtlicher Geschäfte durch solche Personen ist nicht gestattet.
Die Reichsregierung: Ebert, Haase.
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Aufruf des Vollzugsrats, 11. November 1918[6]
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An die Einwohner
und Soldaten Groß-Berlins!
Der von den Arbeiter- und Soldatenräten
Groß-Berlins gewählte Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrats hat seine
Tätigkeit aufgenommen.
Alle kommunalen, Landes-, Reichs und
Militärbehörden setzen ihre Tätigkeit fort. Alle Anordnungen dieser
Behörden erfolgen im Auftrage des Vollzugsrates des Arbeiter- und
Soldatenrats. Jedermann hat den Anordnungen dieser Behörden Folge zu
leisten.
Alle seit Beginn der Revolution im Bereiche
Groß-Berlins provisorisch gebildete Körperschaften, auch solche die den
Namen Arbeiter- und Soldatenrat führen und bestimmte Verwaltungsmaßnahmen
ausgeführt haben, treten sofort außer Kraft.
Alle weiteren Anordnungen und Verfügungen
werden von den zuständigen zivilen und militärischen Stellen schnellstens
erlassen werden.
Alle Bekanntmachungen und Verfügungen des
Vollzugsrates werden von den beiden Vorsitzenden, Richard Müller und von
Beerfelde, unterzeichnet werden.
Der Vollzugsrat des Arbeiter- und
Soldatenrates:
Emil Barth, von Beerfelde, [Hermann]
Bergmann, Felix Bernhagen, Otto Braun, Franz Büchel, Cohen, Ernst Däumig,
Heinrich Denecke, Paul Eckert, Chr. K. Finzel, Gelberg, Gustav Gerhardt,
Gierth, Gustav Heller, Ernst Jülich, Georg Ledebour, Maynz, Brutus
Molkenbuhr, Richard Müller, Paul Neuendorf, Hans Paasche, Walter Portner,
Colin Roß, Oskar Rusch, Otto Strobel, Walz, Wegmann.
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Erklärung des Vollzugsrats, 12. November 1918[7]
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Im Beschluß des unterzeichneten
Vollzugsrates vom 11. November ist angeordnet, daß alle provisorisch
gebildeten Körperschaften sofort außer Kraft treten. Um Mißverständnisse zu
beseitigen, zu denen diese Bestimmung Anlaß gegeben hat, wird hiermit
erklärt: Die in den einzelnen Betrieben und Formationen gebildeten
Arbeiter-, Soldaten- und Angestelltenräte, die sich auf einzelne Betriebe
oder Formationen beschränken, bleiben nach wie vor bestehen und sind auch
weiterhin zu bilden. Vollzugsgewalt steht jedoch diesen Räten nur innerhalb
ihres Betriebes bzw. Truppenteils und nur bezüglich ihrer eigenen und
lokalen Angelegenheiten zu.
Der Vollzugsrat des Arbeiter- und
Soldatenrates
(gez.) Richard Müller, Molkenbuhr
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Aufrufs des Rats der Volksbeauftragten, 12. November 1918[8]
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An das deutsche
Volk!
Die aus der Revolution hervorgegangene
Regierung, deren politische Leitung rein sozialistisch ist, setzt sich die
Aufgabe, das sozialistische Programm zu verwirklichen. Sie verkündet schon
jetzt mit Gesetzeskraft folgendes:
1. Der Belagerungszustand wird aufgehoben.
2. Das Vereins- und Versammlungsrecht unterliegt keiner
Beschränkung, auch nicht für Beamte und Staatsarbeiter.
3. Eine Zensur findet nicht statt. Die Theaterzensur wird
aufgehoben.
4. Meinungsäußerung in Wort und Schrift ist frei.
5. Die Freiheit der Religionsausübung wird gewährleistet. Niemand
darf zu einer religiösen Handlung gezwungen werden.
6. Für alle politischen Straftaten wird Amnestie gewährt. Die
wegen solcher Straftaten anhängigen Verfahren werden niedergeschlagen.
7. Das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst wird
aufgehoben, mit Ausnahme der sich auf die Schlichtung von Streitigkeiten
beziehenden Bestimmungen.
8. Die Gesindeordnungen werden außer Kraft gesetzt, ebenso die
Ausnahmegesetze gegen die Landarbeiter.
9. Die bei Beginn des Krieges aufgehobenen
Arbeiterschutzbestimmungen werden hiermit wieder in Kraft gesetzt.
Weitere sozialpolitische Verordnungen
werden binnen kurzem veröffentlicht werden. Spätestens zum 1. Januar 1919
wird der achtstündige Maximalarbeitstag in Kraft treten. Die Regierung wird
alles tun, um für ausreichende Arbeitsgelegenheiten zu sorgen. Eine
Verordnung über die Unterstützung von Erwerbslosen ist fertiggestellt. Sie
verteilt die Lasten auf Reich, Staat und Gemeinde.
Auf dem Gebiete der Krankenversicherung
wird die Versicherungspflicht über die bisherige Grenze von 2500 Mark
ausgedehnt werden.
Die Wohnungsnot wird durch Bereitstellung
von Wohnungen bekämpft werden.
Auf die Sicherung einer geregelten
Volksernährung wird hingearbeitet werden.
Die Regierung wird die geordnete Produktion
aufrechterhalten, das Eigentum gegen Eingriffe Privater sowie die Freiheit
und Sicherheit der Person schützen.
Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften
sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht
auf Grund des proportionalen Wahlsystem für alle mindestens 20 Jahre
alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.
Auch für die Konstituierende Versammlung,
über die nähere Bestimmung noch erfolgen wird, gilt dieses Wahlrecht.
Berlin, den 12. November 1918.
Ebert - Haase - Scheidemann - Landsberg -
Dittmann - Barth
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Erlaß des Rats
der Volksbeauftragten, 12. November 1918[9]
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Erlaß des Rats der
Volksbeauftragten an das Feldheer vom 12. 11. 1918
Die Volksregierung ist von dem Wunsche
beseelt, daß jeder unserer Soldaten nach den unsäglichen Leiden und den
unerhörten Entbehrungen in kürzester Zeit nach der Heimat zurückkehrt.
Dieses Ziel ist aber nur zu erreichen, wenn die Demobilisierung nach einem
geordneten Plane vor sich geht. Falls einzelne Trupps willkürlich
zurückfluten, so gefährden sie sich selbst, ihre Kameraden und die Heimat
auf das schwerste. Ein Chaos mit Hunger und Not müßte die Folge sein. Die
Volksregierung erwartet von Euch strengste Selbstzucht, um unermeßlichen
Schaden zu verhüten. Wir ersuchen die Oberste Heeresleitung, das Feldheer
von vorstehender Erklärung der Volksregierung in Kenntnis zu setzen und
folgendes anzuordnen:
1. Das Verhältnis zwischen Offizier und Mann hat sich auf
gegenseitigem Vertrauen aufzubauen. Willige Unterordnung des Mannes unter
den Offizier und kameradschaftliche Behandlung des Mannes durch den
Vorgesetzten sind hierzu Vorbedingungen,
2. Das Vorgesetztenverhältnis des Offiziers bleibt bestehen.
Unbedingter Gehorsam im Dienst ist von entscheidender Bedeutung für das
Gelingen der Zurückführung in die deutsche Heimat. Militärische Disziplin
und Ordnung im Heere müssen deshalb unter allen Umständen aufrechterhalten
werden,
3. Die Soldatenräte haben zur Aufrechterhaltung des Vertrauens
zwischen Offizier und Mann beratende Stimme in Fragen der Verpflegung, des
Urlaubs, der Verhängung von Disziplinarstrafen. Ihre oberste Pflicht ist
es, auch ihrerseits auf die Verhinderung von Unordnung und Meuterei
hinzuwirken.
4. Gleiche Ernährung für Offiziere, Beamten und Mannschaften.
5. Gleiche Zuschüsse zu den Löhnungen. Gleiche Feldzulage für
Offiziere und Mannschaften.
6. Von der Waffe gegen Angehörige des eigenen Volkes ist nur in
der Notwehr oder zur Verhinderung von Plünderungen Gebrauch zu machen.
gez.: Ebert, Haase, Scheidemann, Dittmann,
Landsberg, Barth.
Oberste Heeresleitung Großes Hauptquartier,
den 13. November 1918
Vorstehender Erlaß der Volksregierung wird
hiermit zur Kenntnis des Feldheeres gebracht.
gez.: v. Hindenburg.
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Aufruf des
Vollzugsrats, 12. November 1918[10]
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Arbeiter und
Parteigenossen in Groß-Berlin!
Die Revolution bedarf der Sicherung. Euer
Mut hat die alte Zwingburg zerstört, helft jetzt die Errungenschaft der
Revolution zu befestigen.
Wir brauchen eure Hilfe! 2.000
sozialistisch geschulte und politisch organisierte Genossen und Arbeiter
mit militärischer Ausbildung haben den Schutz der Revolution zu übernehmen.
Stellt Euch zur Verfügung!
Ihr sollt Waffen erhalten und ständig dem
Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates zur Verfügung stehen. Für Eure
Löhnung und Verpflegung soll gesorgt werden!
Genossen! Arbeiter!
Es handelt sich um Eure Freiheit! Kommt,
meldet Euch im Lauf des kommenden Mittwochs (13. November) im
Gewerkschaftshause. Nachweis der Zugehörigkeit zu einer der beiden
sozialdemokratischen Parteien und zu einer Gewerkschaft sowie der
militärischen Ausbildung ist erforderlich.
Der Vollzugsrat des Arbeiter- und
Soldatenrates
Richard Müller, Molkenbuhr
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Aufruf der
Delegierten der Arbeiter- und Soldatenräte von Dresden, Leipzig und
Chemnitz, 14. November 1918[11]
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An das sächsische
Volk!
Das kapitalistische System hat seinen
Zusammenbruch erlebt. Die bürgerliche monarchische Regierung ist gestürzt.
Das revolutionäre Proletariat hat die öffentliche Gewalt übernommen. Sein
Ziel ist die sozialistische Republik.
Verwirklichung des Sozialismus heißt:
Verwandlung der kapitalistischen Produktion in gesellschaftliche;
Enteignung des Privateigentums an Grund und Boden, Berg- und Hüttenwerke,
Rohstoffe, Banken, Maschinen, Verkehrsmittel usw., Umwandlung der
Warenproduktion in sozialistische, Übernahme der Produktion durch das
Proletariat.
Aufgabe der sozialistischen Regierung ist,
die Revolution fortzusetzen und zu steigern bis zur völligen Überwindung
der herrschenden bürgerlichen Klasse.
Verwirklichung der Republik heißt absolute
Herrschaft des Willens der Arbeiterklasse, Beseitigung der Knechtschaft in
jeder Form, allgemeine Volksbewaffnung zum Schutze der Errungenschaft der
Revolution, Abschaffung aller Arten des arbeitslosen Einkommens, Trennung
der Kirche vom Staat, Abschaffung aller bürgerlichen Gerichte.
Die republikanische Regierung Sachsens hat
die besondere Aufgabe, die Liquidierung des sächsischen Staates
herbeizuführen und die einheitliche sozialistische deutsche Republik zur
Tatsache zu machen.
Die Beauftragten der Arbeiter- und
Soldatenräte von Dresden, Leipzig und Chemnitz
Schwarz, Neuring, Fleißner, Rühle, Geyer,
Lipinski, Seger, Heckert, Melzer, Fellisch
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