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Freiheit, Organ
USPD Berlin, 11. März [1]:
Ganz - abgesehen von der allgemeinen
Erwägung, daß gewaltsames Vorgehen einer kleinen Minderheit von vornherein
zum Scheitern verurteilt ist, war es gerade in der jetzigen Situation auch
ganz klar, daß ein solches Vorgehen die Stellung einer schon wankenden
Regierung nur befestigen müßte, die Aktionsfähigkeit der Arbeiterschaft
aber verringern würde. Schon aus dieser Erwägung heraus hatte die Berliner
Unabhängige Partei wenige Tage vor Ausbruch des Generalstreiks eine
Aufforderung der Kommunisten -, mit ihnen gemeinsam durch Demonstrationen
den Streik in Mitteldeutschland zu unterstützen, einmütig abgelehnt -. -
Die Unabhängigen stehen mit den Gewalttaten in gar keinem anderen
Zusammenhang, als die rechtssozialistischen Arbeiterräte, die gleichfalls
für den Streik gestimmt haben, weil er bei der Erregung der Massen eben
nicht aufzuhalten war. Und ebenso ist es unwahr, daß die Unabhängigen die
Verschärfung des Streiks befürwortet haben.
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Aufruf SPD [2]. ["Gegen die
Tyrannei!"]
Wahnsinn und Verbrechen jagen durch die
deutschen Lande. Wird dem wilden Wüten nicht Einhalt getan, gräbt sich die
deutsche Arbeiterklasse ihr eigenes Grab.
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Forderungen
Vollversammlung Arbeiter- und Soldatenrat Groß-Berlin, 3. März 1919[3]
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A. Politische Forderungen
1. Anerkennung der A.‑ und S.‑Räte.
2. Sofortige Durchführung der Hamburger Punkte, die
Kommandogewalt betreffend.
3. Freilassung aller politischen Gefangenen, insbesondere
Freilassung des Genossen Ledebour, Niederschlagung aller politischen Prozesse,
Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit, Verweisung aller militärischen
Vergehen an die Zivilgerichte, insbesondere sofortige Aufhebung aller
militärischen Standgerichte, sofortige Verhaftung aller Personen, die an
politischen Morden beteiligt waren.
4. Sofortige Bildung einer revolutionären Arbeiterwehr.
5. Sofortige Auflösung aller durch Werbung zustande gekommenen
Freiwilligenverbände.
6. Sofortige Anknüpfung der politischen und wirtschaftlichen
Beziehungen zur Sowjetregierung Rußlands.
B. Wirtschaftliche
Forderungen
Die Forderungen beziehen sich auf die
Anerkennung und Festlegung der Rechte der A.‑ und S.‑Räte.
Sie entsprechen den Richtlinien, die vom Vollzugsrate für die Arbeiterräte
ausgearbeitet worden sind und von der Regierung abgelehnt wurden. Diese
Forderungen werden hiermit von neuem erhoben. Sie lauten:
Die Arbeiterräte sind die berufene
Vertretung der werktätigen Bevölkerung. Sie haben die Aufgabe, die
Neuordnung in Deutschland zu sichern und auszubauen. Sie haben die
Interessen der Arbeiter, Angestellten und Beamten beider Geschlechter in
Privatunternehmungen, kommunalen und staatlichen Betrieben wahrzunehmen und
eine eingehende Kontrolle der Betriebe auszuüben. Das Ziel ihrer Tätigkeit
muß die schleunige Sozialisierung des Wirtschafts- und Staatslebens sein.
Die Arbeiterräte Groß -Berlins gehen hervor aus der werktätigen Bevölkerung
eines Gebietes, das im allgemeinen von den Grenzen des Zweckverbandes
eingeschlossen wird. Die Vollversammlung der Arbeiterräte in Verbindung mit
den Soldatenräten Groß -Berlins ist die höchste Instanz für die
Arbeiterräte und deren Betätigung. Ihren Beschlüssen Geltung zu verschaffen
ist Pflicht der werktätigen Bevölkerung.
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Arbeiter,
Proletarier!
Wieder ist die Stunde gekommen. Wieder
stehen die Toten auf. Wieder reiten die Niedergerittenen.
Die Ebert-Scheidemann haben geglaubt, ganz
anders euch niedergeritten zu haben als jener wahnwitzige Hohenzoller in
den Januarwahlen 1907. Dieser glaubte, mit Wahlstimmen euch niedergebüttelt
zu haben. Jene aber glaubten ein anderes. Sie glaubten, euch in Bande
geschlagen zu haben mit der Komödie der Nationalversammlungswahlen. Sie
glaubten, euch in hypnotischen Schlaf zu versetzen durch das endlose
Geschwätze der Nationalversammlung. Sie glaubten, der deutsche Proletarier
lasse sich um die Früchte der Revolution betrügen durch die Klopffechterei
des Parlaments und durch den Kuhhandel der Parteien.
Und wer sich nicht betrügen lassen wollte,
der sollte durch die eiserne Faust an den Boden gedrückt werden. Haushoch
hat der "Arbeiter" Noske die Proletarierleichen in Deutschland
geschichtet. Seit Wochen haust er wie der Barbar mit seinen Scharen in den
Stätten des deutschen Arbeiters. Das, was die Hindenburg und Ludendorff
unter dem Fluch einer Welt und zur Schande vor der Mit- und Nachwelt
verbrochen haben in Belgien und Nordfrankreich und in Polen und in
Finnland, der tausendfache Mord fremder Proletarier, das wiederholt ein
Noske an den deutschen Arbeitern. Die "sozialistische" Regierung
Ebert-Scheidemann-Noske ist zum Massenhenker des deutschen Proletariats geworden.
Sie lauerten nur auf die Gelegenheit, "Ordnung
zu schaffen". Wo immer Proletarier sich regten, da sandte Noske seine
Schergen hin. Berlin, Bremen, Wilhelmshaven, Cuxhaven, Rheinland-Westfalen,
Gotha, Erfurt, Halle, Düsseldorf: das sind die blutigen Stationen des
Noskeschen Kreuzzuges gegen das deutsche Proletariat.
Tausende eurer Brüder sind mißhandelt,
gefangen, geschändet, gemordet, schamlos, niederträchtig gemordet, viehisch
dahingemetzelt wie tolle Hunde!
Denkt an eure Spandauer Genossen*, denkt an
die mit der Reitpeitsche mißhandelten und totgeschlagenen "Vorwärts"-Parlamentäre**,
denkt an Rosa Luxemburg, an Karl Liebknecht!
Fürwahr, wenn man mit Mord und mit Gewalt
das Proletariat zwingen könnte: die Ebert-Scheidemann-Noske hätten es
vermocht.
Aber das Proletariat spottet jetzt seiner
Unterdrücker. Es hat nicht umsonst die Schauer des vierjährigen Krieges
über sich ergehen lassen. Es hat nicht umsonst vier Jahre lang in Hunger
und Elend gelegen. Es ist nicht umsonst heute zu Hunderttausenden arbeitslos
aufs Pflaster geworfen, ständig bedroht von Handgranaten und
Maschinengewehren verbrecherischer Schergen von Offizieren.
Starr wie der Firn steht dem Proletariat
das ganze Grausen kapitalistischer Zerstörung, das ganze Elend
kapitalistischer Unterdrückung im Gesicht.
Aber das Proletariat hat das Fürchten
verlernt.
Hinter sich die Schrecken kapitalistischer
Anarchie, mit ihm die Qualen des kapitalistischen Chaos, vor ihm die ewige
Barbarei des Kapitalismus oder das ewige Glück des Sozialismus ‑
kann es da wählen?
Das Proletariat muß das Werk dieser
Revolution vollenden. Es kann nicht niedergeschlagen werden durch Säbel und
Kolben. Das Proletariat ist unüberwindlich: Es braucht nichts anderes zu
tun ‑ als nichts zu tun.
Der Generalstreik ist die Waffe, die den
todwunden Kapitalismus endgültig zu Boden schlägt. Der Generalstreik ist
die Waffe, die die Bourgeoisie und ihre Henkersknechte, die
Ebert-Scheidemann-Noske, fürchten wie den Tod.
Schon fangen sie an zu winseln. Schon
kommen sie wieder mit Versprechungen. Schon kommen sie mit neuen
Vertröstungen.
Arbeiter! Parteigenossen!
Seid euch klar: Die Ebert-Scheidemann-Noske
sind die Todfeinde der Revolution. Sie haben um ihrer Ministersessel willen
euch an die Bourgeoisie verkauft. Sie haben euch verraten vom ersten Tage
an, sie haben um euch die Stricke der Nationalversammlung gelegt, sie haben
euch täglich morden lassen.
Arbeiter! Parteigenossen! Seid euch bewußt:
Die Revolution kann nur voranschreiten über das Grab jener
Mehrheitssozialdemokratie.
Das Stoßgebet des deutschen Arbeiters in
jeder Stunde ist: Nieder mit Ebert, Scheidemann, Noske! Nieder die
Verräter! Und folgen muß ihnen jenes Gewebe der Lüge und des Betruges, das
in Weimar gesponnen ist. Folgen muß ihnen die neuaufgetakelte Verbrechergesellschaft,
die alle Schamlosigkeiten des alten Regimentes mitgemacht hat und nun in
Weimar sich und der Welt das "neue Deutschland" vorschwindelt.
Nieder mit der Nationalversammlung!
Das deutsche Proletariat kann aus der
Sklaverei des Kapitals und aus den Ruinen dieses Krieges nur heraus, wenn
es selbst die Gewalt in die Hand nimmt. Kein Paktieren mit den
Unterdrückern von Jahrtausenden her, kein Teilen der Macht mit denen, die
jedes Teilchen der Macht gegen das Proletariat mißbrauchen: Allein das
Proletariat, das die Wirtschaft trägt, das alle Lasten des Krieges
getragen, das verarmt und verelendet ist, während der Kapitalist sich
bereicherte, leere Taschen hat, während der Kapitalist von millionenfachen
Kriegsgewinnen lebt, das Proletariat soll Herr sein! Alle Macht den
Arbeiterräten!
Das ist die dritte Losung. Das ist das Ziel
eurer Revolution. Um dieses Zieles willen sind eure Genossen in ganz
Deutschland seit Wochen in einen neuen Kampf getreten.
Eure Brüder streiken!
Die Kapitalisten wanken!
Die Regierung ist am Stürzen!
Arbeiter! Proletarier! Zaudert nicht!
Auf zum Generalstreik!
Auf zum neuen Kampf für die Revolution!
Auf zum neuen Kampf gegen die Unterdrücker!
Arbeitet nicht mehr, bis euch das
Mitbestimmungsrecht in den Betrieben gesichert ist!
Arbeitet nicht mehr, bis euch das volle
Vereins- und Versammlungsrecht, auch auf der Straße, gesichert ist!
Arbeitet nicht mehr, solange stündlich euch
die Flinte der Noskeschen weißen Garde bedroht!
Arbeitet nicht mehr, solange eure Mörder
spazierengehen und eure Brüder in die Gefängnisse wandern!
Arbeitet nicht mehr, solange die
Ebert-Scheidemann-Noske, statt euch den Frieden zu geben, euch in den Krieg
mit Rußland stürzen, um so das zu ersticken, was allein eure Rettung ist:
die proletarische Weltrevolution.
Folgendes sind eure Forderungen für den
Generalstreik:
1. Wahl von Betriebsräten in allen Betrieben, die im Einvernehmen
mit den Arbeiterräten die inneren Angelegenheiten der Betriebe zu ordnen,
die Arbeitsverhältnisse zu regeln, die Produktion zu kontrollieren und
schließlich die Betriebsleitungen zu übernehmen haben. Insbesondere ist es
schon jetzt deren Aufgabe, über Stillegung und Wiederinbetriebsetzung zu
entscheiden.
2. Beseitigung der Willkürherrschaft der Soldateska, Herstellung
des vollen Vereins- und Versammlungsrechtes, Übertragung der Polizeigewalt
auf die Arbeiterräte.
3. Auflösung der weißen Garde, Entwaffnung der Offiziere,
Studenten, Bürger usw., Bildung einer Roten Garde, Unterstellung aller
militärischen Machtmittel unter einen von Arbeitern gewählten Ausschuß,
Zurückziehung aller Truppen aus den „besetzten" Arbeitergebieten
Rheinland-Westfalen, Bremen usw.
4. Befreiung aller politischen Gefangenen, der
Untersuchungsgefangenen wie der Verurteilten, Einstellung der Prozesse
wegen der Januarvorgänge in Berlin, Verhaftung der Mörder Liebknechts und
Rosa Luxemburgs. Einsetzung eines Revolutionstribunals, das die
Hauptschuldigen am Kriege, die Hohenzollern, Ludendorff, Hindenburg,
Tirpitz, das die Verräter an der Revolution, Ebert, Scheidemann, Noske, und
die Mörder von Liebknecht und Luxemburg, von den „Vorwärts"
-Parlamentären, den Spandauer Genossen usw. aburteilt.
5. Sofortiger Abschluß des Friedens mit Rußland, Aufnahme der
diplomatischen Beziehungen mit der Sowjetrepublik.
Arbeiter! Parteigenossen!
Das ist die nächste Stufe, die ihr
erreichen müßt, daß das Werk der Revolution, daß eure Existenz und Zukunft,
daß die Wohlfahrt eurer Kinder, das Glück der Menschheit nicht zuschanden
werde!
Laßt die Arbeit ruhen! Bleibt vorläufig in
den Betrieben, auf daß euch die Betriebe nicht entwunden werden! Versammelt
euch in den Betrieben! Klärt die Zagen und Zurückgebliebenen auf!
Laßt euch nicht in unnütze Schießereien
ein, auf die der Noske nur lauert, um neues Blut zu vergießen! Bleibt in
den Betrieben beieinander, damit ihr aktions- fähig seid in jedem
Augenblicke! Höchste Disziplin! Höchste Besonnenheit! Eiserne Ruhe! Aber
auch eiserner Wille!
Arbeiter! Proletarier!
Ihr habt das Schicksal der Welt in den
Händen. Bildet die Welt, daß sie des Menschen würdig werde! Nur durch die
Kraft des Proletariats kann es geschehen.
Auf zum Kampfe!
Auf zum Generalstreik!
Nieder mit Ebert-Scheidemann-Noske, den
Mördern, den Verrätern!
Nieder die Nationalversammlung!
Alle Macht den Arbeiterräten !
Laßt euch nicht wieder betrügen. Laßt euch
nicht wieder hinhalten mit neuen Versprechungen. Laßt euch nicht wieder
einwickeln, wenn wieder neue Mittelsmänner kommen und mit den
Ebert-Scheidemann verhandeln und eine neue Resolution aufsetzen mit den
Ebert-Scheidemann. Laßt euch nicht wieder nach Hause schicken mit nichts
anderem als blöden Versprechungen von "Sozialisierungskommissionen".
Laßt euch nicht wieder in den Arm fallen, von keinem, heiße er, wie er
wolle, heiße er sich auch ein Unabhängiger.
Das, was ihr jetzt fordert, darf euch nicht
versprochen werden: Es muß geschehen.
Zentrale der Kommunistischen Partei
Deutschlands (Spartakusbund)
Kommunistische Fraktion der A.‑ und S.‑Räte
Groß‑Berlins
Die kommunistischen Vertrauensleute der
Großbetriebe Groß-Berlins
Die Bezirksleitung der KPD Groß‑Berlins
* Freikorpssöldner ermordeten am 10. Januar 1919 den
Vorsitzenden des Spandauer Arbeiterrats und am 16. Januar vier
Spandauer Arbeiterfunktionäre auf dem Transport in das Tegeler Gefängnis.
** Sieben Parlamentäre und Kuriere der eingeschlossenen
Verteidiger des "Vorwärts"-Gebäudes in Berlin wurden am 11. Januar
1919 von der konterrevolutionären Soldateska bestialisch ermordet.
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Verordnung Gustav
Noske, 3. März 1919[5]
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Nachdem das preußische Staatsministerium
durch Verordnung vom 3. März 1919 über den Landespolizeibezirk Berlin,
den Stadtkreis Spandau und die Landkreise Teltow und Niederbarnim den
Belagerungszustand verhängt hat und die vollziehende Gewalt auf mich
übergegangen ist, verordne ich, was folgt:
§ 1. Die Zivilverwaltungs- und Gemeindebehörden verbleiben in
ihren Funktionen, haben jedoch erforderlichenfalls meinen Anordnungen und
Aufträgen zu folgen.
§ 2.
(1) Alle Versammlungen unter freiem Himmel sind verboten, alle
öffentlichen Versammlungen in geschlossenen Räumen bedürfen meiner
Genehmigung.
(2) öffentliche Aufzüge sowie Ansammlungen und Zusammenrottungen
auf öffentlichen Straßen und Plätzen sind verboten.
(3) Der Verkehr auf öffentlichen Straßen und Plätzen ist im
Interesse der persönlichen Sicherheit der Bevölkerung auf das unbedingt
notwendige Maß zu beschränken.
§ 3. Das Erscheinen neuer Zeitungen unterliegt meiner
Genehmigung.
§ 4. Die Befolgung vorstehender Anordnungen wird nötigenfalls
mit Waffengewalt erzwungen; außerdem werden Zuwiderhandlungen gemäß § 9b
des Belagerungszustandsgesetzes bestraft.
§ 5. Für das Gebiet des Belagerungszustandes werden
außerordentliche Kriegsgerichte eingesetzt, und zwar je eins für die
Landgerichtsbezirke I, II und III Berlin, die ihre Tätigkeit mit dem
dritten Tage nach Erlaß dieser Verordnung aufnehmen.
Der Oberbefehlshaber in den Marken: Noske,
Reichswehrminister.
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[6]:
SPD Flugblatt 1. März
["Die Sozialisierung marschiert!"].
Regierung 2. März
Die Sozialisierung ist da!
Das Kohlensyndikat wird sofort
sozialisiert. Dadurch gewinnt das Reich, d.h. das ganze Volk noch vor der
Sozialisierung der Gruben selbst maßgebenden Einfluß auf die gesamte
Kohlen- und Schwerindustrie.
Die Sozialisierung des Kalibergbaus ist in
schleunigster Vorbereitung. Das allgemeine Sozialisierungsgesetz, das der
Nationalversammlung vorgelegt ist, begründet an Stelle der früheren
schrankenlosen Privatwirtschaft die deutsche Gemeinwirtschaft.
Das Reich, d.h. wir alle regeln diese
deutsche Gemeinwirtschaft. Das Reich wird dafür sorgen, daß überall nach
den Forderungen des Gemeininteresses, nirgends im kapitalistischen
Privatinteresse gewirtschaftet wird.
Und das ist Sozialismus!
Das Reichsministerium
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Erklärung KPD Vollversammlung Arbeiter- und Soldatenräte
Groß-Berlin, 4 März 1919[7]
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Der Generalstreik richtet sich gegen die
von der SPD geführte Regierung und deren Politik. Die Vertreter dieser
Politik in die Streikleitung zu übernehmen, bedeutet den Verrat an dem
Generalstreik und an der Revolution. Die Folgen dieses Verrats zeigen sich
schon heute, da nahezu die ganze gegenrevolutionäre Presse, insbesondere
der "Vorwärts", erscheint, während die revolutionäre Presse nicht
erscheint. Die Kommunistische Partei Deutschlands lehnt es ab, in
irgendeiner Form die Verantwortung für diesen Verrat zu tragen. Sie zieht
als Zeichen schärfsten Protests ihre Mitglieder aus dem Vollzugsrat zurück.
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Beschluß
Konferenz Arbeiterräte, Berlin, 5. März 1919[8]
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Sie [die Konferenz] stellt fest, daß der
Streik gegen den Willen der Sozialdemokratischen Partei und ihrer Vertreter
im Groß-Berliner Arbeiterrat von einer durch Kommunisten und Unabhängige
beherrschten Versammlung der Arbeiterräte eingeleitet worden ist. Nach dem
Ergebnis der Verhandlungen mit der Regierung kann die Konferenz eine
weitere Fortsetzung des Generalstreiks nicht unterstützen, wenn auch die
Kommission des Vollzugsrats mindestens dieselben Zugeständnisse der
Regierung mitbringt. In dieser Voraussetzung werden die sozialdemokratischen
Arbeiterräte beauftragt, den Abbruch des Streiks zu beantragen und im Fall
der Ablehnung dieses Antrages den Streik selbständig aufzuheben.
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G. Noske (le 25 février) [9].
Schon in einer früheren Erklärung des Herrn
Kriegsministers, die ich mitunterzeichnet habe, ist in Aussicht gestellt
worden, daß bewährten Unteroffizieren die Offizierslaufbahn zu eröffnen
sei. Daß Offiziere und Unteroffiziere in beträchtlicher Anzahl in die
Reichswehr eintreten sollen, ist im Gesetze ausdrücklich ausgesprochen
worden. Ich betone aber ebenfalls, daß auch das durchaus der Auffassung des
Herrn Kriegsministers und meiner Auffassung entspricht. Es ist eine
Selbstverständlichkeit, daß in bezug auf die Versorgung derjenigen, die in
die Reichswehr eintreten, die gesetzlichen Bestimmungen Geltung haben, und
ebenso halten wir es für etwas absolut Gebotenes, daß diejenigen Leute, die
eine lange militärische Erfahrung haben, beim späteren Wiederaufbau einer,
ganz gleich wie immer gearteten, deutschen Wehrmacht mit in erster Linie
zur Verwendung kommen müssen, weil es etwas ganz Törichtes wäre, den
Versuch zu machen, eine Wehrmacht aufzustellen, ohne sich dabei der
bewährten Kräfte zu bedienen, die langjährige Erfahrungen gesammelt haben.
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Vorwärts [10]:
"Wo die Bestialität anfängt, hört die Solidarität
auf."
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Verordnung Gustav Noske, 9. März 1919[11]
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Die Grausamkeit und Bestialität der gegen
uns kämpfenden Spartakisten zwingen mich zu folgendem Befehl: Jede Person,
die mit den Waffen in der Hand gegen Regierungstruppen kämpfend angetroffen
wird, ist sofort zu erschießen.
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Verlautbarung 10. März
[12]:
Die Volksmarinedivision ist aufgelöst.
Jeder frühere Angehörige dieser Division, der mit der Waffe in der Hand betroffen
wird, wird nach Kriegsrecht behandelt.
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Befehl
Garde-Kavallerie-Schützen-Division, 10. März 1919 [13]
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Garde-Kav.‑Division.
Abt. I a. Nr. 20950
Befehl für den 10. 3. nachm. Und
den 11. 3.
Div.‑ST.‑Qu., den 10. 3. 1919
Leitsatz:
Wer sich mit Waffen widersetzt oder
plündert, gehört sofort an die Mauer. Daß dies geschieht, dafür ist jeder
Führer mitverantwortlich.
Ferner sind aus Häusern, aus welchen auf
die Truppen geschossen wurde, sämtliche Bewohner, ganz gleich, on sie ihre
Schuldlosigkeit beteuern oder nicht, auf die Straße zu stellen, in ihrer
Abwesenheit die Häuser nach Waffen zu durchsuchen; verdächtige
Persönlichkeiten, bei denen tatsächlich Waffen gefunden werden, zu
erschießen.
Ziffer 2e:
Jeder Hausbewohner oder Passant, der in
unrechtmäßigem Besitz von Waffen gefunden wird, ist festzunehmen und mit
kurzem Bericht in dem nächsten Gefängnis abzuliefern. Wer sich mit der
Waffe in der Hand zur Wehr setzt, ist sofort niederzuschießen.
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[14]:
"Alles, was er erschießen könne, solle er
erschießen."
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Flugblatt KPD, 11. März 1919[15]
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Der Generalstreik
in Berlin
Arbeiter! Parteigenossen! Im Januar haben
eure Feinde prahlerisch verkündet: Spartakus hat ausgeblutet. Sie haben
prahlerisch verkündet: die Revolution sei nun zu Ende. Des Sieges so
sicher, haben sie die Nationalversammlung nach Weimar berufen, damit sie
noch die Erde schaufle über der toten Revolution.
Und im März habt ihr euch wieder erhoben.
Es ist ein Generalstreik in Berlin ausgebrochen, wie ihn die Stadt noch
nicht gesehen hat. Wie auf einen Schlag standen die großen Betriebe still.
Die kleineren Betriebe folgten. Die Verkehrs-Institute ruhten. Keine
Straßenbahn, keine Untergrundbahn, kein Omnibus, nichts auf den Straßen zu
sehen. Die Eisenbahner schlossen sich dem Streik an. Die Gas- und
Elektrizitätsarbeiter widerstanden nicht. Ja selbst die Buchdrucker konnten
sich der Wirkung dieser mächtigen Willenserklärung des Proletariats nicht
entziehen. Auch sie traten in den Streik.
So ist das Berliner Leben durch euren Willen
mit einem Male stillgelegt worden, und nichts täuschte über die gewaltige
Wirkung des Schlages auf die Bourgeoisie hinweg : nicht, daß ein paar
Ladengeschäfte im Innern der Stadt oder im Westen noch weiterbetrieben
wurden, nicht, daß die ältesten Kremser von abgeschundenen Krippensetzern
durch die Straßen segelten. Berlin war tot.
Und wenn noch einer an der Wirkung des
Schlages auf die Bourgeoisie zweifelte: Der Noske und die Noskegarden haben
ihn eines anderen belehrt.
Am Montag [5. März] seid ihr in den
Streik getreten. Am selben Tage trat "Arbeiter" Noske mit seiner
Garde auf den Plan. Ihr hattet nichts verbrochen. Ihr übtet nur euer
Koalitionsrecht aus. Ihr übtet strengste Disziplin, und doch kam der "Arbeiter"
Noske mit seinen Schergen, ließ Wohnungen plündern, Passanten
niederschießen, Handgranaten werfen, verbot die "Rote Fahne",
ließ in Schutzhaft setzen, wessen er habhaft werden konnte, setzte
Kriegsgerichte ein, um von neuem die Gefängnistore zu öffnen, die sich
hinter den Opfern vom Januar noch nicht geschlossen.
Das alles tut man nicht, wenn man nicht
weiß: der Feind, der sich hier erhoben, das Proletariat, das im Herzen den
Glauben an seinen Sieg, das in der Hand die scharfe Waffe des
Generalstreiks hat, wird die Noske samt ihrem Ebert und Scheidemann und
samt ihrem Kapitalistenvolk doch zerschmettern.
Alle die Schreckenstaten der Noskegarden
zeigen neben der Niedertracht ihrer Urheber uns eines: die bleiche Furcht,
den panischen Schrecken, der sie alle erfaßt hat.
So habt ihr, Arbeiter und Proletarier, eine
Tat vollbracht, die sich würdig stellt neben die großen Streiks, die eure
russischen Brüder in ihren Kämpfen durchgeführt haben.
Wenn jetzt der Kampf in das Stadium geraten
ist, daß der Arbeiterrat die Aufnahme der Arbeit anempfohlen hat, so ist
das kein Grund, niedergeschlagen zu sein. Stolz könnt ihr das Haupt
erheben, und nur eines müßt ihr tun: Lehren ziehen aus dem Geschehenen für
Kommendes.
Dieser Kampf begann, weil die verkappte
Kapitalistenherrschaft der Ebert - Scheidemann nachgerade unerträglich
geworden war. Der Kampf richtete sich gegen die Ebert -Scheidemann, die das
Rätesystem auf den Schindanger führen wollten, die die Mörder eurer Brüder
und Führer schützten und der Strafe entzogen, die mit ihrer weißen Garde
das Proletariat in ganz Deutschland in den Staub zu treten suchen.
Der Generalstreik war der Kampf gegen das
Schreckens- und Betrugsregiment.
Und was geschah?
Eben diese Anhänger der Ebert-Scheidemann,
sie, die als willige Agenten dem Proletariat die Schandtaten der Ebert-Scheidemann
schmackhaft zu machen suchten und versuchen, ebendie kamen in die
Streikleitung.
Was hatten sie dort zu suchen? Nichts! Was
taten sie dort? Alles, was möglich war, um den Streik zu sabotieren, um ihn
zu verzetteln, um ihn zu erwürgen, um ihm das Genick zu brechen. Das taten
sie, und man konnte von den Kreaturen der Ebert-Scheidemann nichts anderes
erwarten.
Wie aber kamen sie in die Streikleitung?
Wir von der Kommunistischen Partei waren
durch die Erfahrungen der Januarwoche gewitzigt. Wir wußten, daß die
Unabhängigen in ihrer Schwäche unfähig seien, im Generalstreik
durchzuhalten. Wir wußten, daß sie im ersten Augenblicke schon beginnen
würden zu kuhhandeln.
Wir verwahrten uns dagegen, dazu unseren
Namen herzugeben. Wir waren aber bereit, alles zu tun, um in der
technischen Durchführung des Generalstreiks die volle Solidarität
herzustellen, indem wir 3 Mitglieder in die Streikleitung der USP und
diese 3 Mitglieder zu uns delegieren sollten.
Das haben die Unabhängigen abgelehnt. Aber
ein anderes hatten sie, zumal der Vorsitzende des Vollzugsrats, im Plan.
Richard Müller hat den Plan entworfen und
durchgeführt, die Mehrheitler* in die Streikleitung zu nehmen, und er
wollte selbst die Demokraten dazu bringen, und es lag nur an den Demokraten
selbst, wenn nicht auch sie in der Streikleitung vertreten waren.
Lieber wollte Richard Müller mit den
Mehrheitlern und Demokraten den Streik zugrunde richten als ihn mit uns
energisch führen.
Die Folgen zeigten sich rasch. Am
Donnerstag sprengten die Mehrheitler die Streikleitung. Die Unabhängigen
wandten sich an uns. Wir waren bereit, in die durch die Schuld der
Unabhängigen entstandene Bresche zu springen. Wir glaubten im Interesse der
Bewegung auch in dem Augenblick eintreten zu müssen, in dem die Situation
durch die Schuld der Unabhängigen schon so verfahren war wie nur möglich.
Was aber taten die Unabhängigen? In dem
Augenblicke, in dem sie sich an uns wandten und wir unsere Hilfe zusagten,
begannen sie die Verhandlungen, die kaum anders als Unterwerfung aussahen.
Wenn Däumig sagt, sie hätten diese
Verhandlungen begonnen, weil sie auch von uns verlassen worden seien, so
ist das eine dreiste Lüge, die dazu bestimmt ist, die Feigheit der
Unabhängigen zu verhüllen.
Jawohl, Arbeiter und Parteigenossen, die Unabhängigen
haben erst durch ihr Paktieren mit den Mehrheitlern und dann durch ihre
Feigheit den vorzeitigen Abschluß des Generalstreiks herbeigeführt.
Sie hätten die Niederlage des Proletariats
herbeigeführt, wenn nicht das, was mit diesem Generalstreik erreicht werden
konnte, erreicht worden wäre.
Was konnte der Generalstreik erreichen?
Er konnte, wenn er auf Berlin beschränkt
blieb, nur erreichen, daß die breiten Massen des Proletariats erkennen, daß
ihr Kampf für den Sozialismus von den Mehrheitlern aus Niedertracht, von
den Unabhängigen aus Schwäche verraten wird. Er konnte nur dem Proletariat
zeigen, daß es seine Zukunft nur gewinnen kann unter der klaren,
unwiderstehlichen und durch keinen Pakt verfälschten Parole: Alle Macht den
Arbeiter- und Soldatenräten!
Das Proletariat hat erkannt, daß es dieses
Ziel nur erreichen kann im schärfsten Kampfe gegen Ebert und Scheidemann
und alle die, die zwischen diese und es selbst sich drängen, den Richard
Müller und die Unabhängigen, die noch immer glauben, man könne die
Revolution mit Schlauheit "machen".
Zur Ergreifung der politischen Macht durch
das Proletariat konnte dieser Generalstreik nicht führen. Wir haben aus
diesem Grunde keine solche Parole ausgegeben, wir konnten aus diesem Grunde
auch unsere Anhänger nicht auffordern, sich an dem bewaffneten Kampf zu
beteiligen, der von uns fernstehenden Leuten** unternommen wurde und [den
wir] darum in dieser Situation nicht für politisch, sondern für
putschistisch halten.
Wir sind der Meinung: Der Zeitpunkt der
Machtergreifung durch das Proletariat ist dann gekommen, wenn nicht Berlin,
wenn nicht Leipzig oder Rheinland - Westfalen oder Bremen abwechselnd oder
nacheinander streiken, sondern dann, wenn gekommen ist die nächste Etappe:
der Generalstreik über ganz Deutschland.
Und diesem Ziel sind wir in den Kämpfen
dieser Woche um Meilen nähergerückt.
Das deutsche Proletariat hat gelernt, den
Generalstreik als politische Waffe zu gebrauchen. Das Proletariat von ganz
Deutschland nahezu hat jetzt diese Schule durchgemacht. Berufe, die bisher
ferne standen, sind in den Streik eingetreten. Mächtiger als jemals vorher
hat sich das Proletariat erhoben.
Das Proletariat wird sein Ziel erreichen:
Es hat diesen Kampf abgebrochen und hat alle Kraft bereit zum nächsten
starken und vielleicht letzten Schlag.
Nützet die Zeit aus! Schafft Klarheit in
den Köpfen! Zum Teufel die Verräter! Hinweg mit den Halben
Reinigt die Arbeiterräte! Ein Mehrheitler
verunstaltet den Arbeiterrat! Er mag in die Fabrikantenversammlung gehen!
Wo noch ein Mehrheitler Arbeiterrat ist:
ruft ihn heraus, wählt einen neuen!
Arbeiter! Proletarier! Bedenket die Größe
der Aufgabe, die Größe des Werkes!
Unter Opfern müßt ihr euer Glück erkämpfen,
unter Tränen wird die neue Welt geschaffen. Ihr werdet leisten, was die Weltgeschichte
von euch fordert. Unverdrossen werdet ihr weiterkämpfen und die Proletarier
von ganz Deutschland sammeln unter unserem Schlachtruf:
Nieder mit Ebert-Scheidemann-Noske!
Nieder die Nationalversammlung!
Alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten!
Berlin, den 11. März 1919
Die Zentrale der Kommunistischen Partei
Deutschlands (Spartakusbund)
* Nach der Abtrennung der USPD von der SPD im April 1917, wurde
letztere Partei geläufigerweise als Mehrheitliche Sozial-demokratische
Partei Deutschlands (MSPD) bezeichnet.
** Angehörige des 15. Depots der Republikanischen Soldatenwehr
wurden am 5 März 1919 von Soldaten, die dem Kommando des Generals von
Lüttwitz unterstanden, aus dem Polizeipräsidium am Alexanderplatz
beschossen. Aus dieser Provokation entwickelten sich bewaffnete Kämpfe, die
mit der Besetzung Lichtenbergs am 12. März und der Niedermetzelung von
über 1200 Arbeitern und Soldaten durch die konterrevolutionären Truppen
endeten.
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Aufruf
Kultusminister Preußen Konrad Haenisch, 13. März 1919[16]
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Noch einmal ruft das Vaterland seine
waffenfähige, junge Mannschaft. Noch einmal heißt es: Freiwillige vor!
Heute winken keine Siegeskränze, heute trägt Euch nicht der Aufschwung
eines in erster Kriegsnot geeinigten Volkes. Heute reißt keine Begeisterung
Euch fort, noch zwingt das Gebot der allgemeinen Wehrpflicht. Die gereifte
Jugend ergreift freiwillig die Waffen, weil sie den furchtbaren Ernst
unserer Lage erkennt und weiß, was die Pflicht der Selbsterhaltung von ihr
fordert. Die deutsche Wehrmacht liegt in Trümmern, die Flut des
Bolschewismus droht unseren Grenzwall im Osten zu durchbrechen, die Hydra
der Anarchie und des Bürgerkrieges erhebt im Innern ihr Haupt. Rette Dein
Vaterland, deutsche Jugend! Der ganzen deutschen Jugend aller Stände gilt
unser Ruf, auch auf diesem ernsten Weg führend voranzugehen. Schulter an
Schulter mit Euren Altersgenossen aus dem Arbeiterstande sollt Ihr jungen
Akademiker der Regierung helfen, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Gewiß habt
Ihr es besonders schwer, Euch von der langentbehrten Arbeit loszureißen.
Aber es muß sein. Zeigt, daß Ihr zu Führern berufen seid. Was in
Menschenkräften steht und von den Behörden geleistet werden kann, Euch
dieses Opfer zu erleichtern, soll geschehen. Keine Kenntnisse und keine
Examina können Euch nützen, wenn die Staatsordnung sich auflöst, in der Ihr
Euch betätigen wollt. Blickt nicht auf die, die sich in der gemeinsamen Not
beiseite drücken, blickt auf die, die vorangehen. Tretet ein in die
Freiwilligenverbände. Schützt das bedrohte Kulturerbe Eurer Väter, rettet
Eure eigene Zukunft. Hilf, deutsche Jugend !
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Gustav Noske,
13. März 1919 (Auszüge)[17]
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[...]
Die große Masse der Berliner Arbeiter sind
selbstverständlich anständige Menschen. Aber üble Elemente sind in der
Millionenstadt in Menge vorhanden. Wer früher nicht daran gedacht hat,
mußte nach den im November gemachten Erfahrungen wissen, daß Revolutionstage
von Verbrechern dazu ausgenutzt werden, auf Rand und Plünderung auszugehen.
Noch ehe der Streikbeschluß in Berlin gefaßt war, der die neue Revolution
einleiten sollte, waren diese Verbrecher auf den Berliner Straßen bei ihrer
Arbeit. Plünderungen schlimmster Art, durch die Millionen und aber
Millionen von Werten zerstört worden sind, begannen schon am Montag
nachmittag. Es kam dabei ferner schon zu gelegentlichen Schießereien. Am
Dienstag früh wurden mir Berichte vorgelegt, wonach in nicht weniger als
32 Revieren die Polizeimannschaften ausgehoben, die Polizeiwachen
gestürmt waren. Es ist am Dienstag von dem Ausschuß der Berliner
Arbeiterschaft, der als Vollzugsrat der Streikleitung fungierte, ein
Mitteilungsblatt herausgegeben worden, in dem über diese Vorgänge in Berlin
geschrieben wird:
Wie bei allen großen Massenbewegungen
hefteten sich auch bei diesem politischen Generalstreik allerlei unsaubere
Elemente an die Fußspuren der ehrlichen und klassenbewußten Arbeiterschaft.
Wie im Kriege den Hyänen des Schlachtfeldes und den Kriegsgewinnlern ein
reiches Betätigungsfeld eröffnet, so bleiben auch den freiheitlichen
Bewegungen des Volkes die Hyänen der Revolution nicht erspart. Leider hat
am Montag aber derartiges lichtscheues Gesindel dem ehrlichen Kampf der
Arbeiterschaft dadurch geschadet, daß sie Plünderungen und Radauszenen
hervorgerufen haben.
Das "lichtscheue Gesindel" um mit
dem Mitteilungsblatt zu reden, "die Hyänen der Revolution",
hatten ihr Treiben begonnen, ehe der Belagerungszustand verhängt worden
war, und ehe ich einen Soldaten hatte nach Berlin einmarschieren lassen.
[...]
Die Ansichten der Juristen über die
rechtliche Zulässigkeit der Verfügung gehen auseinander. Ich lasse mich auf
juristische Tüfteleien nicht ein. Wenn in den Straßen Berlins tausende
Menschen die Waffen gegen die Regierung führen, Mörder und Plünderer Orgien
feiern, besteht ein Zustand außerhalb jedes Rechts. Die Staatsnotwendigkeit
gebot, so zu handeln, daß so rasch wie möglich wieder Ruhe und Sicherheit
hergestellt werden. Das habe ich notgedrungen versuchen müssen.
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Gustav Noske,
Juni 1919 (Auszüge)[18]
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[...] Es ist ein Jammer, daß Proletarier
jetzt gegeneinander die Waffen führen und geführt haben. Wenn darüber
Betrachtungen angestellt und Vorwürfe erhoben werden, dann ist jedesmal die
Tatsache voranzustellen, daß die Liebknecht, Ledebour und Genossen es
waren, die ihre Anhänger bewaffnet auf die Berliner Straßen schickten in
den Tagen, als wir nicht einen Mann zu unserer Verfügung hatten. [...] Mir
ist gestern gesagt worden, ich würde wahrscheinlich auf dem Parteitag einen
besonders schweren Stand haben. Ich habe nicht eine Sekunde das Gefühl
gehabt, daß ich hier als Angeklagter zur Verteidigung das Wort zu nehmen
habe. [...] Es sind namentlich viele Klagen über die Freiwilligen-Truppen
erhoben worden. Dabei wird vielzusehr verallgemeinert. Es sind zahlreiche
unerfreuliche, in einigen Fällen außerordentlich böse und
verurteilungswürdige Dinge vorgekommen. Das verteidigt niemand. Der
Wiederholung ist mit allem Nachdruck vorgebeugt. Wer Gelegenheit hatte, die
Truppen in den letzten Monaten zu beobachten, muß mir zustimmen, daß sie
beinahe von Woche zu Woche besser, disziplinierter, manierlicher geworden
sind. Mißstände sind zu kritisieren, damit sie beseitigt werden. Aber über
der Kritik, die unsere Parteigenossen an den Freiwilligen-Truppen üben,
dürfen Sie nicht vergessen, daß die unter meiner verantwortlichen Leitung
organisierten Freiwilligen das große Verdienst haben, Deutschland vor dem
Chaos bewahrt zu haben. Dafür verdienen die Truppen und dafür verdienen
ihre Führer Dank und Anerkennung. [...] Das neue Heer wird demokratisch,
das läßt sich aber von heute auf morgen auch nicht machen. Am Tage vor
Pfingsten habe ich in Berlin eine ganze Anzahl von Unteroffizieren um mich
versammeln können, um ihnen mitzuteilen, daß ich an einem einzigen Tage 75
Unteroffiziere zu Offizieren befördert habe. Dabei ist nicht zu übersehen,
daß nicht jeder Offizier aus dem Mannschaftsstande eine zuverlässigere
Stütze für uns ist. Besonders eine zuverlässigere Stütze als eine ganze
Anzahl von Offizieren, deren hohes Staatsgefühl und Pflichtgefühl ich
schätzen und respektieren gelernt habe. Gefestigte Demokraten oder
Sozialdemokraten können viele der Soldaten von früher nicht sein. Sie sind
Soldaten von Beruf, und sie stellen auch heute die Geldfrage manchmal sehr
stark in den Vordergrund. [...] Nach dem Frieden, den, ganz gleich, welche
Regierung abschließen wird, wird es für Deutschland eine allgemeine
Wehrpflicht, die uns die Anwendung unserer Erfurter Grundsätze auf das
Militärsystem ermöglichte, nicht mehr geben. Wir werden wohl oder übel
genötigt sein, beim Werbesystem zu bleiben. Daß dabei eingehendste
Rücksicht auf die Allgemeininteressen zu nehmen ist, ist eine
Selbstverständlichkeit. [...]
Dieselben, die jetzt wieder in Berliner
Versammlungen dicke Töne der Kritik reden, sind es gewesen, die damals zu
mir gekommen sind, die zum Teil zum Ausdruck gebracht haben, daß meine
Kollegen nicht genügend Courage haben, nicht den rechten Mut hätten,
zuzupacken. Mir trauten sie das zu, ich sollte doch endlich einmal ein Ende
machen. Was für mich dabei herauskommen würde, habe ich an jenem Montag,
dem 6. Januar, in der Reichskanzlei, als mir der Zentralrat seine bekannten
weitestgehenden Vollmachten erteilte, vollständig klar erkannt. Damals habe
ich gesagt: einer muß ja die Geschichte machen, ich bin mir aber darüber
klar, daß das für mich bedeutet, daß ich als Bluthund durch die Deutsche
Revolution werde laufen müssen. Dessen war ich mir am ersten Tage bewußt,
und nicht aus Vergnügen und nicht aus Herostratentum, sondern lediglich aus
ernstem Pflichtbewußtsein habe ich mich veranlaßt gesehen, diese Blutarbeit
im Interesse des deutschen Volkes zu leisten. In größter Hast sind im
Januar die Neuformationen tatsächlich aus dem Boden gestampft worden. Weil
in Berlin keine Hand zu rühren war, mußte ich mich außerhalb Berlins
hinsetzen. Von der Reichskanzlei, von den Berliner Parteigenossen wurde ich
Tag für Tag bestürmt: Du mußt kommen, mußt rasch helfen, sonst geht alles
in Berlin drunter und drüber. Dann ist geholfen worden. Nach dem Parteimitgliedsbuch
der Leute, die damals mit mir nach Berlin einmarschierten, habe ich
allerdings nicht fragen können. Ich mußte zufrieden sein, daß sie überhaupt
ein Gewehr mitbrachten und sich mir zur Verfügung stellten. Natürlich hat
es in Berlin im Januar und noch mehr im März Späne gegeben, hat es
bedauernswerte Opfer gekostet. Aber wenn ich damals nicht hätte zuschlagen
lassen, dann flog die Regierung und dann tagte die Nationalversammlung
nicht, dann tagte auch dieser Parteitag heute nicht.
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Beschluß, angenommen
vom Parteitag der SPD, 13. Juni 1919[19]
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Der Parteitag würdigt die Beschwerden der
Parteigenossen über die Haltung der Freiwilligenkorps und ihrer Führer.
Der Parteitag kann sich aber nicht
verhehlen, daß die sozialdemokratischen Arbeiter an der Unzufriedenheit mit
den Freiwilligenkorps nicht unschuldig sind, weil zu wenige Arbeiter in
diese Korps eintraten und damit die einseitige Zusammensetzung dieser
Truppen verschuldeten.
Durch die Reform der Polizei und der
Gendarmerie sind die Freiwilligenkorps von allen laufenden polizeilichen
Aufgaben fernzuhalten.
Sollen Regierung und Verfassung nicht jedem
willkürlichen Einflüsse unterliegen, ist nicht völlig auf militärische
Macht zu verzichten. Die unterschiedslose Herabsetzung und die
Boykottierung der Freiwilligentruppen wie der Sicherheits- und
Einwohnerwehren durch manche Arbeiter empfindet der Parteitag als eine
Ungerechtigkeit.
Der Parteitag fordert die völlige
Neutralität der Freiwilligentruppen in allen politischen Fragen, um sie vor
jedem Verdachte gegenrevolutionärer und anderer Ausschreitungen zu sichern.
Alle Ausschreitungen von Mitgliedern der
Freiwilligentruppen werden vom Parteitage entschieden verurteilt, deshalb
erwartet der Parteitag eindeutige und feste Maßnahmen gegen jeden Mißbrauch
der militärischen Gewalt. Er erhofft dies vor allem durch die
weitestgehende Demokratisierung des Offizierkorps und durch den Eintritt
unserer Parteigenossen in die Reichswehr.
Ebenso muß in geeigneter Weise
Aufklärungsarbeit innerhalb der Truppenverbände durch Parteigenossen
geleistet werden. Zu diesem Zweck hat die Partei Einrichtungen zu schaffen.
Der Belagerungszustand darf nur verhängt
und Truppenverbände dürfen nur dann eingesetzt werden, wenn die zuständige
Parteiorganisation vorher gehört ist.
In den Orten, in denen Truppen
untergebracht sind, und in Orten, die vorübergehend zur Aufrechterhaltung
der Ruhe und Ordnung mit Truppen belegt werden müssen, sind den
Befehlshabern geeignete Personen aus Parteikreisen beizuordnen. In allen
Fällen, wo die Truppen verwendet werden sollen, haben diese Genossen
maßgebendes Mitbestimmungsrecht.
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Aufruf
Kriegsminister Sachsen, Gustav Neuring, 18. März 1919 (Auszüge)[20]
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[...] der unserem Vaterland von außen und
im Innern drohende Bolschewismus erfordert höchste Beschleunigung in der
Aufstellung der Freiwilligen-Truppen. [...] Alle Kreise der Bevölkerung
dürfen in dieser schweren Zeit in ihrer Bereitwilligkeit, mit Mut und Blut
für die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Ordnung und für die
Rettung der noch verbliebenen Güter einzutreten, nicht zurückstehen. Es ist
auch erwünscht, daß die Schüler der oberen Schulklassen und Studenten,
Söhne ländlicher Besitzer, junge Kaufleute sich zahlreich so bald wie
möglich melden.
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Aufruf
Neunerkommission Essen, 24. März 1919 (Auszüge)[21]
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An die Bergarbeiter
des rhein.‑westf. Industriegebiets.
Kameraden!
Es wird weiter von einem Teil der Führer
der Mehrheitssozialisten und leider auch der Bergarbeiterverbände versucht,
durch eine maßlose Hetze gegen die Neunerkommission das Werk der
Sozialisierung des Bergbaues zu hintertreiben. Wir wissen aber, daß diese
einzelnen Personen nicht den Willen der Bergarbeiterschaft vertreten und
die Bergarbeiter nach wie vor fest entschlossen sind, an der Sozialisierung
festzuhalten. Wir fordern:
Die Sozialisierung des Bergbaues muß im
Sinne der Enteignung des privaten Kapitals, der Übernahme der Kohlen-
schätze und der Produktionsmittel in den Besitz der Gesamtheit und der
Verwaltung des Bergbaues durch die Bergarbeiter (Hand- und Kopfarbeiter)
durchgeführt werden. Wir weisen Euch auf die durch Anschlag erlassene
Bekanntmachung hin. Ihr erseht daraus, was aus unserer Forderung nach
wirklicher Sozialisierung gemacht worden ist.
Um zu der so brennenden Frage Stellung zu
nehmen, fordern wir Euch hiermit durch den Arbeiterausschuß, bzw. den
Zechenrat Eurer Schachtanlage auf, Eure Delegierten zu einer Konferenz nach
Essen zu entsenden. In der Konferenz soll auch die Neunerkommission neu
gewählt werden.
Die Konferenz findet statt am Sonntag, den
30. März 1919, im Saale des Restaurants "Alt-Essen" in
Essen, Kettwiger Straße 9 (zwei Minuten vom Hauptbahnhof Essen) und
beginnt pünktlich vormittags 10 Uhr.
Kameraden! Seid Ihr gewillt, das Werk der
wirklichen Sozialisierung zu fordern, so sorgt für eine ordnungsmäßige
Beschickung der Konferenz. Alle Schachtanlagen müssen vertreten sein!
[...] Kontrollausweise, ohne welche Einlaß
nicht gewährt werden kann, liegen [hier bei.]
Glückauf!
Die Neunerkommission für die Vorbereitung
der Sozialisierung des Bergbaues im rhein.‑westf. Industriebezirk.
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Dienstanweisung
Zentralstelle für Einwohnerwehren des Landesschutzes Sachsen (Otto Uhlig, Innenminister
seit 21. März) (Auszüge)[22]
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Die Einwohnerwehr bildet den Rückhalt für
die kämpfende Regierungstruppe und übernimmt nach stattgefundenen Kämpfen
die Sicherung der gesäuberten Spartakistennester, um die Regierungstruppen
für andere Aufgaben frei zu machen. [...] Die Parteizugehörigkeit spielt
keine Rolle, Politik wird nicht getrieben.
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Beschluß
Konferenz Delegierte der Bergwerke Ruhr, 30. März 1919 [23]
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Unter dem Namen "Allgemeine
Bergarbeiter-Union" schließen sich sämtliche Bergarbeiter zu einer
Organisation zusammen. Ihre Organe sind die Steigerrevierräte,
Betriebsräte, Bergrevierräte und der Zentralzechenrat. Der Zentralzechenrat
übernimmt die Aufgaben der Neunerkommission, den alten Organisationen sind
sofort die Beiträge zu sperren. Der heute gewählte Zechenzentralrat hat
einen Entwurf der neuen Organisation zu entwerfen, der in einer bald
einzuberufenden Konferenz der Vertreter der revolutionären Bergarbeiter zur
Beschlußfassung vorzulegen ist.
Die Konferenz faßte weiter einstimmig (ohne
Ausnahme) den Beschluß, am Dienstag, den 1. April 1919, vormittags
10 Uhr, geschlossen in den Generalstreik einzutreten und die Arbeit
nicht eher wieder aufzunehmen, bis folgende Forderungen restlos bewilligt
sind:
1. Sofortige Einführung der Sechsstundenschicht mit Ein- und
Ausfahrt für Untertage-Arbeiter unter Beibehaltung des bisher für längere
Schichtdauer gezahlten Lohnes.
2. 25prozentige Lohnerhöhung.
3. Regelung der Knappschaftsfragen.
4. Anerkennung des Rätesystems.
5. Sofortige Durchführung der Hamburger Punkte (betr.
Kommandogewalt).
6. Sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen.
7. Sofortige Bildung einer revolutionären Arbeiterwehr.
8. Sofortige Auflösung aller Freiwilligenkorps.
9. Sofortige Anknüpfung aller politischen und wirtschaftlichen
Beziehungen mit der russischen Sowjetregierung.
10. Entwaffnung der Polizei im Industriegebiet und Reich.
11. Bezahlung der Streikschichten.
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