Deutschland 1918‑1939
1922
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Aufruf der Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbeamter und Anwärter, 1. Februar 1922[1] |
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Ein Wort an die arbeitnehmende Bevölkerung! Zum erstenmal führt die Eisenbahnbeamtenschaft einen Kampf gegen ihre Verwaltung durch. Welche Beweggründe liegen hierzu vor? 1. Die unteren Gruppen unserer Kollegen sind wirtschaftlich zusammengebrochen infolge ungenügender Bezahlung. Trotz schwerster Tag- und Nachtdienstleistung, trotz Sonn- und Feiertagsdienst stehen ganze Gruppen unter dem Existenzminimum. 2. Man will uns durch ein Sondergesetz des Arbeitszeitgesetzes zum Preisgeben des Achtstundentages zwingen. Unsere hierzu gestellten, der Verwaltung weit entgegenkommenden Anträge wurden glatt abgelehnt. Auf unsere an die Regierung gerichtete Eingabe würdigt man uns keiner Antwort. Inzwischen werden Dienstpläne eingeführt, die alle Errungenschaften der Umwälzung vollständig beseitigen und uns noch unter die rechtlosen Zustände der Vorkriegszeit hinabbringen. Hat man uns erst wieder vollständig entrechtet, folgt die freie Arbeiterschaft nach. Darum erkennt, daß unser Kampf euer Kampf ist! |
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Gemeinsamer Aufruf des ADGB, des DGB, des Gewerkschaftsringes Deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände sowie des AfA-Bundes, 3. Februar 1922[2] |
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An die Beamten, Arbeiter u[nd] Angestellten! Unter völliger Nichtachtung der anerkannten gewerkschaftlichen Grundsätze hat die Reichsgewerkschaft Deutscher Eisenbahnbeamten und -Anwärter anläßlich einer noch im Gange befindlichen Lohnverhandlung durch Aufforderung zum Streik den Eisenbahnverkehr ‑ auch den für die Ernährung des Volkes nötigen ‑ lahmgelegt. Obwohl gerade die werktätige Bevölkerung unter den Folgen am schwersten zu leiden hat und die Besoldungsordnung der Beamten mit den zur Zeit stattfindenden Verhandlungen über die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten in Staatsbetrieben im engsten Zusammenhange steht, hat es die Reichsgewerkschaft absichtlich unterlassen, dem Wunsche der übrigen betroffenen Gewerkschaften nach einem gemeinsamen Vorgehen nachzukommen. Dieselbe Reichsgewerkschaft, die jetzt Hilfe von Arbeitern und Angestellten fordert, hat auch diesmal ihre Sonderbestrebungen den gemeinsamen Interessen aller Arbeitnehmer übergeordnet. Es ist unerträglich, wenn eine einzelne undisziplinierte Gruppe in solch unverantwortlicher Weise mit dem Schicksal der gesamten Bevölkerung spielt. Dieser Lohnstreik einer Beamtengruppe muß bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage auch bei nur kurzer Dauer die Lebensbedingungen aller Arbeitnehmer, besonders in den Großstädten, aufs verhängnisvollste gefährden. Geradezu katastrophal aber wirkt dieser Streik bereits jetzt ‑ drei Wochen vor der Konferenz in Genua ‑ auf die Außenpolitik Deutschlands ein. Die Verantwortung gegenüber den von ihnen vertretenen Beamten, Arbeitern und Angestellten wie gegenüber dem gesamten Volke legt deshalb den unterzeichneten Spitzenorganisationen aller Gewerkschaftsrichtungen die gebieterische Pflicht auf, alle im Streik befindlichen Eisenbahner aufzufordern, die Arbeit sofort wieder aufzunehmen. Von der Reichsgewerkschaft wird erwartet, daß sie sich ebenso ihrer schweren Verantwortung bewußt wird und den Streik unverzüglich beendet. Die für diesen besonderen Streikfall der Reichsbahnbeamten erlassene Verordnung des Reichspräsidenten wird mit der Beendigung des Streiks gegenstandslos. Die unterzeichneten Spitzengewerkschaften haben bei ihren Verhandlungen mit der Reichsregierung von dem folgenden Stand der Besoldungsfrage Kenntnis genommen: Die Reichsregierung hat gemäß ihrer bei der Verabschiedung der letzten Besoldungsvorlage gemachten Zusagen bereits am 25. Januar d. J., also vor Ausbruch des Streiks, die Frage der Gewährung von Wirtschaftsbeihilfen an Beamte in Orten mit besonders schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen in Anlehnung an die den Arbeitern bewilligten Überteuerungszuschüsse mit dem 23. Ausschuß des Reichstags eingehend geprüft. Das Reichskabinett hat bald darauf den Gesetzentwurf, welcher die für die Gewährung der Wirtschaftsbeihilfe nötigen Mittel bereitstellen soll, genehmigt sowie die erforderlichen Maßnahmen für eine beschleunigte Verabschiedung der Vorlage durch die gesetzgebenden Körperschaften des Reiches und für eine möglichst baldige Ausführung der Zahlungen getroffen. Auch hat die Reichsregierung ihre Bereitwilligkeit erklärt, mit den Spitzenverbänden, die Beamte vertreten, in Erörterungen über die weiteren grundsätzlichen Besoldungsfragen und sonstigen Wünsche der Beamten einzutreten. Die Reichsregierung erklärte ferner ausdrücklich, daß alle Gerüchte und Behauptungen über eine beabsichtigte Beschränkung der verfassungsmäßigen Koalitionsfreiheit durchaus unbegründet sind. Damit ist die Berücksichtigung der berechtigten Beamtenforderungen und der Schutz des Koalitionsrechts aller Arbeitnehmer gesichert. Wir erwarten von der organisierten Arbeiterschaft, daß sie sich ausschließlich an die Weisungen ihrer Spitzenorganisationen hält. Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Leipart Deutscher Gewerkschaftsbund Baltrusch Gewerkschaftsring Deutscher Arbeiter-, Angestellten - und Beamtenverbände Hartmann, Schneider Allgemeiner freier Angestelltenbund Aufhäuser, Süß |
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7. Februar |
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Verhandlungen Gewerkschaften Regierung. Entwurf Regierungserklärung [3]: Die Reichsgewerkschaft gibt die Versicherung ab, daß sie noch heute abend den Streik der Reichsgewerkschaft als beendet erklären wird, nachdem der Herr Reichskanzler seinerseits im Namen der Reichsregierung ausgeführt hat, daß bei sofortigem Abbruch des Streiks die Disziplinierung nach den vom Gesamtkabinett auszustellenden Richtlinien erfolgen wird. ‑ Die Reichsregierung wird bei sofortigem Abbruch des Streiks in der Anwendung und Durchführung der Disziplinarmaßnahmen von Massendisziplinarverfahren und Massenentlassungen absehen. ‑ Den in Frage stehenden Beamten wird ihr Beschwerderecht selbstverständlich vollständig gewahrt. Leitlinien Wilhelm Groener [4]: Das förmliche Disziplinarverfahren soll nur eingeleitet werden gegen Beamte, a) die den Streik veranlaßt oder zum Streik aufgehetzt haben, b) die Sabotageakte oder gewaltsame Eingriffe in die Verwaltung, Betrieb und Verkehr verübt oder andere Beamte an der Erfüllung ihrer Dienstpflichten durch Gewalt oder Drohung gehindert oder zu hindern versucht haben. Bei den übrigen Beamten, die gestreikt haben, soll es, sofern sie alsbald zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten zurückkehren, bei Ordnungsstrafen sein Bewenden haben. Über das Diensteinkommen während der Streiktage bestimmt § 14 Abs. 3 des R.B.G. [Reichsbeamtengesetz]. Bereits eingeleitete Disziplinarverfahren sollen nach den gesetzlichen Bestimmungen weitergeführt werden. Die kündbaren Beamten sollen nach den gleichen Grundsätzen behandelt werden. |
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Beschluß Vollversammlung Betriebsräte, 7. Februar 1922[5] |
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Angesichts des harten Kampfes der Eisenbahner, Beamten und Arbeiter um ihre Existenz und der unversöhnlichen Haltung der Regierung hält die Groß-Berliner Betriebsräte- Generalversammlung die Proklamierung des Generalstreiks für ganz Deutschland für unbedingt notwendig und fordert die Betriebsräte-Zentrale auf, in diesem Sinne auf die Spitzenverbände einzuwirken. Die Forderungen des Generalstreiks sind: 1. Zurückziehung der Ebert- und Richter-Verordnung 2. Unbedingter Schutz des Koalitionsrechtes 3. Zurückziehung des Arbeitszeitgesetzes 4. Verhandlungen mit den streikenden Eisenbahnern über ihre materiellen Forderungen 5. Befreiung der verhafteten Streikführer und Herausgabe der beschlagnahmten Streikgelder 6. Enteignung der Kohlen- und Eisenbergwerke zur Herstellung der Rentabilität der Eisenbahnen 7. Keine Maßregelungen |
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16.‑17. Februar |
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Pressenotiz über eine Sitzung der Reichsgewerkschaftsführung [6]: Die Reichsgewerkschaft habe keinen Fußbreit nachgegeben, sondern auf der Höhe ihrer Kraft den Streik abgebrochen, um zu verhindern, dass die Kommunisten die Bewegung zu ihren Gunsten ausnützen. Die Reichsgewerkschaft habe, so erklärt der Redner, den Streik nicht abgebrochen, sondern nur unterbrochen, um der Regierung eine Atempause zu gewähren. |
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25. Juni |
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Verordnung zum Schutze der Republik [7]. Gustav Radbruch "Angriffe gegen die Republik". Arnold Brecht "Leute, die auf republikanischem Boden ständen" "so drohe zur Zeit eine Gefahr für die Verfassung nur von rechts". Andreas Hermes "nur gegen rechts gerichtet". "Es sei ein Unrecht, einen Mann mit monarchischen Gefühlen, der sich aber völlig loyal der Republik gegenüber verhalte, anders zu stellen, wie z. B. gewalttätige republikanische Kommunisten." Joseph Wirth "Wenn etwa eine kommunistische Bewegung einsetze, so müsse eine weitere Sonderverordnung geschaffen werden. Jetzt dürfe kein Zweifel gelassen werden, daß die geschaffene Verordnung kein Instrument gegen links sei." |
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26. Juni |
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Verordnung zum Schutze der Republik, 26. Juni: (Text:: ►) Versammlungen, Aufzüge und Kundgebungen können verboten werden, wenn die Besorgnis begründet ist, daß in ihnen Erörterungen stattfinden, die zur gesetzwidrigen Beseitigung der republikanischen Staatsform oder zu Gewalttaten gegen Mitglieder der jetzigen oder einer früheren republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes aufreizen, solche Handlungen billigen oder verherrlichen oder die republikanischen Einrichtungen des Staates in einer den inneren Frieden des Staates gefährdenden Weise verächtlich machen. Vereine und Vereinigungen, die Bestrebungen dieser Art verfolgen, können verboten und aufgelöst werden. |
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4. Juli |
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Gesetz zum Schutz der Republik [8]. "republikanische Staatsform" "verfassungsmäßige republikanische Staatsform" "verfassungsmäßige Staatsform" "Gesetz zum Schutze der Verfassung" "gegen rechtsradikale Umtriebe". |
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9. November |
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Hugo Stinnes [9]: Man muß in Deutschland den Mut haben, einerseits der Bevölkerung zu sagen: mögt den Achtstundentag behalten, aber ihr müßt in absehbarer Zeit so lange ohne Überbezahlung der Mehrstunden mehr arbeiten, bis ihr eine aktive Zahlungsbilanz habt und außerdem so viel erübrigt, wie nun einmal notwendig ist zum Leben und um die Verzinsung und Tilgung der Anleihe vorzunehmen, die für die Stabilisierung der Mark und für die Zahlung der Reparation in der absolut unvermeidlichen Höhe notwendig ist. Man kann keinen Krieg verlieren und zwei Stunden weniger arbeiten wollen. [...] Deswegen muß “man”, das heißt alle Leute, die zu der Erkenntnis gekommen sind, müssen dafür eintreten und müssen in der Bevölkerung die Auffassung- noch viel mehr verbreiten als heute: ohne Arbeit kommen wir aus der Geschichte nicht heraus. |
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14. November |
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Regierungsnote [10]. Neuregelung des Arbeitszeitrechts unter Festhaltung des Achtstundentags als des Normalarbeitstages und unter Zusicherung gesetzlich begrenzter Ausnahmen auf tariflichem oder behördlichem Wege zur Behebung der Notlage des deutschen Volkes. |
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[1] http://www.labournet.de/diskussion/geschichte/eisenbahn1922.pdf.
[2]. IML beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Reihe 2 - Band 7 - Halbband 2 - Januar 1922‑Dezember 1923, S. 30 (Bibliographie ►)
[3] http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/wir/wir1p/kap1_2/kap2_206/para3_1.html
[4] http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/wir/wir1p/kap1_2/kap2_206/para3_1.html
[5] http://www.labournet.de/diskussion/geschichte/eisenbahn1922.pdf.
[6] http://www.labournet.de/diskussion/geschichte/eisenbahn1922.pdf.
[7] http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/wir/wir2p/kap1_1/kap2_65/para3_1.html;
http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/wir/wir1p/kap1_1/para2_6.html.
[8] http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/wir/wir2p/kap1_1/kap2_75/para3_1.html.
[10]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_1/para2_2.html.