Deutschland 1918‑1939
Oktober-Dezember 1923
Geschrieben: |
Dies
ist die Druckversion von: |
3. Oktober |
Entwurf Regelung Arbeitszeit, 22. September [1]: 1. auf Verlangen des jeweiligen Arbeitgebers in begrenztem Maße (20 Tage im Jahr mit zwei Überstunden), 2. aufgrund tariflicher Ausnahmeregelungen bei grundsätzlichem Festhalten am achtstündigen Arbeitstag, 3. durch die Gewerbeaufsichtsämter. 1. Oktober, H. Brauns [2]: 1. Die äußerste Not unseres Volkes im schwersten Ringen um seine wirtschaftliche und politische Existenz zwingt uns, vorläufig in der Urproduktion die Arbeitszeit auf das Maß zu erhöhen, das gesundheitlich tragbar erscheint. Insbesondere ist im Bergbau unter Tage eine Arbeitszeit von 8 Stunden, einschließlich Ein- und Ausfuhr unentbehrlich. 2. Um den Bergarbeitern einen solchen Entschluß zu ermöglichen, müssen die übrigen Gewerbe und die Beamten, soweit das bisher nicht schon geschehen ist, ebenfalls im Dienste der Steigerung und Verbilligung unserer Gütererzeugung eine längere Arbeitszeit auf sich nehmen. 3. Dabei ist für schwere und gesundheitsgefährdende Arbeiten der Achtstundentag beizubehalten. 4. Ferner ist durch Beschränkung der Kinderarbeit, Überarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit und in der Beschäftigung der Jugendlichen und Frauen die nötige Rücksicht auf die Erfordernisse des Alters, Geschlecht und Gesundheit zu nehmen. Gustav Stresemann [3]: die Reichsregierung brauche ein Ermächtigungsgesetz, um die für die Erhaltung der Wirtschaft notwendigen Maßnahmen auf finanzpolitischem und wirtschaftspolitischem Gebiete zu ergreifen [und sie müsse die Möglichkeit haben] in lebenswichtigen Betrieben eine Verlängerung der Arbeitszeit vorzusehen durch behördliche Regelung. Note 14. November 1922 [4]: Deutschland wird alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen ergreifen, um insbesondere durch Erhöhung des Wirkungsgrades der Arbeit zu einer Steigerung der Produktion und damit zu einem Ausgleich der Handelsbilanz zu gelangen. – Zu diesem Zweck wird insbesondere eine Neuregelung des Arbeitszeitrechts unter Festhaltung des Achtstundentages als Normalarbeitstag und unter Zulassung gesetzlich begrenzter Ausnahmen auf tariflichem oder behördlichem Wege zur Behebung der Notlage der deutschen Wirtschaft in die Wege geleitet, alle Maßnahmen zur Heranbildung von Qualitätsarbeit gefördert, Luxusverbrauch und Luxuseinfuhr gehemmt und der Alkoholverbrauch beschränkt werden. [...]. Regierungserklärung [5]: Die äußerste Not unseres Volkes im schwersten Ringen um seine wirtschaftliche und politische Existenz zwingt uns, vorläufig in der Urproduktion die Arbeitszeit auf das Maß zu erhöhen, das gesundheitlich tragbar erscheint. Insbesondere ist im Bergbau unter Tage eine Arbeitszeit von 8 Stunden einschließlich Ein- und Ausfahrt unentbehrlich. Analog muß auch in der Industrie, insbesondere zur Ausnutzung inländischer Exportkonjunkturen und zur vermehrten Ausnutzung inländischer Rohstoffe die Möglichkeit zur Überschreitung der achtstündigen Arbeitszeit gegeben werden. Für die öffentliche Verwaltung müssen ähnliche Grundsätze sinngemäß angewendet werden. Dabei ist selbstverständlich für schwere und gesundheitsgefährliche Betriebe der Achtstundentag beizubehalten. Ermächtigungsgesetz [6]: § 1 Die Reichsregierung kann die Maßnahmen anordnen, welche sie auf finanziellem und wirtschaftlichem Gebiet für notwendig und dringend erachtet. Die Verordnungen sind dem Reichstag unverzüglich zur Kenntnis zu bringen. § 2 Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem Wechsel der derzeitigen Reichsregierung, spätestens aber mit dem Ablauf des 31. März 1924 außer Kraft. |
|
Robert Schmidt, 1. Oktober[7] |
• |
daß es nicht zu entschuldigen sei, daß gegenwärtig, wo wir gezwungen seien, Kohlen im großen Ausmaße aus England einzuführen, die Bergarbeiter in Schlesien nur 7 Stunden arbeiteten. handeln, ohne viel zu reden. |
|
Vorwärts, 3. Oktober[8] |
• |
Die Gewerkschaften sind bereit, ihren ganzen Einfluß auszunützen, damit notwendige Überstundenarbeit im Bergbau und in anderen Industriezweigen geleistet werde [...] Die sozialdemokratische Fraktion hat während der zweitägigen Auseinandersetzungen über die Arbeitszeit keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie ihre ganze moralische Autorität einsetzen werde, um überall dort zur Mehrleistung, zur Mehrerzeugung zu kommen, wo es im Interesse der deutschen Wirtschaft erforderlich ist. |
|
13. Oktober |
• |
Ermächtigungsgesetz [Text ►]][9]. Die Reichsregierung wird ermächtigt, die Maßnahmen zu treffen, welche sie auf finanziellem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiete für erforderlich und dringend erachtet. Dabei kann von den Grundrechten der Reichsverfassung abgewichen werden. Die Ermächtigung erstreckt sich nicht auf Regelung der Arbeitszeit und auf Einschränkungen der Renten und Unterstützungen der Versicherten und Rentenempfänger in der Sozialversicherung sowie der Kleinrentner und Leistungen aus der Erwerbslosenversicherung. [...] Dieses Gesetz [...] tritt mit dem Wechsel der derzeitigen Reichsregierung oder ihrer parteipolitischen Zusammensetzung, spätestens aber am 31. März 1924, außer Kraft. |
|
Regierungsprogramm Thüringen, 13. Oktober 1923[10] |
||
• |
Die Verhandlungskommission der VSPD und KPD einigt sich auf folgendes Programm für die Tätigkeit der sozialdemokratisch-kommunistischen Regierung: A 1. Das Land Thüringen als ein Gliedstaat der deutschen Republik, an deren Einheit unter allen Umständen festzuhalten ist, hat durch seine Regierung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten eine Politik zu treiben und im Reiche auf eine Politik hinzustreben, die den Interessen der arbeitenden Bevölkerung dient. Grundlage dieser proletarischen Politik muß die Sicherstellung der Existenz der werktätigen Bevölkerung und der entschiedenste Kampf gegen Faschismus, Revanchepolitik, Reaktion und die verfassungswidrige Militärdiktatur sein. 2. Die gegenwärtige politische Situation wird durch einen Vorstoß der Reaktion beherrscht, der bereits in Bayern zur Aufrichtung einer reaktionären, monarchistischen Diktatur geführt hat. Dieses brutale Gewaltregiment, Belagerungszustand und Militärdiktatur im Reiche ‑ nach Angabe der Reichsregierung gegen die Diktatur in Bayern durchgeführt ‑, richtet sich ausschließlich gegen das werktätige Volk. Aufgabe der sozialdemokratisch-kommunistischen Regierung Thüringens ist es, in engster Verbindung mit der sächsischen sozialdemokratisch-kommunistischen Regierung die Maßnahmen der beiden Parteien zur Abwehr der Reaktion und der Militärdiktatur zu unterstützen. 3. Es ist notwendig, das Ruhrgebiet, das Herz der deutschen Wirtschaft, in die Gesamtwirtschaft wieder einzugliedern. Um dies zu erreichen, ist unter Aufrechterhaltung der Existenzmöglichkeit des deutschen Volkes und der nationalen Einheit die Liquidierung des Ruhrkampfes durch erträgliche Reparationen auf Kosten der besitzenden Klasse durchzuführen. Der erste und ausschlaggebende Schritt hierfür ist die Erfassung der Sachwerte durch das Reich. Weiter ist die Schaffung eines Außenhandelsmonopols nach russischem Muster notwendig. Die gesamte Produktion im Reiche, vor allem die Syndikate, Trusts usw., sind unter öffentliche Kontrolle zu stellen. Zu diesem Zwecke ist der Ausbau des Betriebsrätegesetzes zu erstreben. Solange die Sachwerterfassung durch das Reich nicht durchgeführt ist, ist die Verschärfung der Besitzsteuern und die Aufhebung aller den Massenverbrauch und die kleinen Einkommen belastenden Steuern durchzuführen. 4. Gegen alle Pläne, gestützt auf Bayern und die Militärdiktatur, den Ruhrkonflikt auf Kosten des werktätigen Volkes zu liquidieren, ist der schärfste Kampf zu führen. Jeder Anschlag auf den Achtstundentag und die sozialen Rechte der werktätigen Massen, die Aufhebung der Erwerbslosenunterstützung und der Demobilmachungsverordnungen muß von der Thüringer Regierung gemeinsam mit dem gesamten Proletariat abgewehrt werden. 5. Beide Parteien verpflichten sich, die sozialdemokratisch-kommunistische Regierung in Thüringen mit allen Kräften zu festigen und zu halten. Entgegen dem Streben der Reaktion, verfassungswidrig eine Rechtsdiktatur im Reiche zu schaffen, muß die sozialdemokratisch-kommunistische Regierung Thüringens alle Kräfte unterstützen, die wie in Thüringen die Bildung einer Arbeiterregierung für das Reich zu verwirklichen suchen. B 6. Beide Parteien verpflichten sich, zum Schutze der Verfassung republikanische Notwehren zu schaffen bzw. auszubauen. Im Bezirk und in den Unterbezirken sind sofort gemeinsame Leitungen der republikanischen Notwehren zu bilden. Die republikanischen Notwehren sind der gemeinsamen Regierung im Falle der Gefahr zur Verfügung zu stellen. 7. Die gesamten Polizeiorgane innerhalb des Landes sind zu verstaatlichen und unter die Leitung zuverlässig republikanischer Beamter zu stellen. 8. Erlaß von Verordnungen zum Schutze der Republik. Bekämpfung der nationalistischen Geheimorganisationen unter Zuhilfenahme der staatlichen Exekutivorgane. 9. Behördliche Anerkennung der auf Vorschlag der Gewerkschaften, Kleinhändlerorganisationen und Bauernorganisationen nach dem sächsischen Muster zu bildenden Kontrollausschüsse, denen im Rahmen der Reichsbestimmungen weitestgehende Rechte eingeräumt werden. Kontrollausschüsse sind in den Kreisen und in allen größeren Gemeinden zu bilden. Die Kreis- und Gemeindebehörden haben die Lebensmittelversorgung und -verteilung zu regeln und den Kampf gegen den Wucher in Verbindung mit den Kontrollausschüssen zu führen. 10. Zur Sicherung der Ernährung und zur Beseitigung des Rentner- und Erwerbslosenelends sind sofort Schritte einzuleiten. Zur schnellen Erleichterung der bestehenden Schwierigkeiten sollen der Staat Bürgschaft für die Finanzierung der Ernährungswirtschaft übernehmen, Reichs- und Staatsbank die hierzu notwendigen Kredite bereitstellen oder vermitteln. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sind die Unternehmer zur vollen Aufrechterhaltung ihrer Betriebe anzuhalten. Unter anderem sind an Unternehmungen, deren finanzieller Stand unter Hinzuziehung der Betriebsräte sorgfältig zu prüfen ist, wertbeständige Kredite gegen Verpfändung von Sachwerten zu geben. Verstärkte Ausführung aller öffentlichen Arbeiten unter Heranziehung der produktiven Erwerbslosenfürsorge. 11. Die Schulreform ist im Sinne der Einheitsschule fortzuführen, und die Berufsschulen [sind] auszubauen. 12. Niederschlagung von Verfahren aus politischen Anlässen zum Schutze der Republik und zur Wiederherstellung verfassungsrechtlicher Zustände, weitestgehende Ausübung des Begnadigungsrechtes für Notdelikte und Verstöße gegen die §§ 218‑220 des RStGB. 13. Engstes Zusammenarbeiten der Regierungen, der Arbeiterorganisationen und der Kampforgane der Arbeiterschaft aller Länder mit Arbeitermehrheiten bei gemeinsamen Angelegenheiten und zum Schutze der Republik, insbesondere im Kampf gegen Reaktion und Militärdiktatur. 14. Zur wirksamen Durchführung dieser Maßnahmen wird ein außerparlamentarischer Ausschuß gebildet aus je drei Vertretern der beiden Parteien, je zwei von den beiden Parteien zu bestimmenden Vertretern aus Industriebetrieben und je einen Vertreter des ADGB, des AfA und des ADB. 15. Die Landtagsfraktionen der VSPD und KPD bilden einen außerparlamentarischen Arbeitsausschuß. Diesem Ausschuß werden in Verbindung mit dem Landesausschuß alle Entwürfe vor ihrer Einbringung ins Parlament vorgelegt, Anfragen und Interpellationen sind dem parlamentarischen Ausschuß ebenfalls vor ihrer Einbringung vorzulegen. 16. Der parlamentarische Arbeitsausschuß stellt für jeden Tagungsabschnitt einen gemeinsamen Arbeitsplan für die Fraktionen auf. Periodisch finden gemeinsame Fraktionssitzungen statt. |
|
Brief Generalleutnant Alfred Müller an Erich Zeigner, 17. Oktober 1923 [11] |
• |
Sehr verehrter Herr Ministerpräsident! Nach der "Sächsischen Arbeiterzeitung" Nr. 234 vom 15. Oktober 1923 hat der Minister Böttcher am 13. Oktober in der von der KPD einberufenen Versammlung im Zoologischen Garten zu Leipzig Ausführungen gemacht, die besagen: "die Koalitionsregierung hat bankrottiert. Es gibt nach dieser Entwicklung, in der wir stehen, entweder eine weiße oder eine rote Diktatur. Das Proletariat muß sofort bewaffnet werden Die Klassenorgane des Proletariats sind die Träger des proletarischen Befreiungskampfes. Die proletarischen Hundertschaften, Aktionsausschüsse, Kontrollausschüsse, Betriebsräte, alles das, was sich die Arbeitsklasse geschaffen und gebildet hat im langen Kampfe, das sind Organe, mit denen das Proletariat heute seinen Kampf führen muß." Seine Ausführungen haben folgende Resolution zur Folge gehabt: "Die am 13. Oktober im Zoologischen Garten versammelten 6000 Arbeiter und Arbeiterinnen protestieren entrüstet gegen das Verbot der Hundertschaften und Aktionsausschüsse durch den General Müller. Sie sind gewillt, nun erst recht diese Kampfmittel auszubauen. Gleichzeitig erklären sie, mit allen Mitteln zu kämpfen, um die mit dem Ermächtigungsgesetz geplante Diktatur Stinnes über die Arbeiterklasse unmöglich zu machen und jede Maßnahme der sächsischen Regierung, die dem Interesse des Proletariats dient, sofort durchzuführen." Damit ist durch den Minister Böttcher eine offene Kampfansage gegen die Maßnahmen der Reichsregierung ausgesprochen und in der Resolution veranlaßt worden. Die Aufforderung zur Bewaffnung ist gleichbedeutend mit dem Aufruf zum "bewaffneten" Kampf. Die Rede stellt sich als ein Verstoß gegen die von mir auf Grund der Verordnung des Herrn Reichspräsident vom 26. September erlassenen Verfügungen dar. Ich habe bei allen meinen bisherigen Maßnahmen die Mitarbeit der sächsischen Regierung als Voraussetzung angenommen. Für ihre Fortführung bitte ich Sie, Herr Ministerpräsident, zu den Ausführungen des Ministers Böttcher Stellung zu nehmen und mir bis zum 18. Oktober 11 Uhr vormittags unzweideutig auszusprechen, ob sich das Gesamtministerium dem Geiste und dem Wortlaut nach mit den Ausführungen des Ministers Böttcher einverstanden erklärt und in diesem Sinne die Regierung weiterführen will oder ob es, entgegen den Äußerungen des Ministers Böttcher gewillt ist, nach meinen Weisungen zu handeln. Für den letzteren Fall muß ich, um klare Verhältnisse zu schaffen, fordern, daß die sächsische Regierung die mir gegebene Erklärung im Wortlaut in der Presse veröffentlicht. Ferner bitte ich um Angabe, welche Maßnahmen die Regierung zu ergreifen gedenkt, um einer Wiederholung derartiger Entgleisungen, wie sie die Rede des Ministers Böttcher zweifellos darstellt, für die Zukunft vorzubeugen. Mit der Versicherung der vorzüglichsten Hochachtung |
|
20. Oktober |
• |
Aufruf Regierung Bayern [12]: Die bayerische Staatsregierung konnte die Maßnahme unmöglich hinnehmen und hat daher im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung in Bayern und zur Wahrung der bayerischen Belange bis zur Wiederherstellung des Einvernehmens zwischen Bayern und dem Reich, den bayerischen Teil der Reichswehr ihrerseits als Treuhänderin des deutschen Volkes in Pflicht genommen, den General v. Lossow als bayerischen Landeskommandanten eingesetzt und mit der Weiterführung der bayerischen Divisionen beauftragt. |
|
Otto von Lossow, 24. Oktober 1923 (Auszug Bericht)[13]. |
• |
Meine Herren! Es gibt drei Möglichkeiten: 1. Einmarsch nach Berlin und Ausrufung der Errichtung der nationalen Diktatur. 2. Weiterwursteln und "Bayern bei der Stange bleiben". 3. Trennung Bayerns vom Reich. Für uns in Bayern kommt nur die erste Möglichkeit in Betracht. Und zwar haben wir dazu keine lange Zeit mehr; sobald alles vorbereitet ist, tritt die erste Möglichkeit in Kraft. Länger als 14 Tage oder drei Wochen warten dürfte den zweiten Punkt hervorrufen! Ich habe Sie hierher berufen, um Sie zu fragen, wie Sie sich den Aufbau und die Weiterentwicklung bei einem evtl. Vormarsch Ihrer Verbände vorstellen. Nach meiner Ansicht ist nur eine Eingliederung sämtlicher vaterländischen Verbände in die Reichswehr bzw. Landespolizei als Mannschaftsreservoir möglich. Eine vollkommen selbständige Verwendung kann ich mir aus folgenden Gründen nicht denken: Wer sorgt für die Vaterländischen Verbände? Wer empfängt sie? Wer bezahlt die Löhnung? und wer die evtl. spätere Versorgung bei Verletzung etc. Sie werden daraus ersehen, daß wir auf demselben Boden stehen wie Sie als Führer der Vaterländischen Verbände und daß wir unsere Arbeit auch in diesem. Sinne eingestellt haben: Wir haben alle ein Ziel, Deutschland vom Marxismus zu befreien unter dem Banner der schwarzweiß-roten Fahne. [...] Nach der näheren Erläuterung ergriff General von Lossow nochmals das Wort und stellt an die Vaterländischen Verbände die Frage, welche Verbände für die Eingliederung in die Reichswehr sind und welche als selbständige Verbände bleiben wollen, d. h. als solche, welche für Ausrüstung ihrer Leute vollkommen sorgen. Für Eingliederung waren bereit General Tutschek (Bayern und Reich), Oberstleutnant Kriebel (für Oberland), Hermannsbund. Für Nichteingliederung (Verbände die ihre Selbständigkeit nicht aufgeben) erklärten sich Wikingbund, Blücher, Frankenland, Reichsflagge, Stahlhelm. Alle übrigen Verbände stellten sich der Reichswehr restlos zur Verfügung mit Ausnahme der Nationalsozialisten, die bei der Besprechung nicht anwesend waren. Am Schluß betonte Exzellenz von Lossow nochmals, daß er sich eine Versorgung bzw. restlose Einkleidung der selbständigen Verbände von seiten ihrer Führer nicht denken könne [...]. |
|
Brief G. Stresemann an Erich Zeigner (SPD), 27. Oktober 1923 [14] |
• |
Herr Ministerpräsident! Die Propaganda der Kommunistischen Partei in Sachsen hat unter Führung der Ihrem Kabinett angehörenden kommunistischen Mitglieder Formen angenommen, die den gewaltsamen Sturz der Reichsverfassung und ihre Zertrümmerung zum Ziele haben und herbeiführen können. Auf das Unhaltbare dieser Situation hat bereits Herr General Müller, dem von Reichs wegen die vollziehende Gewalt für Sachsen übertragen ist, in seinem Schreiben vom 17. Oktober d. J. nachdrücklichst hingewiesen. Seine an Sie gerichtete Anfrage ist von Ihnen ohne Antwort gelassen worden. Der Geist der Widersetzlichkeit und Gewalttätigkeit der Kommunistischen Partei zeigt sich in den Ausführungen des Leiters Ihrer Staatskanzlei, Herrn Ministerialdirektor Brandler, der in Chemnitz am 21. Oktober öffentlich zum Kampf gegen die Reichswehr aufgefordert hat. Er zeigt sich in einem Aufsatz desselben Leiters der Staatskanzlei in dem offiziellen Organ der russischen Kommunistischen Partei "Prawda", in dem er unter Bezugnahme auf die Organisationen proletarischer Hundertschaften davon spricht, daß es an der Zeit sei, zu handeln. In einem Flugblatt, das der Landesvorstand der Kommunistischen Partei Deutschlands und die sächsische Landtagsfraktion, der Ihre kommunistischen Minister im Kabinett angehören, erlassen haben, wird General Müller, der mit der vollziehenden Gewalt von der Reichsregierung beauftragt ist, verhöhnt und es wird zur Nichtbefolgung seiner Anordnungen aufgereizt. Es wird weiter aufgereizt zur Mobilisierung der Massen, zur Aufstellung neuer Hundertschaften, zur Bildung von Aktionsausschüssen. Ein Einschreiten gegen die Urheber dieser Hetzereien ist deshalb unmöglich, weil sie unter dem Schutze der Immunität der Landtagsabgeordneten stehen. Die Ansage des offenen Kampfes an die Reichsregierung muß notwendig das Ziel der. Regierung, Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Lande aufrechtzuerhalten, stören und unmöglich machen. Die Beseitigung dieses Zustandes ist unerläßlich. Im Auftrage der Reichsregierung fordere ich Sie deshalb hierdurch auf, den Rücktritt der sächsischen Landesregierung zu vollziehen, weil die Teilnahme kommunistischer Mitglieder an dieser Landesregierung angesichts dieser Vorgänge mit verfassungsmäßigen Zuständen unvereinbar ist. Ich ersuche Sie, mir über den Rücktritt der Regierung innerhalb des morgigen Tages, des 28. Oktober, Nachricht zu geben. Falls eine Neubildung der Regierung auf anderer Grundlage ohne Mitwirkung kommunistischer Mitglieder nicht sofort herbeigeführt und dadurch die Ruhe, Sicherheit und Ordnung des Landes weiter gefährdet werden sollte, wird der Inhaber der vollziehenden Gewalt einen Reichskommissar bestellen, der die Verwaltung des Landes bis zur Wiederherstellung verfassungsmäßiger Zustände in die Hand nimmt. |
|
Brief Erich Zeigner an G. Stresemann, 28. Oktober 1923 [15] |
• |
Herr Reichskanzler! Ich bestätige den Empfang Ihres Schreibens vom 27. Oktober 1923. Das in ihm enthaltene Ansinnen, zurückzutreten, lehnt die sächsische Regierung entschieden ab. Ein politischer Anlaß zu Ihrer Forderung liegt nicht vor und rechtlich ist das Verlangen der Reichsregierung nach der Reichsverfassung unzulässig. Nur der Sächsische Landtag ist legitimiert, die sächsische Regierung abzuberufen. Solange das nicht geschieht, wird die sächsische Regierung auf ihrem Posten ausharren. Sie wird aber im Landtag umgehend eine Entschließung über diese Vertrauensfrage herbeiführen. |
|
Verordnung, 29. Oktober 1923 [16] |
• |
Auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung verordne ich zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet des Freistaates Sachsen folgendes: Der Reichskanzler wird ermächtigt, für die Dauer der Geltung dieser Verordnung Mitglieder der sächsischen Landesregierung und der sächsischen Landes- und Gemeindebehörden ihrer Stellung zu entheben und andere Personen mit der Führung der Dienstgeschäfte zu betrauen. Auf Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit findet die Vorschrift keine Anwendung. Die Verordnung, betreffend die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für das Reichsgebiet nötigen Maßnahmen vom 26. September 1923 (RGBl. I S. 905) bleibt im übrigen unberührt. Diese Verordnung tritt mit der Verkündung in Kraft. Der Reichspräsident: Ebert. Der Reichskanzler: Dr. Stresemann." |
|
Anweisungen an Rudolf Heinze, 29. Oktober 1923 [17] |
• |
1. Zweck der ergangenen Verordnung des Reichspräsidenten ist die Wiederherstellung verfassungsmäßiger Zustände in Sachsen . 2. Mit verfassungsmäßigen Zuständen ist die Teilnahme kommunistischer Minister an der Regierung, deren Partei in Sachsen zu Gewalttätigkeiten aufforderte, unvereinbar. 3. Zur Wiederherstellung verfassungsmäßiger Zustände ist daher die Bildung einer neuen Regierung erforderlich, hinter '»elcher die Mehrheit des Landes steht und der keine Kommunisten angehören. 4. Solange eine derartige Regierung nicht gebildet ist, gehen die Rechte und Pflichten der Regierung auf den Reichskommissar über, der die Regierung mit Hilfe der Beamtenschaft führt. 5. Der Reichskonunissar wird angewiesen, die Bestrebungen auf Herstellung einer verfassungsmäßigen Regierung seinerseits nach Kräften zu unterstützen. |
|
G. Stresemann [18] |
• |
Wenn wir in Sachsen und Thüringen einmarschierten ohne Blutvergießen, dann vielleicht doch deshalb, weil die Sozialdemokratie für den Einmarsch mitgewonnen war und wir deshalb den Kommunisten allein gegenüberstanden und nicht irgendeiner proletarischen Einheitsfront, die damals sehr schwer hätte auf uns lasten können. |
|
2 novembre |
Otto Landsberg [19]: hätte das Schreiben nicht mitgemacht [...] weil es zu wenig Rücksicht nehme auf die Psyche der Arbeiterschaft. |
|
Brief Generalleutnant Walther Reinhardt, 6. November 1923[20]: |
• |
Die Lage in und um Thüringen ist bedrohlich und erfordert Reichswehrverstärkung. ‑ Täglich laufen beim Militärbefehlshaber zahlreiche Hilferufe der Thür. Bevölkerung ein, die um Beistand gegen den Terror aller Art durch die proletarischen Hundertschaften bitten. Diese Hundertschaften sind trotz der Weitergabe meines Auflösungsbefehls durch die Thür. Regierung in der Tat nicht aufgelöst oder sie sind in republikanische Notwehren umgewandelt worden, ohne daß ihre Zusammensetzung und die Art ihrer öffentlichen Betätigung geändert ist. ‑ Dieser Zustand ist für große Teile der Bevölkerung unerträglich und wird die schwerwiegendsten Folgen haben, indem einmal eine Einschränkung der Produktion und des Warenaustausches droht und ferner die vergewaltigten Teile der Bevölkerung nach illegaler Unterstützung ausschauen, was in mancher Hinsicht schon nahegerückt zu sein scheint. |
|
• |
Republikschutzgesetz 21. Juli 1922, gegen Ausländer ist auf Ausweisung aus dem Reichsgebiete zu erkennen. Urteil [21]: Hitler ist Deutschösterreicher. Er betrachtet sich als Deutscher. Auf einen Mann, der so deutsch denkt und fühlt wie Hitler, der freiwillig viereinhalb Jahre lang im deutschen Heere Kriegsdienste geleistet, der sich durch hervorragende Tapferkeit vor dem Feinde hohe Kriegsauszeichnungen erworben hat, verwundet und sonst an der Gesundheit beschädigt und vom Militär in die Kontrolle des Bezirkskommandos München I entlassen worden ist, kann nach Auffassung des Gerichtes die Vorschrift des § 9 Abs. 2 des Republikschutzgesetzes ihrem Sinne und ihrer Zweckbestimmung nach keine Anwendung finden. |
|
[1]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_1/para2_2.html
[2]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_2/kap2_97/para3_7.html
[3]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_1/para2_2.html
[4]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_2/kap2_102/para3_1.html
[5]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_2/kap2_102/para3_1.html
[6]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_2/kap2_102/para3_1.html
[7]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_1/para2_2.html
[8]. G. Hortzschansky: Der nationale Verrat der deutschen Monopolherren während des Ruhrkampfes 1923, S. 250 (Bibliographie ►)
[9]. H. Michaelis, E. Schraepler (Hg.): Ursachen und Folgen - Band 5 - Die Weimarer Republik 1923, S. 250 (Bibliographie ►);
http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_1/para2_3.html
[10]. IML beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Reihe 2 - Band 7 - Halbband 2 - Januar 1922‑Dezember 1923, S. 457. (Bibliographie ►).
[12]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str2p/kap1_1/kap2_60/para3_1.html
[14]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str2p/kap1_1/para2_74.html
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart - Bände 13‑14, (Bibliographie ►)
[15]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str2p/kap1_1/para2_77.html
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart - Bände 13‑14, (Bibliographie ►)
[16]. E. R. Huber (Hg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte - Band 3 - 1918‑1933, 295 (Bibliographie ►)
http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=dra&datum=19230004&seite=00000995
[17]. http://www.geschichte-pirna.de/Zur Nachkriegskrise 1919.pdf
H. Weiler: Die Reichsexekution gegen den Freistaat Sachsen Oktober 1923, (Bibliographie ►)