Deutschland 1918‑1939

1921

Geschrieben:
Januar 2013


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1921

 

18. Februar

 

[Verordnung über die Beendigung der wirtschaftlichen Demobilmachung][1].

Die Anordnungen der Reichsministerien und der übrigen Demobilmachungsbehörden auf Grund der die wirtschaftliche Demobilmachung betreffenden Befugnisse treten mit dem 31. März 1922 außer Kraft, sofern nicht durch Gesetz oder besondere Anordnung ein früherer Zeitpunkt bestimmt ist.

 

 

Aufruf Otto Hörsing Sachsen,  16. März 1921[2]

 

Wilde Streiks, Raub und Plünderungen werden von Banden- und Einzeldiebstählen, Terror und Sachbeschädigungen, Erpressungen und Körperverletzungen in der letzten Zeit abgelöst. Der Landwirtschaft des Industriereviers werden durch Banden- und Einzeldiebstähle ungeheure Schäden zugefügt. In der Industrie finden ungeheure Diebstähle an Holz, Kohlen, wertvollen Materialien, Silber, Kupfer, Erzen, die in die Millionen gehen, Tag für Tag statt. Die Pförtner und sonstigen Beamten, die diese Diebstähle unterbinden wollen, werden auf das schwerste mißhandelt. Kleine Anlässe werden benutzt, um gegen den Willen der Gewerkschaften mehrere Tage mit vielen Tausenden Arbeitern die Arbeit einzustellen. Demonstrationen ohne Ziel und Zweck werden veranstaltet, und schließlich erpressen bewaffnete Banden unter Führung einzelner verantwortungsloser Menschen vom Unternehmer die Zusage der Lohnzahlung für die Zeit der Nichtarbeit. Gesetzwidrig werden in den Werkstätten Versammlungen während der Arbeitszeit abgehalten, sofort gestreikt und der größte Terror ausgeübt, wenn der Unternehmer für die Versammlungszeit den Lohn nicht bezahlen will. Bei jedem wilden Streik werden die einsichtigen und vernünftigen Arbeiter mit Knüppeln und Waffen terrorisiert und von der Arbeit ferngehalten. Diese und zahlreiche andere an Wahnsinn grenzende Taten werden dadurch gekrönt, daß man die gesetzlichen Betriebsräte beschimpft, absetzt und durch sogenannte Aktionsausschüsse ersetzt. In allen Orten des Industriereviers haben nicht nur rechtsstehende Leute, sondern ganz linksstehende Arbeiter erklärt, dieses Treiben sei ein Werk der Kommunistischen Partei. Ich habe diese Auffassung stets bestritten. Es ist nicht die Kommunistische Partei als solche, sondern es sind internationale Verbrecher, vielleicht sogar Spitzel und Provokateure, die sich als Kommunisten hinstellen, Elemente, die selbst rauben oder stehlen und ohne Arbeit im Versteck leben. Im Interesse des größten Teils der Arbeiter selbst, aber auch im Interesse der Landwirtschaft, Industrie, des Handels und des Gewerbes muß den jetzigen Zuständen ein Ende gemacht werden. Daher habe ich befohlen, daß in den nächsten Tagen starke Polizeiaufgebote nach vielen Orten des Industriereviers gelegt werden, die die obigen Aufgaben zu erfüllen haben. Die Polizei wird sich weder in politische noch in gewerkschaftliche Dinge mischen; sie wird der Bevölkerung gegenüber mit größter Nachsicht auftreten, aber sie wird mit derselben Schärfe und Festigkeit wie gegen die Verbrecher selbst auch denen gegenübertreten, die sie in Ausübung ihrer Pflicht hindern oder ihr offen entgegentreten oder durch Aufhetzung der Bevölkerung, sei es in Wort oder Schrift, ihr die Aufgabe unmöglich machen.

 

 

Aufruf der Leitung der Aufständischen Bezirk Mansfeld, Ende März 1921  [3]

 

Das werktätige Volk der Mansfelder Kreise hat die politische Macht selbst übernommen und mich zum politischen Kommissar bestellt. Kraft dieser Bestellung ordne ich an:

Alle Amtsvorsteher und Gemeindevorsteher unterstehen nur noch meinen Anordnungen und haben Anordnungen von irgendwelcher anderen Seite, den Landräten und sonstigen bisherigen Behörden, keine Folge zu leisten.

Alle Amts- und Gemeindevorsteher erhalten bis zur Wahl von Arbeiterräten einen politischen Beirat, der für die Durchführung meiner Anordnungen verantwortlich ist.

Die Landräte der Mansfelder Kreise sind außer Dienst gestellt und haben sich jeder Amtshandlung zu enthalten.

Die politischen Beiräte tragen mit Sorge für die sofortige Besetzung der Post- und Telegraphenanstalten mit zuverlässigen Arbeitern. Der Telegraphenbetrieb wird vorläufig unterbunden. Der Postbetrieb bleibt, jedoch nur für die Mansfelder Kreise, bestehen.

Beschlagnahmungen irgendwelcher Art geschehen nur auf meine Anweisung. Plünderungen werden mit dem Tode bestraft.

Die Versorgung der Bevölkerung wird sichergestellt. Alle Vorräte an Lebensmitteln sind durch mich beschlagnahmt und hat jeder derzeitige Inhaber dieselben zu meiner Verfügung zu halten. Es wird von jedermann über die Verwendung Rechenschaft gefordert.

Die Arbeiterschaft trägt die volle Verantwortung für die Durchführung meiner Anweisungen. Jeder Widerstand gegen die Macht der Arbeiterklasse wird mit allen Mitteln gebrochen.

Arbeiter, handelt nach dem Vorbild, weiches Euch von der Reaktion bei den früheren Kämpfen gegeben wurde!

Der politische Kommissar für die Mansfelder Kreise.

 

 

18‑24 septembre

 

Programm SPD Görlitz  [4].

In der demokratischen Republik besitzt sie [die Arbeiterklasse] die Staatsform, deren Erhaltung und Ausbau für ihren Befreiungskampf eine unerläßliche Notwendigkeit ist. [...] Die Sozialdemokratische Partei ist entschlossen, zum Schutz der errungenen Freiheit das Letzte einzusetzen. Sie betrachtet die demokratische Republik als die durch die geschichtliche Entwicklung unwiderruflich gegebene Staatsform, jeden Angriff auf sie als ein Attentat auf die Lebensrechte des Volkes.

Eduard Bernstein [5]:

Die Republik hat große Aufgaben zu erfüllen. Die Deutsche Volkspartei hat eine soziale Macht, sie ist eigentlich die Partei der deutschen Bourgeoisie. Hinter ihr steht die deutsche Finanz, die deutsche Großindustrie und die Intelligenz in Deutschland. Wir müssen versuchen, diese Partei an den Wagen der Republik zu spannen.

Ph. Scheidemann[6]:

Daß wir nur mit Parteien in eine Regierung gehen können, die die Verfassung respektieren, ist selbstverständlich. Aber heißt das, daß wir nur mit Parteien in eine Regierung gehen können, die der Verfassung zugestimmt haben? Ich sage: Nein. Denn sonst wäre ja auch ein Zusammengehen mit der USP. unmöglich, und doch haben wir ihr wiederholt aus ehrlicher Überzeugung angeboten, mit in die Regierung hineinzugehen. Wie die Unabhängigen, so hat auch die Deutsche Volkspartei die Verfassung abgelehnt. Für uns darf nicht maßgebend sein, was eine Partei früher getan hat, sondern das, was sie zu tun bereit ist. Von einer Theorie der politischen Erbsünden müssen wir uns freimachen. (Bravo!) Zu der Zeit, als die Parole ausgegeben wurde: Unter keinen Umständen mit der Volkspartei ‑, war sie zweifellos richtig. Wir konnten nicht mit einer Partei in die Regierung, die die Monarchie propagiert. (Sehr gut!) Wir können nicht in eine Regierung mit einer Partei, von der wir annehmen mußten, daß sie bestimmte Geldquellen, die zu erschließen wir für unerläßlich halten, ablehnt. Wir müssen also bei jeder Regierungsbildung ein bestimmtes Mindestprogramm ausstellen. Parteien, die bereit sind, ein solches Programm anzunehmen und bestimmte Ministerien uns zu überlassen, können nicht dauernd von der Teilnahme an der Regierung zurückgewiesen werden. (Sehr wahr!)

 

 

Beschluß Parteitag SPD 18. bis 24. September 1921[7]

 

Auf die Teilnahme an der Regierung der Republik wird die Sozialdemokratische Partei besonders dadurch hingewiesen, daß sie die größte Partei des deutschen Volkes ist und die einzige Partei, die von jeher ohne Einschränkungen aus dem Boden der republikanischen Staatsordnung und des demokratischen Selbstbestimmungsrechts des Volkes steht, weil diese den günstigsten Boden für die Erringung der sozialistischen Gesellschaft bilden. Die Sozialdemokratie darf daher nicht warten, bis sie imstande ist, die ganze Regierungsgewalt allein zu übernehmen, sondern sie muß versuchen, auch vorher schon zur Sicherung der republikanisch-demokratischen Staatsform ihre politische Macht in die Wagschale zu werfen, um so auch der Erreichung ihrer sozialistischen Ziele näherzukommen. Dies ist jetzt um so mehr nötig, als die Not des deutschen Volkes die Anspannung aller Kräfte erfordert. Die Sozialdemokratie ist bereit, zu diesem Zwecke mit anderen Parteien in Reich und Ländern in der Regierung zusammen zu arbeiten, wenn mit diesen Parteien eine Verständigung über ein Arbeitsprogramm möglich ist, das folgende Mindestforderungen enthält:

Anerkennung der Verteidigung der Republik,

Sicherung des demokratischen Selbstbestimmungsrechts des Volkes in Reich, Staat und Gemeinde,

Demokratisierung der Verwaltung und Republikanisierung der Reichswehr und der Polizeiorgane,

Sicherung und Ausbau der Sozialgesetzgebung,

Politik der Völkerverständigung,

loyale Erfüllung des Friedensdiktates in den Grenzen unserer Leistungsfähigkeit und Ausbringung der dadurch bedingten Lasten, in erster Linie durch weitestgehende Heranziehung des Besitzes.

 

 

3. Dezember

 

 

ADGB Februar 1922 [8]:

Die Organisationen, die mit der Regierung über die Forderungen vom 3. Dezember verhandelten, hatten sich überzeugen lassen, daß die Forderungen undurchführbar sind. Sie würden dem Deutschen Reiche 60 Milliarden Mark gekostet haben, deshalb waren sie fallen gelassen worden.

 

Fußnoten



[1]E. Reidegeld: Sozialpolitik in Demokratie und Diktatur 1919‑1945, p. 71-72. (Bibliographie )

[2]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/feh/feh1p/kap1_2/para2_208.html.

H. Michaelis, E. Schraepler (Hg.): Ursachen und Folgen - Band 4 - Die Weimarer Republik 1919‑1922, S. 161 (Bibliographie )

[3]H. Michaelis, E. Schraepler (Hg.): Ursachen und Folgen - Band 4, S. 165. (Bibliographie )

http://www.stmuk.bayern.de/blz/web/100081/06.html#dok3.

[4]. http://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0004_spd&object=context.

[5]. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/str/str1p/kap1_1/para2_2.html.

T. Löwe: Der Politiker..., S. 122 (Bibliographie )

Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages: cf. http://library.fes.de/parteitage/pdf/pt-jahr/pt-1921.pdf

(Cf. dans cette brochure: Redner Bernstein S. 181 ff., Zitat: S. 182)

[6]Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages: cf. http://library.fes.de/parteitage/pdf/pt-jahr/pt-1921.pdf

(Cf. dans cette brochure: S. 175-176)

[7]Deutscher Geschichtskalender - Band 37 - Teil 1, (Bibliographie )

Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages: cf. http://library.fes.de/parteitage/pdf/pt-jahr/pt-1921.pdf

(Cf. dans cette brochure: Antrag 304 - Resolution S. 389, Anträge 314-318 zu Antrag 304 S. 392-393)

[8]. http://www.labournet.de/diskussion/geschichte/eisenbahn1922.pdf.