Deutschland 1918‑1939

1.‑9. Januar 1919

Geschrieben:
Januar 2013


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1919 (1.‑9. Januar)

 

Verfügung der preußischen Regierung, 2. Januar 1919[1]

 

Die Lohnbewegung unter der Arbeiterschaft hat in letzter Zeit nach Art und Umfang eine Entwicklung angenommen, die die schwersten Befürchtungen erwecken und weite Gebiete der Gütererzeugung zum Erliegen bringen muß. Die beklagenswerte, aber unvermeidliche Folge kann nur Arbeitslosigkeit, Hunger und Elend sein. Die Betriebe des Staates unterliegen in dieser Beziehung den gleichen wirtschaftlichen Bedingungen wie die privaten. Weder Bergbau und Eisenbahn noch alle übrigen Staatsbetriebe können es längere Zeit ertragen, daß ihre Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Diese Gefahr ist aber bereits in bedrohlichem Maße eingetreten. Es wird deshalb zur gebieterischen Pflicht der Staatsregierung, dem Anwachsen der Lohnausgaben über das Maß des Erträglichen hinaus mit Festigkeit entgegentreten. Die Herren Fachminister werden daher ersucht, an sie herantretende Lohnforderungen zwar mit aller Würdigung der jetzigen Bedürfnisse der Arbeiterschaft, aber auch sorgfältig dahin zu prüfen, ob nicht durch die Bewilligung den in Frage kommenden Betrieben Lasten auferlegt werden, die sie nicht ertragen können, ohne zu erliegen, und die somit die gesamte Finanzgebarung des Staates gefährden. In diesem Falle sind die Forderungen zurückzuweisen.

Berlin, den 2. Januar 1919.

Die preußische Regierung:

Hirsch. Ströbel. Braun. Ernst. Adolf Hoffmann. Rosenfeld.

 

 

Aufruf, 5. Januar 1918[2]

 

Arbeiter! Parteigenossen! Heute große Massendemonstration!

Die Regierung Ebert-Scheidemann hat ihr revolutionsfeindliches Treiben zu einem neuen niederträchtigen Anschlag gegen die revolutionäre Arbeiterschaft Groß- Berlins gesteigert: sie versucht, den Polizeipräsidenten Eichhorn in heimtückischer Weise aus seinem Amte zu drängen. Sie will ihr willfährigstes Werkzeug, den derzeitigen preußischen Polizeiminister Ernst, an Eichhorns Stelle setzen.

Die Regierung Ebert-Scheidemann will damit nicht nur den letzten Vertrauensmann der revolutionären Berliner Arbeiterschaft beseitigen, sondern vor allem in Berlin ein Gewaltregiment gegen die revolutionäre Berliner Arbeiterschaft aufrichten.

Arbeiter! Parteigenossen! Es handelt sich hierbei nicht um die Person Eichhorns. Ihr selbst sollt vielmehr durch den Gewaltstreich um den letzten Rest der revolutionären Errungenschaften gebracht werden.

Mit Hilfe der Bajonette will die Ebert-Regierung mit ihren Helfershelfern im preußischen Ministerium ihre Macht stützen und sich die Gunst des kapitalistischen Bürgertums sichern, dessen verkappte Interessenvertreter sie von Anfang an waren.

Mit dem Schlage, der gegen das Berliner Polizeipräsidium geführt wird, soll das ganze deutsche Proletariat, die ganze deutsche Revolution getroffen werden.

Arbeiter! Parteigenossen! Das könnt, das dürft ihr nicht dulden! Heraus darum zu wuchtigen Massendemonstrationen1! Zeigt den Gewalthabern von heute eure Macht: zeigt, daß der revolutionäre Geist der Novembertage in euch nicht erloschen ist.

Sammelt euch heute, Sonntag, um 2 Uhr, zur imposanten Massenkundgebung in der Siegesallee!

Marschiert in Massen auf! Es gilt eure Freiheit, eure Zukunft, es gilt das Schicksal der deutschen Revolution! Nieder mit der Gewaltherrschaft der Ebert-Scheidemann, Hirsch und Ernst! Es lebe der revolutionäre internationale Sozialismus!

Die revolutionären Obleute und Vertrauensmänner der Großbetriebe Groß-Berlins

Der Zentralvorstand der sozialdemokratischen Wahlvereine Groß-Berlins der Unabhängigen Sozialdemokratie

Die Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund)

 

 

Proklamation, 6. Januar 1919[3]

 

Kameraden - Arbeiter!

Die Regierung Ebert-Scheidemann hat sich unmöglich gemacht. Sie ist von dem unterzeichneten Revolutionsausschuß, der Vertretung der revolutionären sozialistischen Arbeiter und Soldaten (Unabhängige Sozialdemokratische Partei und Kommunistische Partei) für abgesetzt erklärt.

Der unterzeichnete Revolutionsausschuß hat die Regierungsgeschäfte vorläufig übernommen.

Kameraden! Arbeiter!

Schließt Euch den Maßnahmen des Revolutionsausschusses an.

Berlin, den 6. Januar 1919.

Der Revolutionsausschuß.

i. V. Ledebour. Liebknecht. Scholze.

 

 

Aufruf, 6. Januar 1918[4]

 

 

Arbeiter! Soldaten! Genossen!

Mit überwältigender Wucht habt Ihr am Sonntag Euren Willen kundgetan, daß der letzte bösartige Anschlag der blutbefleckten Ebert-Regierung zuschanden gemacht wurde.

Um Größeres handelt es sich nunmehr! Es muß allen gegenrevolutionären Machenschaften ein Riegel vorgeschoben werden!

Deshalb heraus aus den Betrieben! Erscheint in Massen heute 11 Uhr vormittags in der Siegesallee!

Es gilt die Revolution zu befestigen und durchzuführen! Auf zum Kampfe für den Sozialismus. Auf zum Kampfe für die Macht des revolutionären Proletariats!

Nieder mit der Regierung Ebert-Scheidemann!

Berlin, den 6. Januar 1919.

Die revolutionären Obleute und Vertrauensmänner der Großbetriebe Großberlins.

Der Zentralvorstand der sozialdemokratischen Wahlvereine Großberlins der Unabhängigen Sozialdemokratie.

Die Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund).

 

 

Flugblatt, 5 Januar 1919[5]

 

 

An die Arbeiterschaft Berlins!

Zum zweiten Male hat die revolutionäre Arbeiterschaft Berlins den „Vorwärts" besetzt!

Dieses Mal soll keine Macht der Welt ihn seinen rechtmäßigen Besitzern wieder entreißen; dafür werden wir Sorge tragen.

Arbeiter! Genossen! Soldaten!

Die Stunde hat geschlagen, wo es gilt, die Revolution zum siegreichen Ende zu führen. Entweder wir errichten die Diktatur des Proletariats, oder wir werden es erleben, daß Ebert-Scheidemann, die Henker der Revolution, diese vollends erdrosseln.

Arbeiter! Genossen! Soldaten! Sie wollen den Belagerungszustand verhängen. Wollen uns in die Zuchthäuser stecken oder füsilieren, uns, die Kämpfer der Revolution!

Sie wollen ein Blutbad anrichten, die Knechte des Kapitals, wollen, um der kapitalistischen Interessen halber, das Blut der Arbeiterschaft vergießen.

Das darf nicht geschehen!

Dem müssen wir zuvorkommen!

Arbeiter! Genossen! Soldaten! Nehmt die Macht in die Hände. Stürzt diese Regierung, die sich schützend vor die Geldschränke stellt, die Verrat und immer wieder Verrat an der Revolution begangen hat.

Es lebe die Diktatur des Proletariats!

Es lebe die Revolution!

Die revolutionäre Arbeiterschaft Groß -Berlins

 

 

Erklärung, 6 Januar 1919[6]

 

An alle Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands!

Der Kongreß aller Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands hat, wie euch bekannt, uns zu seinem Vollzugsorgan ernannt und uns seine Vollmachten übertragen. Wir haben in den ersten Wochen unserer Tätigkeit uns fast ausschließlich mit den zum Himmel schreienden Zuständen in Berlin beschäftigen müssen, wo eine kleine Minderheit gegen den allgemeinen Willen des Volkes, besonders auch der Berliner Bevölkerung, und gegen den ausgesprochenen Willen der Arbeiter- und Soldatenräte ganz Deutschlands eine brutale Gewaltherrschaft zu errichten bestrebt ist.

Das verbrecherische, alle Errungenschaften der Revolution gefährdende Treiben bewaffneter Banden hat uns genötigt, der Reichsleitung außerordentliche Vollmachten zu erteilen, damit in Berlin endlich einmal die Ordnung und Rechtssicherheit, die unter dem freiheitlichsten Regime erst recht notwendig ist, wiederhergestellt werden kann. Alle Meinungsverschiedenheiten im einzelnen müssen jetzt zurückgestellt werden hinter das Ziel, die schwer erkämpfte Volksfreiheit zu schützen, den Frieden nach innen und außen zu sichern und damit das ganze werktätige Volk vor neuem furchtbarem Unglück zu bewahren.

Es ist die Pflicht aller Arbeiter- und Soldatenräte, uns und die Reichsleitung dabei mit allen Mitteln zu unterstützen. Haltet alles, was dazu erforderlich ist, bereit! Je einmütiger sich die Arbeiter und Soldaten Deutschlands und die von ihnen gewählten Räte zusammenschließen, desto rascher wird der Kampf nach dem Willen des Volkes entschieden sein!

Der Zentralrat der deutschen sozialistischen Republik

 

 

Erklärung, 6 Januar 1919[7]

 

Arbeiter! Bürger! Soldaten! Genossen!

Zum zweiten Male haben bewaffnete Banditen des Spartakusbundes den ›Vorwärts‹ gewaltsam besetzt. Die Führer dieser Banden proklamierten heute in öffentlichen Reden erneut den gewaltsamen Sturz der Regierung, Mord und blutigen Bürgerkrieg und Errichtung der Spartakusdiktatur. Dem deutschen Volk und insbesondere der Arbeiterschaft drohen die schlimmsten Gefahren. Anarchie und Hunger würden die Folgen der Spartakusherrschaft sein.

Jetzt ist unsere Geduld zu Ende!

Wir wollen uns nicht länger von Irrsinnigen und Verbrechern terrorisieren lassen. Es muß endlich Ordnung in Berlin geschaffen und der ruhige Aufbau des neuen revolutionären Deutschland gesichert werden.

Wir fordern Euch auf, zum Protest gegen die Gewalttaten der Spartakusbanden die Arbeit einzustellen und

sofort

unter Führung Eurer Vertrauensleute vor dem Hause der Reichsregierung, Wilhelmstraße 77, zu erscheinen.

Arbeiter! Bürger! Genossen! Soldaten!

Erscheint in Massen!

Zeigt, daß Ihr Manns genug seid, aus eigener Kraft Eure Freiheit, Euer Recht und Euer Parteieigentum zu schützen.

Der Vorstand der sozialdemokratischen Bezirksorganisation Groß Berlins. (S. P. D.)

Theodor Fischer. Franz Krüger. August Pattloch.

 

 

G. Noske über die Ereignisse am 6. Januar 1919[8]

 

Meiner Meinung, daß nun versucht werden müsse, mit Waffengewalt Ordnung zu schaffen, wurde nicht widersprochen. Der Kriegsminister, Oberst Reinhardt, formulierte einen Befehl, durch den die Regierung und der Zentralrat den Generalleutnant von Hoffmann, der mit einigen Formationen nicht weit von Berlin war, zum Oberbefehlshaber ernannte. Dagegen wurde eingewendet, daß die Arbeiter gegen einen General die größten Bedenken hegen würden. In ziemlicher Aufregung, denn die Zeit drängte, auf der Straße riefen unsere Leute nach Waffen, stand man im Arbeitszimmer Eberts umher. Ich forderte, daß ein Entschluß gefaßt werde. Darauf sagte jemand: 'Dann mach' du doch die Sache!' Worauf ich kurz entschlossen erwiderte: 'Meinetwegen! Einer muß der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht!' Reinhardt [Der preußische Kriegsminister] meinte, auf den Vorschlag habe er eigentlich immer gehofft. Ein Beschluß wurde mündlich so formuliert, daß Regierung und Zentralrat mir weitgehendste Vollmachten zum Zweck der Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in Berlin übertrugen

 

 

Aufruf, Januar 1919[9]

 

An die Bevölkerung Groß-Berlins!

Eine niederträchtige Bande ruchloser Verbrecher und eine unbedachte Schar blinder Nachbeter hält seit einer Woche ganz Berlin in Angst und Spannung.

Ein grenzenloser Terror sucht die Oberhand zu gewinnen, und man schreckt vor keinem Mittel zurück, große Massen zur Gefolgschaft zu zwingen.

Betriebe werden zerstört, Geschäfte geplündert, Leute ausgeraubt.

Damit nicht genug! Die verbrecherische Tätigkeit gewissenloser Elemente geht bereits so weit, daß man regierungstreue Soldaten nach Habhaftwerden ohne Verhör standrechtlich erschossen hat!

Das ist Bolschewismus, wie wir ihn in Rußland sehen, ein Zustand, an dem ein Land in kurzer Zeit aushungern und verbluten muß.

Mitbürger! Genossen!

Die Würfel sind gefallen! Wir müssen uns geschlossen gegen diese Umtriebe wehren.

Eilt darum zu den Formationen, die sich der Regierung zur Verfügung gestellt haben. Wir schaffen es, wenn wir schnell und entschlossen handeln.

Helft uns durch Rat und Tat!

Anmeldungen im Werbebüro Reichstag, Portal V.

Freiwilliger Helferdienst der sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Baumeister. Henck.

 

 

7. Januar

 

Oberschlesien, Verfügung[10]:

Alle Bestrebungen, die auf eine Loslösung Oberschlesiens vom Deutschen Reiche hinzielen, stellen sich als ein Verbrechen des Hochverrats dar.

 

 

 

 

Flugblatt, 8. Januar 1919[11]

 

 

Mitbürger!

Spartakus kämpft jetzt um die ganze Macht. Die Regierung, die binnen 10 Tagen die freie Entscheidung des Volkes über sein eigenes Schicksal herbeiführen will, soll mit Gewalt gestürzt werden. Das Volk soll nicht sprechen dürfen. Seine Stimme soll unterdrückt werden. Die Erfolge habt Ihr gesehen. Wo Spartakus herrscht, ist jede persönliche Freiheit und Sicherheit aufgehoben. Die Presse ist unterdrückt, der Verkehr lahmgelegt. Teile Berlins sind die Stätte blutiger Kämpfe. Andere sind schon ohne Wasser und Licht. Proviantämter werden gestürmt, die Ernährung der Soldaten und Zivilbevölkerung wird unterbunden.

Die Regierung trifft alle notwendigen Maßnahmen, um diese Schreckensherrschaft zu zertrümmern und ihre Wiederkehr ein für alle mal zu verhindern. Entscheidende Handlungen werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es muß aber gründliche Arbeit getan werden, und die bedarf der Vorbereitung.

Habt nur noch kurze Zeit Geduld! Seid zuversichtlich, wie wir es sind, und nehmt euren Platz entschlossen bei denen, die euch Freiheit und Ordnung bringen werden.

Gewalt kann nur mit Gewalt bekämpft werden. Die organisierte Gewalt des Volkes wird der Unterdrückung und der Anarchie ein Ende machen. Einzelerfolge der Feinde der Freiheit, die von ihnen in lächerlicher Weise aufgebauscht werden, sind nur von vorübergehender Bedeutung. Die Stunde der Abrechnung naht.

Berlin, 8. Januar 1919.

Die Reichsregierung.

Ebert. Scheidemann. Landsberg. Noske. Wissel.

 

 

9. Januar

 

Erklärung USPD Berlin  [12]:

Um die Fortsetzung des Brudermordes zu verhindern, ist der Zentralvorstand zu dem Versuch bereit, eine neue Verhandlungsgrundlage zu finden. Er schlägt deshalb vor, einen Waffenstillstand eintreten zu lassen.

Er erklärt sich vor dem Eintritt in die Verhandlungen bereit, den Vorwärts zu räumen, wenn die Verhandlungskommission der AEG und der Schwartzkopffschen Werke von dem Zentralrat und der Regierung die Zusicherung erhält, daß die Verhandlungen in sozialistischem, versöhnlichem Geist geführt, die Differenzpunkte einer paritätisch zusammengesetzten Kommission überwiesen werden und die endgültige Besetzung des Polizeipräsidiums nur im Einvernehmen mit der Unabhängigen Sozialdemokratie erfolgt.

 

 

Aufruf, 7. Januar 1919[13]

 

Freiwillige vor!

Die Reichsregierung erläßt folgenden Aufruf:

Kameraden! Deutschland ist in schwerer Gefahr! Während wir an dem Ausbau unserer inneren Freiheiten arbeiten, ist die Freiheit unserer Landsleute im Osten, aus dem täglich erschütternde Hilferufe an uns gelangen, von außen bedroht. Noch ein paar Tage ohne energische Abwehr, und wir müssen befürchten, daß weitere Gebiete im Osten dem polnischen Imperialismus zum Opfer fallen, der unter Brechung von Gesetz und Landesfrieden die schwerste Stunde der jungen deutschen Republik mißbraucht. Regierung und Volk protestieren gegen diese Versuche, vor Friedensschluß die Welt vor fertige Tatsachen zu stellen. Wir haben die Wilson-Punkte als Grundlage für den künftigen Frieden angenommen und werden sie gewissenhaft halten.

Kameraden! Proteste allein nützen nichts, sie ersetzen die Nahrungsmittel nicht, die uns gesperrt werden, sie schaffen die Kohlen nicht, ohne die unser Wirtschaftsleben zugrunde gehen muß, sie bringen uns das Ansehen nicht zurück, das uns verlorengeht. Sie helfen den Kameraden in den Ostseeprovinzen zu keinem ungestörten Abzug. Wehren müssen wir uns. Meldet euch freiwillig zum Grenzschutz; bei jedem Bezirkskommando werden Meldungen entgegengenommen und euch die günstigen Bedingungen mitgeteilt, unter denen die Anwerbung von Freiwilligen erfolgt. Wir wollen euch in keinen neuen Krieg führen. Ihr sollt das Vordringen von Landesfriedensbrechern aufhalten. Ihr sollt das Überrumpeln wehrloser Städte und Dörfer verhindern. Ihr sollt es unmöglich machen, daß Fremde nach Deutschland wie in ein herrenloses Haus eindringen und sich festsetzen. Ihr sollt als republikanische Wehrmänner die Errungenschaften der Revolution sicherstellen und die im Innern geschaffenen Neueinrichtungen verteidigen. Noch jede Revolution, die französische wie die russische, hat unter der Fahne ihrer neuen Ideale freiwillige Armeen aus der Erde gestampft. Folgt dem Rufe der deutschen Revolution. Sie kann ohne eure Hilfe ihre Ziele nicht erreichen. Zeigt, daß die Revolution den Militarismus getötet hat, aber nicht die freiwillige Schutzbereitschaft ihrer freiwilligen Bürger. Die Republik ruft euch, sie sorgt für euch, aber sie braucht euch auch. Freiwillige vor!

Die Reichsregierung

Ebert, Scheidemann, Landsberg, Noske, Wissel

 

 

Robert Leinert, 3. Januar 1919[14]

 

Leinert kann dem Aufruf auch nicht beistimmen. Er sieht zu sehr danach aus, als wollten wir für die Regierung eine Schutztruppe gegen die Unabhängigen und die Spartakusgruppe schaffen. Das Flugblatt schlägt nicht den richtigen Ton an. Es muß gesagt werden, daß wir eine Beute fremder Völker werden, wenn das Volk sich jetzt nicht aufrafft, daß die Polen uns mit ihrem ungeheuer großen Nationalstolz beschämen, daß wir Deutschen auch nicht das geringste besitzen, um unser Deutschtum zu wahren[.] Wir dürfen uns doch nicht von einem so tiefstehenden Volke wie den Polen zerrütten und um die großen Errungenschaften bringen lassen, die die Arbeiter geschaffen haben und die in dem großen Siege der Revolution gipfeln. Diese Errungenschaften müssen geschützt werden, wenn wir nicht rettungslos verloren sein sollten, wenn [wir] nicht verhungern wollen. Wir müssen hinweisen auf die trostlose Lage, in der sich nicht nur unser Volk, sondern auch die Gesinnung vieler Staatsbürger befindet. Es muß gesagt werden: Die Armee soll das schützen, was in den Wilsonschen Friedensbedingungen steht, nämlich die Selbstbestimmung des deutschen Volkes. Das klingt vielleicht alles etwas alldeutsch, es braucht ja aber nicht mit diesen Worten gesagt zu werden. In dem Aufruf steht, daß die Truppen die Grenzen sichern, und im Innern die neue Einrichtung verteidigen sollen. Wenn das stehen bleibt, lesen wir morgen in der Freiheit und in der Roten Fahne, daß wir ein neues gewaltiges stehendes Heer schaffen wollen, das dann schließlich unter der Führung der Offiziere die Macht an sich reißt und die Revolution wieder zunichte macht. Wir müssen ausdrücklich sagen, daß wir das Leben unserer Staatsbürger im Osten schützen wollen, wir müssen die Verhältnisse mit einigen Worten schildern, wir müssen darauf hinweisen, daß die Polen in deutsches Gebiet mordend und sengend eingebrochen sind und daß wir uns das nicht gefallen lassen dürfen. Das werden namentlich auch unter den organisierten Arbeitern viele Leute einsehen. Jetzt sieht es so aus, als ob die Polen uns einfach ganz Ostpreußen und Westpreußen restlos abschneiden wollen, und wir stehen tatenlos da. Das ist so beschämend für unser ganzes Volk, daß es nicht so weitergehen kann. Die Armee muß schnell geschaffen werden. Wir müssen erklären, daß sie nicht zu verwechseln ist mit den jetzigen stehenden Heeren, daß eine andere Grundlage geschaffen wird. Das kann vielleicht in einem zweiten Aufruf an die Presse geschehen, worin wir sagen, wie die Armee aufgebaut werden soll, damit die Freiwilligen auch etwas mehr Vertrauen bekommen..

 

 

Aufruf, 9. Januar 1918[15]

 

Auf zum Generalstreik ! Auf zu den Waffen ! Arbeiter! Genossen! Soldaten!

Grenzenlos war die Langmut der. revolutionären Arbeiter Deutschlands; über alle Maßen ihre Geduld mit den vom Bruderblut besudelten Ebert-Scheidemann. Die Verbrechen dieser Verräter des Proletariats, dieser elenden Handlanger der kapitalistischen Scharfmacher, dieser Verkörperung der Gegenrevolution schrien längst zum Himmel. Der 6. Dezember oder 24. Dezember, die Metzeleien unter den wehrlosen Urlaubern und Frontsoldaten, die Niederkartätschung revolutionärer Matrosen, das waren die ersten Bluttaten der Judasse in der Regierung. Sie sollten die Kraft der Revolution brechen, die auflodernde Empörung der Arbeiter- und Soldatenmassen löschen. Doch der revolutionäre Geist triumphiert; die Scheidemann-Ebert standen gebrandmarkt und verachtet vor der ganzen Welt. Aber die vom Urteil des Volkes gerichteten Mörder geben das verruchte Spiel nicht auf. Sie gehörten ins Zuchthaus, aufs Schafott. Aber sie gedachten, auf den Leichen ihrer Opfer erst recht ihre Herrschaft zu errichten; auf die Ausbeuter und Unterdrücker, auf die Schlotbarone, das Junkertum, die Offiziersmeute, die Suppe-Garde gestützt, ein Gewaltregime der Bajonette, Maschinengewehre und Kanonen zu schaffen; eine Trutz- und Zwingburg gegen die revolutionäre Arbeiterschaft.

Eichhorn sollte davongejagt, das Polizeipräsidium, diese wichtige revolutionäre Machtstellung, schnöde geraubt werden. Da erhob sich der Zorn der Berliner Arbeitermassen von neuem in wuchtigen Kundgebungen. Einen ehernen Wall zogen sie um das Polizeipräsidium: Denn sie wußten, im Berliner Polizeipräsidium sollte die Revolution selbst tödlich getroffen werden. Sie suchten sich vor der Infamie ihrer Todfeinde zu schützen, indem sie ihnen die Hauptinstrumente der Lüge und Verhetzung aus den blutbefleckten Händen nahmen. Die Scheidemann-Ebert zauderten nicht. Ihr Cäsarenwahnsinn lechzte nach neuem Blut. Zahlreiche heilige Menschenleben fielen ihrem rasenden Haß gegen das revolutionäre Proletariat am Montag zum Opfer. Endlich mußte das Gericht sie ereilen.

Aber das revolutionäre Proletariat war von solch unerhörter Langmut und Geduld, daß es sich dennoch mit ihnen in Verhandlungen einließ und, um weiteres Blutvergießen zu verhüten, noch einmal an das Gewissen der schurkischen Mordbuben appellierte.

Hinterlistig gingen diese darauf ein, höhnten die Vertreter der Arbeiter durch übermütige Forderungen und zweideutige Redensarten, zogen die Verhandlungen über zwei Tage hin. Unter der tückischen Maske der Friedensbereitschaft nutzten sie diese zwei Tage zu eifrigen Rüstungen, zur Heranziehung auswärtiger gegenrevolutionärer Truppen, zur Bestechung, Betäubung, Verwirrung der bisher revolutionären Truppen, zur Bewaffnung ihrer Anhänger und des Bürgertums, zur fieberhaften Verstärkung ihrer militärischen Macht. Und gestern, Mittwoch abend, als sie sich genügend vorbereitet glaubten, schroff auftrumpfend auf ihre brutale Macht, brachen sie diese Verhandlungen ab.

Unerhört war die Langmut, die Geduld, die Nachsicht, die Friedensbereitschaft der revolutionären Arbeiterschaft. Die Ebert-Scheidemann aber wollen nicht Frieden, sondern Krieg, Bürgerkrieg. In Arbeiterblut wollen sie waten, in Arbeiterblut die soziale Revolution ersäufen. Mit blauen Bohnen das hungernde Volk, die um ihre Befreiung aus den Ketten des Kapitals ringenden Massen traktieren und zu Boden werfen.

Arbeiter! Genossen I Jetzt ist der letzte Nebel hinweggeblasen l Klar ist die Situation! Es geht aufs Ganze, es geht ums Ganze! Ums ganze Glück, um die ganze Zukunft der Arbeiterschaft, ums Ganze der sozialen Revolution!

In aller Öffentlichkeit haben die Scheidemann-Ebert ihre Anhänger und das Bürgertum zu den Waffen gegen euch Proletarier gerufen. Schon die Notwehr zwingt euch, mit gleicher Notwehr zu zahlen. Es gibt keine Wahl! Es muß gekämpft werden bis aufs Letzte!

An jeden Proletarier, an jeden revolutionären Soldaten ergeht der Donnerruf des unerbittlichen Geschicks: Auf zum letzten, zum entscheidenden Kampf!

Heraus aus den Fabriken, ihr Arbeiter und Arbeiterinnen! Der Generalstreik aller Betriebe muß eure erste Antwort sein!

Alle Räder müssen stillstehen! Heraus aus den Betrieben, heraus auf die Straße!

Zeigt den Schurken eure Macht! Bewaffnet euch! Gebraucht die Waffen gegen eure Todfeinde, die Ebert-Scheidemann!

Auf zum Kampf!

Auf zum Kampfe, auf zum vernichtenden Schlage, der zerschmettern muß die blutbesudelten Ebert-Scheidemann!

Zerschmetterung der Revolution, Niedermetzelung des Proletariats oder Zerschmetterung der Ebert- Scheidemann und aller Todfeinde des Proletariats ‑ so steht die Alternative!

Steht gerüstet, seid bereit, handelt, handelt, handelt!

Auf zur Tat! Und der Sieg wird, der Sieg muß euer sein!

Es lebe das Proletariat! Es lebe die sozialistische Revolution des deutschen Proletariats! Es lebe die sozialistische Weltrevolution!

Arbeiter! Genossen!

Heraus aus den Betrieben! Auf zum Generalstreik!

Heraus auf die Straße zum letzten Kampf, zum Sieg!

Die revolutionären Obleute und Vertrauensmänner der Großbetriebe Groß -Berlins

Der Zentralvorstand der Sozialdemokratischen Wahlvereine Berlins u. Umg. USP

Die Zentrale der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund)

 

Fußnoten



[1]. http://www.marx.org/deutsch/referenz/bernstein/1921/drev/kap12.html.

E. Bernstein: Die deutsche Revolution - Band 1, (Bibliographie ).

[2]. IML beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung - Reihe 2 - Band 3 - Januar 1919‑Mai 1919, S. 9; (Bibliographie ).

http://www.marx.org/deutsch/referenz/bernstein/1921/drev/kap12.html.

E. Bernstein: Die deutsche Revolution - Band 1, (Bibliographie ).

[3]. Schulthess' europäischer Geschichtskalender - Band 60 (1919) - Teil 1, S. 4 (Bibliographie ).

http://www.marx.org/deutsch/referenz/bernstein/1921/drev/kap12.html;

E. Bernstein: Die deutsche Revolution - Band 1, (Bibliographie ).

H. Michaelis, E. Schraepler (Hg.): Ursachen und Folgen - Band 3 - Der Weg in die Weimarer Republik, (Bibliographie ).

[4]. http://www.marx.org/deutsch/referenz/bernstein/1921/drev/kap12.html.

E. Bernstein: Die deutsche Revolution - Band 1, (Bibliographie ).

IML beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien... - Reihe 2 - Band 3, S. 11 (Bibliographie ).

[5]. IML beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien... - Reihe 2 - Band 3, S. 12 (Bibliographie ).

[6]. IML beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien... - Reihe 2 - Band 3, S. 16 (Bibliographie ).

[7]. R. Wiegand: Die Sozialdemokratie in der Novemberrevolution, S. 93 (Bibliographie ).

http://www.vulture-bookz.de/imagebank/Dokumente/pages/1919-01~Spartakuswoche--Aufruf_der_SPD.html.

[8]. G. Noske: Von Kiel bis Kapp, S. 68 f. (Bibliographie ).

[9]. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, XII. HA (Amts-) Drucksachen, IV Flugblätter und Plakate.

[10]K. Popiołek: Zródla do dziejów powstań śląskich - Band 2, S. 89; (Bibliographie ).

G. Doose: Die separatistische Bewegung in Oberschlesien (1918‑1922), S. 117 (Bibliographie ).

[11]. G. A. Ritter, S. Miller (Hg.): Die Deutsche Revolution..., S. 184-185. (Bibliographie ).

http://www.marx.org/deutsch/referenz/bernstein/1921/drev/kap12.html;

E. Bernstein: Die deutsche Revolution - Band 1, (Bibliographie ).

http://www.stmuk.bayern.de/blz/web/100081/02.html.

[12]. http://www.marx.org/deutsch/referenz/bernstein/1921/drev/kap12.html.

E. Bernstein: Die deutsche Revolution - Band 1, (Bibliographie ).

[13]. IML beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien... - Reihe 2 - Band 3, (Bibliographie ).

H. Schulze: Freikorps und Republik 1918‑1920, S. 31. (Bibliographie ).

P. Erker, T. Pierenkemper: Deutsche Unternehmer zwischen Kriegswirtschaft und Wiederaufbau, S. 125;. (Bibliographie ).

[14]. S. Miller, H. Potthoff, E. Matthias: Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/19 - Band 2, (Bibliographie ).

[15]IML beim ZK der SED (Hg.): Dokumente und Materialien... - Reihe 2 - Band 3, S. 33 (Bibliographie ).

http://www.stmuk.bayern.de/blz/web/100081/02.html.