1918: Die Novemberrevolution
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Schon zu Beginn des Jahres brachte die Hamburger und Altonaer
Arbeiterschaft im "Januarstreik" ihre Kriegsmüdigkeit zum Ausdruck; die
Bevölkerung litt zunehmend unter der schlechten Versorgung mit
Lebensmitteln. Nachdem am 28. Januar die Arbeiter auf der Hamburger
Vulkan-Werft die Arbeit niedergelegt hatten, folgten einen Tag später
die 400 Arbeiter des Rüstungsbetriebs Michaelsen in Altona, und am 30.
Januar traten weitere 1000 Arbeiter der Möbelfabrik Holsatia Neumann,
der Ottensener Eisenwerke und der Maschinenfabrik Bauermeister in den
Streik. Trotz der Drohung, die Streikenden unverzüglich zum
Kriegsdienst einzuziehen, schlössen sich wieder einen Tag später noch
die Arbeiter der Altonaer Betriebe Conz, Seidler & Spielberg und
'Gutmann an. Funktionären von Gewerkschaft und (Mehrheits-) SPD - ein
Jahr zuvor hatte sich die konsequent sozialistische USPD mit Karl
Liebknecht und Rosa Luxemburg abgespalten - gelang es jedoch, den
"wilden" Streik binnen kurzem zu beenden.
Der November des gleichen Jahres brachte dann allerdings endgültig
den Sturz der alten Ordnung: die Regierung kapitulierte, der Kaiser
dankte ab, und revolutionäre Arbeiter- und Soldatenräte übernahmen die
Macht in vielen Städten. Dabei spielten v.a. die USPD und der noch
radikalere "Spartakusbund" eine starke Rolle. Nach einer gut besuchten
Volksversammlung im "Kaiserhof" am 3. November warnte der Altonaer
Polizeipräsident: "Nach Verlauf gestriger sozialdemokratischer
Volksversammlung im Kaiserhof, auf der Spartakusleute mit beurlaubten
Soldaten sich verbrüderten, halte ich Unruhen zwecks Umsturz und Tötung
wohlhabender Personen sehr wohl möglich. Jedenfalls empfiehlt es sich,
daß das Militär sich in größeren Abteilungen auf den Hauptstraßen
zeigt." Am nächsten Tag berichteten die Zeitungen über den Aufstand der
revolutionären Matrosen in Kiel, es kam zu spontanen
Solidaritätsaktionen, und eine von der USPD einberufene
Massenversammlung beschloß einen Streikaufruf zur Unterstützung der
Kieler. Am Morgen des 6. November dann griff der Aufstand auf Hamburg
und Altona über: die im Hafen liegenden Kriegsschiffe wurden von
Matrosen übernommen und unter dem Vorsitz von Heinrich Laufenberg nahm
im Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof der Arbeiter- und Soldatenrat
Groß-Hamburg seine Arbeit auf.
Mittags erschienen die Revolutionäre vor dem Gebäude des
Generalkommandos in der Pal-maille, wo der preußische General von Falk
mit seinem Stab residierte. Der hatte sich jedoch bereits abgesetzt,
nachdem er vergeblich versucht hatte, seine Truppen gegen die
Aufständischen einzusetzen. Er selbst berichtete später:
"Am Morgen des 6. November begab ich mich gegen 7 Uhr nach dem
Generalkommando, das von einem starken Wachtkommando besetzt war. Alle
verfügbaren Truppen waren in den Kasernen bereit. Nur 1000 Mann standen
für das große Städtegebiet (Hamburg und Altona) zur Verfügung.
Verteidigungsmaßnahmen waren getroffen, und zwar im ganzen Korpsgebiet.
Größte Energie war anbefohlen. Eine Besprechung mit dem Kommandanten,
Generalmajor von Trautmann, ergab, daß zwei Kompanien mit
Maschinengewehren und zwei Geschützen mit etwas Munition als einzige
Reserve zur Verfügung standen. Bekannt war geworden, daß die Leitung
der Aufstandsbewegung im Hamburger Gewerkschaftshaus tagte." Ich
befahl: "Die Reserve rückt vor das Gewerkschaftshaus und hebt die
Leitung dort aus." - Bald kam die Meldung: "Die Artillerie weigert sich
anzuspannen." - Damit war jede Aussicht, der Bewegung mit den eigenen
Truppen Herr zu werden, verloren. ... So war mein letzter Befehl, der
jetzt folgte, ein Telegramm an alle Garnisonskommandos etwa des
Inhalts: "Jeden Widerstand aufgeben! Unnötiges Blutvergießen
vermeiden!"... Die Pflicht gebot, meinen dienstlichen Sitz nach
außerhalb zu verlegen. Der Pflicht gehorchend, ließ ich Hab und Gut im
Stich. Im Bureauanzug mit Mantel, verließ ich Altona im Auto. Das haben
Böswillige Flucht genannt!"
Schon am 18. November nahmen auf Druck der Wirtschaft Senat und
Bürgerschaft ihre Tätigkeit wieder auf, Ende Dezember übernahm der
spätere Altonaer Senator Walter Lamp'l den Vorsitz des Soldatenrats,
und spätestens mit den Wahlen im März 1919 war die Revolution beendet.
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